Ronahi Hassan, Frauenrechtsaktivistin
Seit dem 8. Dezember 2024, dem Tag an dem das Assad Regime fiel, waren alle Augen auf Syrien gerichtet. Während die Menschen über eine Zukunft ohne die Assad-Dynastie diskutieren, haben die Menschen in Rojava – einer überwiegend kurdischen, aber multikulturellen Region in Nordsyrien – die Gunst der Stunde genutzt und jahrelange Organisierungsarbeit in die Tat umgesetzt.
Dieser Artikel wurde im Turning Point Magazine unter dem Titel »›We Will Fight With All Our Strength‹: as Islamists Oust Assad, Women’s Struggle Persists in Syria« am 19. Februar 2025 auf Englisch erstveröffentlicht.
In Rojava begann die Revolution am 19. Juli 2012, als die Stadt Kobanê die syrische Armee vertrieb. Im Laufe der folgenden 13 Jahre haben die Menschen in der Demokratischen Selbstverwaltung Nord- und Ostsyriens (DAANES) viel erreicht: ein Verwaltungssystem, das auf Basisdemokratie, Frauenbefreiung und einer ökologisch gerechten Gesellschaft basiert. Das Assad-Regime war hier bereits Jahre vor seinem allgemeinen Sturz in Syrien gestürzt.
Frauen im Mittelpunkt der Revolution
Von Beginn der Revolution an war klar, dass wir eine freie Gesellschaft wollten, und wir wussten, dass dies ohne die Befreiung der Frauen vom Patriarchat – den Wurzeln eines unterdrückerischen Gesellschaftssystems, das sich über 5000 Jahre erstreckt – unmöglich sein würde. Wir brauchten eine Revolution, in deren Mittelpunkt die Frauenbefreiung steht, und so begann die Revolution in Rojava. Seitdem haben wir demokratische Selbstverwaltungsstrukturen aufgebaut und, was am wichtigsten ist, wir haben autonome Frauenstrukturen auf allen Ebenen etabliert. Von Beginn der Revolution an organisierten sich Frauen unabhängig: Sie gründeten Gemeinschaften und Räte, beteiligten sich an allen politischen Entscheidungen und führten in allen Institutionen ein Ko-Vorsitzenden-System und Geschlechterquoten ein.
Trotz der demokratischen und fortschrittlichen Frauenrevolution seit 2012 wurde Kobanê erst im Jahr 2014 weltweit bekannt. Kobanê wurde ab dem 15. September 2014 von der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) brutal belagert und reagierte mit beispiellosem Widerstand gegen diese Gruppe. Die Kämpferinnen der Kurdischen Frauenverteidigungseinheiten (YPJ) traten dem IS furchtlos entgegen und besiegten ihn am 26. Januar 2015 in Kobanê – und später auch in Girê Spî (arab. Tall Abyad, 16. Juni 2015), Serêkaniyê (arab. Ras al-Ain, Mai 2015), Minbic (arab. Manbidsch, 12. August 2016), Tabqa (10. Mai 2017), Raqqa (20. Oktober 2017), und Deir ez-Zor (3. November 2017).
Diese heldenhaften Frauen griffen zu den Waffen und verteidigten ihre Gesellschaft. Sie gaben ihr Leben und wurden zu Symbolen der Revolution. Eine dieser Heldinnen war Arîn Mîrkan, eine junge YPJ-Kommandantin, deren Militäraktion, bei der sie sich selbst opferte, zu einem Wendepunkt in der Schlacht um Kobanê wurde, als der Kampf bereits verloren schien.
Während die militärischen Siege gegen den IS die Revolution bekannter machten, ist es wichtig zu betonen, dass ihr Erfolg weit über den Krieg hinausgeht. In den letzten 13 Jahren haben sich Frauen in allen sozialen, politischen, rechtlichen, wirtschaftlichen und bildungsbezogenen Lebensbereichen engagiert und eine Vorreiterinnenrolle beim Aufbau einer freien Gesellschaft übernommen. Das regionale Modell der Selbstverwaltung ist dank des Kampfes der Frauenbewegung ein basisdemokratisches, multikulturelles, multiethnisches und gleichberechtigt verwaltetes System. Die Leistungen der Frauen sind vielfältig, aber sie erforderten immer einen intensiven Kampf in allen Lebensbereichen.
