nur online | Positive Entscheidungen belgischer und französischer Gerichte zu kurdischen Exilstrukturen in Europa
Die PKK ist keine terroristische Organisation
Elmar Millich, AZADÎ e. V.
»Wir leisten in Kobanê nicht nur Widerstand mit Waffen, sondern vor allem mit unseren Köpfen«
Die Revolution in Rojava will kein vereinheitlichendes BildungssystemDie Revolution in Rojava will kein vereinheitlichendes Bildungssystem
Interview mit Abdi Qader, KPC-Demokratik
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Machtexpansion nach außen, Repression nach innen
Die Schiiten im Nahen und Mittleren OstenDie Schiiten im Nahen und Mittleren Osten
Emrullah Boztaş, Journalist
nur online | Die Schlussresolution der 13. jährlichen EUTCC-Konferenz: Empfehlungen und Forderungen der Kurd*innen
Die Verleugnungspolitik und die Forderung der Kurd*innen
Die 13. Internationale Konferenz zu »Die EU, die Türkei, der Mittlere Osten und die Kurd*innen«, 7. & 8. Dezember 2016 im Europäischen Parlament, Brüssel
Die Türkei, die Kurd*innen und der Krieg im Mittleren Osten
Die Türkei – Demokratie suspendiert
ISIS und die Krise im Mittleren Osten
Die Kurd*innen glauben, dass ihre Probleme innerhalb der Grenzen der Türkei durch Dialog und demokratische Methoden gelöst werden können. Sie wünschen, dass ihre nationale Identität in der Verfassung anerkannt wird und dass sie von den kulturellen und politischen Rechten profitieren, die durch internationale Konventionen gesichert sind. Sie verlangen auch einen politischen Status, durch den die Selbstverwaltung, wie sie in vielen demokratischen Ländern verwirklicht ist, erreicht werden kann. Der türkische Staat, der ihren Forderungen nicht gerecht werden will, hat seine 93-jährige Politik der Leugnung und Gewalt noch nicht aufgegeben, weil er nicht in der Lage ist, seine Mentalität zu verändern.
- Die Konferenz fordert die Türkei auf, die Verleugnungs- und Gewaltpolitik aufzugeben und den Kurd*innen und allen anderen ethnischen und religiösen Gruppen eine Garantie für die Anerkennung zu geben.
Die europäische »Blacklist«
Nachdem der kurdische Führer Abdullah Öcalan entführt und am 15. Februar 1999 an die Türkei übergeben worden war, zogen sich Guerilla-Einheiten nach Südkurdistan (Nordirak) zurück, wo sie für fünf Jahre blieben.
Obwohl sie in dieser Zeit nicht eine einzige Kugel abfeuerten, konnte der türkische Staat diese historische Chance nicht nutzen. Während die EU und die USA die Türkei hätten ermutigen sollen, eine friedliche Lösung zu suchen, setzten sie Anfang 2002 die PKK auf die schwarze Liste. Dies ermutigte die Türkei, wieder zu ihrem kriegerischen Ansatz gegenüber der kurdischen Frage zurückzukehren.
Die Kurd*innen sahen diese unglückliche Entscheidung als eine historische Ungerechtigkeit, die nicht dazu beitrug, eine friedliche und politische Lösung für ihr Problem zu finden.
Das jüngste Urteil des Brüsseler Gerichtshofs (41. Kamer [Correctional Raadkamer] am 3. November 2016), dass der Krieg in der Türkei »... ein bewaffneter Konflikt im Sinne des internationalen humanitären Rechts« nach den Genfer Konventionen und dem Römischen Statut ist.
Deswegen:
- Die PKK sollte als Konfliktpartei akzeptiert werden. Dies spiegelt die PKK-Realität wider und
- die PKK sollte aus der »Liste der terroristischen Organisationen« gestrichen werden. Das würde einen großen Beitrag zum Frieden leisten und den Weg für eine politische Lösung eröffnen.
Friedensprozess
Herr Abdullah Öcalan, der seit fast 18 Jahren inhaftiert ist, aber vom Staat als »Hauptverhandlungsführer« akzeptiert worden ist, unterbreitete einen Vorschlag, der von der AKP-Regierung angenommen wurde. Von 2013 bis zum 5. April 2015 wurden Gespräche geführt, die zu zehn wegweisenden Artikeln führten. Das Ziel war es, einen Durchbruch für eine demokratische Republik in der Türkei zu erreichen. Obwohl PKK-Vertreter*innen sich darauf vorzubereiten begannen, ließ Erdoğan am 5. April 2015 den Prozess entgleisen.
