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Editorial 237

  • April 7, 2025
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Liebe Leserinnen und Leser, wir leben in komplizierten Zeiten: Während die türkische Armee weiterhin in Kurdistan Krieg führt, nährt die historische Botschaft Abdullah Öcalans von der Gefängnisinsel İmralı

Editorial 237

Liebe Leserinnen und Leser,

wir leben in komplizierten Zeiten: Während die türkische Armee weiterhin in Kurdistan Krieg führt, nährt die historische Botschaft Abdullah Öcalans von der Gefängnisinsel İmralı die Hoffnung auf Frieden. Während ­protürkische Milizen in Nordsyrien mit türkischer Unterstützung die Gebiete der Selbstverwaltung angreifen und Dschihadisten in Westsyrien Massaker an der alawitischen Bevölkerung verüben, unterzeichnen der Generalkommandant der Demokratischen Kräfte Syriens Mazlum Abdi und der syrische Interimspräsident Ahmed al-Sharaa ein Abkommen für eine friedliche Zukunft Syriens. Was widersprüchlich erscheint, verdeutlicht die Komplexität der aktuellen Lage im Nahen Osten.

Zweifellos ist die Region in Aufruhr. Die Machtverhältnisse verschieben sich, weil globale Akteure den Nahen Osten nach ihren Interessen neu ­ausrichten. Regionale Mächte wie der Iran und die Türkei sind beunruhigt, denn wie in Syrien sichtbar wurde, werden Regime, die nicht einlenken, notfalls mit Gewalt in die Knie gezwungen. Die Neuordnung der Region ist kein neues Projekt. Spätestens seit der US-Invasion im Irak 2003 soll sie wieder in das Interessengeflecht der kapitalistischen Weltwirtschaft integriert werden. Doch seit dem Gaza-Krieg beschleunigt sich die Umsetzung dieser Pläne. Es scheint, als wollten die Weltmächte über 100 Jahre nach dem Lausanner Vertrag von 1923 die Region erneut umgestalten, um sich den Zugriff für die nächsten 100 Jahre zu sichern.

Für den Iran sind die Folgen dieser Transformation bereits spürbar. Das Regime in Teheran musste mit ansehen, wie seine Proxys in Gaza, Libanon, Jemen und Syrien geschwächt oder ausgeschaltet wurden. Auch die Türkei als Profi­teurin des Status quo erkennt, dass sie aus dieser Neuordnung nicht ungeschoren hervorgehen wird, wenn sie nicht frühzeitig eine politische Kurskorrektur einleitet.

Sowohl im Iran als auch in der Türkei sind die Kurd:innen ein wichtiger Akteur und stellen gewissermaßen die Achillesferse dieser Staaten dar. Die globalen Akteure haben ein Interesse daran, sie für ihre Pläne einzubinden – oder zu instrumentalisieren. Doch die kurdische Freiheitsbewegung ist zugleich eine eigenständige Akteurin. Sie repräsentiert gemäß der Ideologie Abdullah Öcalans die demokratische Moderne und lehnt sowohl den Status quo als auch eine Neuordnung im Sinne der kapitalistischen Weltmächte ab. Stattdessen verfolgt sie ein eigenes Projekt für die Region. Während sie ein alternatives Gesellschaftsmodell und einen gerechten Frieden anstrebt, setzen globale und regionale Mächte auf verschiedene Kriegsmethoden zur Durchsetzung ihrer Interessen. Eine davon ist der „Spezialkrieg“, der in Kurdistan seit Jahrzehnten von Unterdrückerstaaten in unterschiedlichsten Formen angewandt wird. Der Schwerpunkt dieser Ausgabe widmet sich den Erscheinungsformen dieser Kriegsmethode.

In der Hoffnung, dass der Spezialkrieg und alle anderen Formen des Krieges in Kurdistan und weltweit bald der Geschichte angehören, wünschen wir eine gute Lektüre!

Eure Redaktion