Kurdische Frauen verfügen über umfangreiche Erfahrung beim Aufbau autonomer Organisationen in der Region und lassen sich dabei von der Befreiungsbewegung Kurdistans und ihrem Anführer Abdullah Öcalan inspirieren. Kurdische Frauen organisieren sich seit den frühen 1990er Jahren und legten den entscheidenden Grundstein für die Frauenrevolution im Jahr 2012. Doch da ihre Organisierung stets unter starker Repression stattfand, mussten sich kurdische Frauen oft heimlich organisieren. Sie organisierten Bildungsinitiativen, gingen von Haus zu Haus, hörten sich die Sorgen und Probleme anderer Frauen an und suchten nach Lösungen sowohl für Einzelpersonen als auch für die Probleme der Frauen im Allgemeinen.
Aufbau zahlreicher Institutionen
Kongra Star wurde 2005 in Rojava als Dachverband für Frauen gegründet, mit dem Ziel, Frauen zu organisieren und ihr politisches Bewusstsein zu vertiefen. Kongra Star spielte später eine wesentliche Rolle bei der Gestaltung der Autonomieverwaltung Nord- und Ostsyriens. Unter dem Assad-Regime wurden nicht nur die Organisationen ethnischer und religiöser Minderheiten stark unterdrückt, sondern auch die der Frauen. Es gab nur eine anerkannte Frauenorganisation, die dem syrischen Regime direkt unterstellt war. Die Mitglieder von Kongra Star mussten unter strenger Geheimhaltung arbeiten. Ihre Mitglieder wurden unter Druck gesetzt, verhaftet und entführt, und der Aufenthaltsort einiger Frauen ist bis heute unbekannt. Nach dem Ende des Regimes schlossen sich assyrische, arabische und armenische Frauen den bewaffneten Selbstverteidigungskräften an und gründeten Räte und Organisationen.
Die »Mala Jin«, wörtlich übersetzt »Frauenhäuser«, waren mit die ersten öffentlichen Organisationen von Frauen. Sie wurden zu Orten, an denen sich Frauen bei Gewalt, Verletzung ihrer Rechte oder anderen Problemen wenden konnten. Zu Beginn wurden die Mala Jin heftig kritisiert. Die Männer glaubten, dass die Mala Jin ihre Macht schwächen oder ihre Familien auflösen würden. Mit der Zeit gewannen sie jedoch an Ansehen und auch heute kommen viele Männer vorbei, um sich bei Familienangelegenheiten oder Problemen mit ihren Frauen Rat zu holen. Die Demokratisierung der Familiendynamiken ist ein entscheidender Schritt in Richtung einer mentalen Revolution, und dies ist Teil der Mission der Mala Jins.
Durch den Kampf um organisierte Kraft von Frauen gibt es in allen Bereichen der DAANES und seinen Institutionen eine Geschlechterquote von 50 Prozent. Darüber hinaus gibt es auf allen Ebenen der DAANES ein Ko-Vorsitzenden-System, das vorsieht, dass an der Spitze eine Frau und ein Mann stehen müssen und dass ethnische Minderheitengruppen entsprechend der sozialen Zusammensetzung jeder Region vertreten sein müssen. In einer Stadt beispielsweise, in der die Mehrheit der Bevölkerung Kurd:innen und Assyrer:innen sind, muss eine:r der Vorsitzenden Kurd:in und der oder die andere Assyrer:in sein, während die stellvertretenden Ko-Vorsitzenden verschiedenen ethnischen Gruppen in der Region angehören sollten.
Ein weiterer bedeutsamer Meilenstein der Frauenrevolution war der Gesellschaftsvertrag. Er wurde erstmals 2014 verabschiedet und 2023, nach Veränderungen in der Region und der Ausweitung des Systems der Selbstverwaltung, erneut diskutiert und ausgearbeitet. Im Gesellschaftsvertrag sind unter anderem die Geschlechterquote und das Ko-Vorsitzenden-System geregelt. Natürlich waren diese Vorschriften nicht selbstverständlich und erforderten von den Frauen Kampf und Beharrlichkeit. Wären wir nicht organisiert gewesen, hätten wir diese Errungenschaften nicht erzielen können, weil die Vertretung der Frauen immer wieder in Frage gestellt wurde. Aber die verschiedenen Organisationen sind in ihrer Vielfalt vereint im Kampf gegen das Patriarchat. Frauen in Nord- und Ostsyrien, aber auch Frauen auf der ganzen Welt stellen wichtige Forderungen für ihre Rechte. Frauenrechtsaktivist:innen und Feminist:innen auf der ganzen Welt setzen sich für diese Veränderungen ein, und es war die organisierte Stärke der Frauen, die dafür gesorgt hat, dass diese Forderungen in den Gesellschaftsvertrag aufgenommen wurden.