Daher fordert die EUTCC-Konferenz:
- die Unterstützung der »Kampagne Freiheit für Öcalan«, die von den großen britischen Gewerkschaften GMB und UNITE im April 2016 ins Leben gerufen wurde, und fordert die Freilassung von Herrn Öcalan als wesentliches Element für einen erfolgreichen Friedensprozess;
- die Wiederaufnahme des Friedensprozesses mit der Freilassung Herrn Öcalans, sodass er die Möglichkeit hat, ein Verhandlungsteam aufzustellen und freien Kontakt zur Freiheitsbewegung zu erhalten.
Herr Abdullah Öcalan in konstanter Gefahr
Unsere Konferenz erhielt die Information, dass AKP-MHP-Kreise die Eliminierung Abdullah Öcalans diskutieren. In der Tat können diese Diskussionen bei verschiedenen Akteur*innen die Frage nach den Folgen dieser Aktion aufwerfen. Kommentator*innen berichteten auch, dass die Wiedereinführung der Todesstrafe, zur Lenkung der öffentlichen Meinung auf die Tagesordnung gesetzt, auch in diesen Rahmen fällt. Wir wissen nicht, wie ernst diese Absichten sind. Allerdings erhalten wir Informationen, dass dies geschieht, um das Fundament für die Eliminierung Herrn Öcalans zu legen. Jeder Angriff auf Herrn Öcalan wird sich nicht nur auf Kurd*innen und die Türkei auswirken, sondern auch Auswirkungen auf die ganze Welt haben.
- Aus diesem Grund und dieser Dringlichkeit fordern wir sofortige Sensibilität für diese Lebensbedrohung, vor allem vom kurdischen Volk, der EU, einschlägigen internationalen Organisationen und der öffentlichen Meinung, um diese gefährliche Situation abzuwehren.
Muster der Repression und Zerstörung
Ohne ihre Pläne in Kurdistan zu verwirklichen, hat die AKP-Regierung den »Ausnahmezustand« als hervorragende Gelegenheit genutzt, die Angriffe auf die Kurd*innen zu intensivieren. Unter klarer Verletzung der Kriegsregeln hat die Regierung die kurdischen Städte Cizre, Sur, Nusaybin, Idil, Gever, Silvan und Şırnak zerstört, hunderte von Menschen massakriert und 1,5 Millionen Menschen zur Flucht gezwungen. Darüber hinaus verbrannten sie in Cizre 103 Zivilist*innen bei lebendigem Leibe. Zusätzlich wurden die Angriffe auf kurdische legal gewählte Politiker*innen und politische Repräsentant*innen verstärkt. Zu den Verhafteten gehören die HDP-Co-Vorsitzenden Selahattin Demirtaş und Figen Yüksekdağ, die DBP-Co-Vorsitzende Sebahat Tuncel, KJA-Sprecherin Ayla Akat Ata und die Co-Bürgermeister*innen von Amed, Gültan Kışanak und Fırat Anlı. Auch viele weitere Co-Vorsitzende von Kommunen und Gemeinderäten und Zentralvorstands-, Parteivorstands- und Parteimitglieder wurden verhaftet. Daher fordert die EUTCC-Konferenz:
- die sofortige Freilassung aller politischen Gefangenen einschließlich der HDP-Co-Vorsitzenden;
- den Staat auf, alle Treuhänder*innen zurückzuziehen und die Co-Bürgermeister*innen und anderen Abgeordneten freizulassen.
Säuberungen bei den Kurd*innen und der Opposition
Nach dem Putschversuch verhängte Erdoğan den Ausnahmezustand, führte Säuberungen bei jeglicher angeblichen und wirklichen Opposition durch und verwandelte die Türkei in ein riesiges Gefängnis. Wie das EP (RC8-1276/2016) festgestellt hat: »[...] in der Erwägung, dass diese Maßnahmen unverhältnismäßig sind und gegen die durch die türkische Verfassung geschützten Grundrechte und Freiheiten verstoßen, gegen die demokratischen Werte, auf denen die EU gegründet ist, und gegen die ICCPR; in der Erwägung, dass die Behörden zehn HDP-Abgeordnete und etwa 150 Journalist*innen (die weltweit größte Zahl) verhaftet haben; in der Erwägung, dass 2 386 Richter*innen und Staatsanwält*innen und 40 000 weitere Personen inhaftiert sind; in der Erwägung, dass 129 000 öffentliche Angestellte entweder suspendiert (66 000) oder entlassen (63 000) bleiben, von denen die meisten nicht angeklagt worden sind (S. 2)«. Zudem wurden 7 Zeitungen, 1 Zeitschrift, 1 Radiosender und 375 Vereinigungen geschlossen. Darüber hinaus wurden 34 kurdische Bürgermeister*innen verhaftet, während 57 Gemeinden in kurdischen Gebieten durch die von der Regierung ernannten Treuhänder*innen ersetzt wurden. Das Hauptziel der Türkei ist es, dass die HDP die Wahlhürde bei der bevorstehenden Wahl nicht überwindet.