Eine Revolution des Denkens
Während politische und wirtschaftliche Erfolge erzielt wurden, sind Frauenprojekte und Kooperativen gegründet und Frauen auf allen Ebenen gestärkt worden. Die größte Herausforderung jedoch war und ist, eine Revolution des Denkens herbeizuführen: die Mentalität einer Gesellschaft zu verändern, in der nationalistische und kapitalistische Regierungen und Jahrtausende patriarchalischen Einflusses nach wie vor charakteristische Merkmale sind.
Wir als Frauen sind uns dessen sehr bewusst. Viele Gesetze wurden zur Verteidigung der Frauenrechte erkämpft, aber Gesetze können rückgängig gemacht werden, wie wir in westlichen Ländern sehen, in denen Frauenrechte bereits früher erkämpft wurden. Aber wenn man einmal das Bewusstsein und die Mentalität der Gesellschaft verändert hat, können sie nicht mehr so einfach weggenommen werden. Deshalb ist Bildung entscheidend für unsere Revolution. Deshalb sind Akademien und Schulsysteme ein wesentliches Instrument. Im Laufe der Jahre haben Sozial- und Frauenorganisationen viele Akademien gegründet, um die Gesellschaft über das Patriarchat, die Demokratie, Ökologie und viele andere wichtige Themen aufzuklären. Diese Akademien stehen der gesamten Bevölkerung und verschiedenen Altersgruppen offen.
Das Bildungssystem schätzt sowohl seine Lehrer:innen als auch seine Schüler:innen. Lehrkräfte werden geschult, um Sexismus, Rassismus und andere Formen der Diskriminierung zu vermeiden. Schulbücher sind frei von traditionellen Geschlechterrollen. Um eine demokratische Gesellschaft zu fördern, müssen auch die Familien demokratisiert werden. Dazu gibt es regelmäßige Bildungsmöglichkeiten für Familien in Räten und Gemeinden. Demokratie geht über die Politik hinaus: Sie umfasst Beziehungen innerhalb von Familien, Gruppen und zwischen Individuen.
Errungenschaften der Frauen erfordern einen ständigen Kampf
Im Zuge der Revolution haben Großmütter in den zivilen Frauenverteidigungseinheiten der HPC-Jin zu den Waffen gegriffen und sind auf Patrouille gegangen, um ihre Viertel zu verteidigen; Selbstbewusst ergreifen Mütter das Mikrofon und äußern öffentlich ihre politische Meinung. Junge Frauen schließen sich den Reihen der YPJ an, um den Islamischen Staat zu bekämpfen und ihr Volk vor der türkischen Invasion zu schützen; Eine Journalistin mit der Kamera in der Hand spricht ihre Wahrheit aus – diese und viele weitere sind Szenen unseres Erfolgs.
Wenn wir darauf zurückblicken, wie es 2012 oder noch vor fünf Jahren in der Region war, können wir sehen, wie sich in kleinen, aber zuversichtlichen Schritten viel verändert. Zu Beginn der Revolution waren organisierende oder arbeitende Frauen verpönt, heute sind diese Frauen in der Gesellschaft hoch angesehen. Vor fünf Jahren war es in den Straßen von Qamişlo noch ungewöhnlich und selten, dass eine Frau Auto fuhr, aber heute ist es völlig normal.
Im Herzen des Nahen Ostens haben sich Hunderttausende junger Frauen der YPJ angeschlossen, und sie sind zum Stolz ihres Volkes geworden. Was hier aufgebaut wurde, ist ein fortlaufendes revolutionäres Projekt für Millionen von Menschen. Die Frauenbewegung in Nord- und Ostsyrien, die Frauen aus allen Gesellschaftsschichten, Gruppen und Religionen zusammenbringt, ist eine in der Gesellschaft verwurzelte Frauenbewegung.
Diese Revolution hat weltweit Hoffnung, Mut und Solidarität geweckt. Hunderte von Menschen aus der ganzen Welt sind nach Rojava gekommen um zu unterstützen, zu lernen, zu verteidigen und sich der Revolution anzuschließen: Ivana Hoffmann und Anna Campbell, sind zwei von vielen solchen Beispielen, die an der Seite der YPJ gegen den IS und den türkischen Staat kämpften, um die Errungenschaften der Frauen zu verteidigen.
Die Errungenschaften von Frauen waren und sind immer noch nicht garantiert. Sie erfordern einen ständigen Kampf um ihre Weiterentwicklung und gleichzeitig um Verteidigung, weil das System, in dem sie organisiert sind, unter schwerem Beschuss steht. Neben dem Kampf in der Gesellschaft gegen patriarchale Mentalitäten wird die Region und das demokratische System von der Türkei militärisch angegriffen.
Angriffe durch Türkei, SNA und Assad
Ankara befürchtet, dass die demokratischen Bestrebungen der kurdischen Bevölkerung Rojavas auf Nordkurdistan (das innerhalb der Grenzen des türkischen Staates liegt) übergreifen könnten. Die kurdische Forderung nach Demokratie und grundlegenden Rechten ist ein Albtraum für die AKP-MHP-Regierung in der Türkei. Das türkische Militär hat auf diese Forderungen mit kontinuierlichen Angriffen reagiert. Im Jahr 2018 wurde Efrîn und 2019 wurden Serêkaniyê und Girê Spî gewaltsam besetzt. Hunderttausende Menschen mussten aus ihren Häusern fliehen.
Zusätzlich zu den laufenden Angriffen startete die Türkei im Jahr 2020 eine Drohnenkampagne gegen die Region. Der erste dieser Schläge richtete sich gegen die Frauenbewegung Kongra Star. Am 23. Juni 2020 wurden drei Aktivistinnen getroffen, die sich für die Organisierung von Frauen in den Dörfern und der Umgebung von Kobanê einsetzten. Seitdem konzentriert sich die Türkei mit ihren Drohnenangriffen auf Aktivist:innen und Politiker:innen, die in der Region eine Schlüsselrolle bei der Organisierung der Bevölkerung und der Etablierung eines demokratischen Systems spielen.
Für die Frauen und alle Völker in Syrien, einschließlich der Kurd:innen, ist der Sturz des Assad-Regimes eine bedeutende Entwicklung, denn es ignorierte die Vielfalt und die Bedürfnisse der Gesellschaft und unterdrückte sie mit den grausamsten Methoden. Die aktuelle Situation hat die Türen für neue politische Entwicklungen in Syrien und der gesamten Region geöffnet. Wie dieser Weg von nun an beschritten wird, wird entscheidend sein, wenn es darum geht, gleiche und demokratische Lebensbedingungen für alle zu schaffen. Mehr denn je ist klar, dass das Ziel nur ein demokratisches Syrien sein kann, in dem alle verschiedenen Gemeinschaften auf der Grundlage von Demokratie, Frieden und Gleichberechtigung zusammenleben können.
Mit dem Sturz des syrischen Regimes am 8. Dezember 2024 ist ein historisches Ereignis eingetreten, das die Situation in ganz Syrien verändert hat. Das wirft wichtige Fragen auf, wie die Zukunft des Landes gestaltet werden soll. Die koordinierten Angriffe auf Aleppo, Hama, Damaskus und Homs, die am 27. November begannen, gipfelten im Sturz der Assad-Regierung nach 14 Jahren Bürgerkrieg.
Seit der Revolution sind verschiedene internationale Kräfte in Syrien aktiv, die die neokoloniale Politik im Nahen Osten widerspiegeln. Zu diesen Kräften gehören Russland, der Iran, die USA, Israel und andere NATO-Staaten, insbesondere die Türkei. Jedes dieser Länder verfolgt seine eigenen geopolitischen und wirtschaftlichen Interessen, beeinflusst lokale Gruppen und führt einen Stellvertreterkrieg um Macht und Ressourcen. Derzeit entfaltet sich im gesamten Nahen Osten ein Teilungskrieg, der zu einer Neuziehung der Grenzen führt, die vor einem Jahrhundert festgelegt wurden.