Daher fordert die EUTCC-Konferenz:
- die Türkei auf, alle Angriffe auf Kurd*innen, die Opposition, Journalist*innen, Studierende und Gewerkschafter*innen einzustellen und die Verbote von NGOs, Zeitungen, Radiosendern, Zeitschriften und Fernsehsendern zurückzunehmen.
Die EU und ihre Werte
Die Tatsache, dass Menschenrechte und Grundfreiheiten das Herzstück der EU sind, wird in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte zum Ausdruck gebracht. Vor allem in der Präambel werden die Werte des Friedens, der Menschenwürde und der Grundfreiheiten als wesentliche Werte der UN und der EU erwähnt. Die einfache Realität ist, dass die Türkei das alles öffentlich und unverschämt verletzt. Es gibt keinen Frieden, nur Terrorismus, und sogar Krieg wird den Kurd*innen auferlegt. Presse-, Meinungs- oder Religionsfreiheit werden verletzt, wie der UN-Sonderberichterstatter, der Hochkommissar der Vereinten Nationen für Menschenrechte, Amnesty International und Human Rights Watch feststellen.
Wir fordern die Europäische Union, den Europarat und die Vereinten Nationen auf:
- die demokratischen Kräfte und das neue demokratische Gesellschaftsmodell für den Frieden im Mittleren Osten zu unterstützen;
- die demokratische Selbstverwaltung von Rojava anzuerkennen;
- die Föderation Nordsyrien anzuerkennen und zu unterstützen;
- dringende humanitäre Hilfe für die vom IS befreite Region in enger Zusammenarbeit mit der lokalen Verwaltung in Rojava zu starten;
- unverzüglich Maßnahmen zu ergreifen, um den laufenden Staatsstreich in ihrem Mitgliedsstaat Türkei aufzuhalten;
- ihrer Besorgnis über die Entwicklungen in der Türkei mit entscheidenden und wirksamen Maßnahmen nachzugehen.
Wir fordern die Europäische Union und die europäischen Regierungen auf:
- ihren Beitrittsprozess mit der Türkei einzufrieren, bis Präsident Erdoğan anfängt, seine Angriffe auf die Demokratie, sein Vorgehen gegen bürgerliche und politische Rechte, die Schließung politischer Organisationen und die Verhaftung Hunderttausender einzustellen;
- Erdoğan völlig klarzumachen, dass seine Aussetzung der Demokratie und Unterdrückung der demokratischen politischen Opposition sofort aufhören muss;
- die Freilassung aller gewählten Politiker*innen, Abgeordneten und Bürgermeister*innen der HDP und anderer Parteien, die in der jetzigen Verhaftungswelle festgenommen worden sind, und ihre Wiedereinsetzung in ihre rechtmäßig gewählten Positionen zu fordern;
- ihren Widerspruch durch den Rückruf des Botschaftspersonals aus der Türkei zu signalisieren, um deutlich zu zeigen, dass die gegenwärtige autoritäre Politik von Erdoğan völlig inakzeptabel ist;
alle erforderlichen Maßnahmen zu treffen, damit gewährleistet ist, dass Demokratie und bürgerliche Rechte in der Türkei völlig wiederhergestellt werden; - den politischen Entscheidungsträger*innen der Türkei klarzumachen, dass ihr gegenwärtiger Kurs eine große Gefahr für ihr eigenes Land darstellt, indem sie es zu einem Paria-Staat machen, ihre langjährigen Bündnisse schwächen und ihren wirtschaftlichen Wohlstand beseitigen;
- die Diskussion und die Absicht der türkischen Regierung zur Wiedereinführung der Todesstrafe streng zu verurteilen;
- Dringlichkeitsdelegationen zu schicken, um die inhaftierten Abgeordneten und Bürgermeister*innen der HDP zu besuchen.
Das Europäische Parlament, 8. Dezember 2016