Besonders besorgniserregend ist, dass der türkische Staat und die von ihm unterstützten Gruppen wie die Syrische Nationalarmee (SNA) und IS-Banden nach dem Sturz des Regimes ihre Angriffe auf DAANES intensiviert haben. In Til Rifat, Aleppo, Minbic und Kobanê wurden Tausende von Menschen gewaltsam vertrieben. Frauen, Kinder und alte Menschen starben dort an Hunger, Krankheiten und Kälte. In Kobanê und Ain Issa (kurdisch: Bozanê) kam es zu Massentötungen, zusätzlich wurden Hunderte von Menschen gefangen genommen, gefoltert und verschwanden. Die Türkei nutzt die aktuelle Situation, um ihre völkermörderische Politik gegen die kurdische Bevölkerung in Rojava durchzusetzen und die schrittweise Annexion Nordsyriens fortzusetzen, die in Efrîn, Serêkaniyê und Girê Spî begann. Sie will die Errungenschaften der Demokratischen Selbstverwaltung zunichtemachen. Dieses Projekt ist derzeit die größte Hoffnung auf Frieden und eine demokratische Zukunft in der Region, die seit Jahrzehnten von einem Krieg zwischen Kräften gezeichnet ist, die um die Vorherrschaft über Macht und Ressourcen konkurrieren – eine Landschaft, die weiter von islamistischen Banden terrorisiert wird.
Frauen und die HTS-Regierung
Hayat Tahrir al-Sham (HTS) hat vor kurzem die Kontrolle über die Regierungsstrukturen in Damaskus übernommen. Es bleibt abzuwarten, wie gut eine Gruppe, die der früheren al-Nusra-Front und dem Islamischen Staat entstammt und dafür bekannt ist, ähnlich brutale Methoden gegen die Bevölkerung – insbesondere gegen Frauen – anzuwenden, in naher Zukunft auf diesen Übergang vorbereitet sein wird.
Bisher hat sich die HTS-Regierung nicht zur Rolle der Frauen oder zu den Frauenrechten geäußert und es herrscht ein allgemeines Schweigen zu diesem Thema. Aber wir sehen ihre Positionen bereits durch ihr Handeln. So gibt es zwar bisher keine öffentlichen Erklärungen oder Gesetze zu schwarzen Burkas, aber sie werden an Frauen in Damaskus, in Aleppo und in den Regionen, in denen Christen leben, verteilt. In anderen Fällen wurden Frauen aufgefordert, sich in öffentliche Verkehrsmittel zu setzen, während HTS-Milizionäre von Frauen verlangen, sich zu bedecken, wenn ihre Beine oder Arme sichtbar sind. Die einzige Frau, die ein offizielles Amt in der Regierung innehat, ist Aisha al-Dibs, die für das Büro für Frauenangelegenheiten zuständig ist. Sie hat bisher keinen Kontakt zu Frauenorganisationen in der Region aufgenommen oder auf Anfragen geantwortet. Allerdings hat sie in ihren öffentlichen Äußerungen bereits sehr deutlich gemacht, wie sie und die neue »Regierung« die Rolle und die Aufgaben der Frau sehen – nämlich darin, sich zu Hause um ihre Männer und Kinder zu kümmern.
Die neue HTS-Regierung hat sich als moderat und weich dargestellt, weil alle Augen auf sie gerichtet sind. Journalisten, NGOs, Frauenorganisationen und -bewegungen können sich jetzt in Syrien mehr oder weniger frei bewegen, was während des Assad-Regimes nicht der Fall war, aber wir fragen uns, wie lange das noch so sein wird. Als Frauen in Nord- und Ostsyrien sind wir jedoch entschlossen, keinen Schritt zurück zu machen. Wir werden weiter mit aller Kraft für unser revolutionäres Gesellschaftsmodell und die Freiheit aller Frauen darin kämpfen. Um jeden Preis werden wir die Errungenschaften der Frauenrevolution in Rojava weiterhin als Hoffnung für Syrien, den Nahen Osten und die Welt verteidigen.
Über die Autorin:
Ronahi Hassan ist Frauenrechtsaktivistin und Mitglied von Kongra Star. Zurzeit ist sie Teil des Komitees für Diplomatie in Kongra Star. Sie ist seit Beginn der Revolution aktiv an der Organisierung und Politik in der Region beteiligt. Sie hat Anglistik studiert und studiert derzeit Jura. Sie hat sich in der kurdischen Studentenbewegung organisiert und war später stellvertretende Ko-Vorsitzende des Kulturkomitees der Autonomen Verwaltung in Nord- und Ostsyrien. Sie stammt aus Qamişlo.