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Besuch im Nähinstitut

Kleider machen Leute – Schneiderei – Ala Hadji Schneiderin

Susanne Roden

Es ist strahlend blauer Himmel. Die Wolken tanzen in lustiger Folge am Horizont entlang.

Die Köpfe der Wiesenblumen wiegen leicht im Wind und nicken dem Frühling bei seinem bunten Treiben zu. Die Sonnenstrahlen haben schon Kraft und lassen die Natur aufatmen. Endlich. Endlich, es geht los ... Ala.
„Ach, ich habe noch meine Turnschuhe an", lacht sie und steckt behände die Schnürsenkel seitlich in die Schuhe. Schwarze Strumpfhose, schwarzer kurzer Rock und schwarze Turnschuhe mit lila Streifen.

 

Sie war zur Fitness am Morgen, hat die Turnschuhe einfach mal anbehalten.

Ob wir etwas trinken möchten, sie springt auf, greift in die Kühlschranktür, Saft, Möhre, Apfel? „Neee? Wirklich nicht? Na gut."

Wir haben uns zum Gespräch im Atelier verabredet. Ala Hadji Schneiderin.

Es war schon nicht leicht zu finden, obwohl es total einfach klang, direkt am Moritzplatz im Aufbauhaus. Es klärt sich alles mit einem Telefonanruf. Es ist Eingang A und einfach in den großen Eingang bei der Buchhandlung, links die Stufen rauf, dann rechts durch die Bastelabteilung und schon sieht man die Nähmaschinen. Kleider machen Leute – Schneiderei – Ala Hadji Schneiderin – Im Nähinstitut am Moritzplatz – Prinzenstraße 85. Das A fehlte auf der Visitenkarte. Man kennt das.

Wir sitzen an einem der hohen Zuschneidetische mit den Stoffrollenfächern, in meinem Rücken ein vor sich hin blubberndes Dampfbügeleisen.

Die Tische sind rundum auch noch mit kleinen oben liegenden Ablagefächern bestückt. Wir sehen eine Vielzahl von Stoffen bunt durcheinander vermischt.

Ala zieht einen wunderschönen Stoff nach dem anderen hervor. Den habe ich in London gekauft, so schön mit der glänzenden Stickerei, ach, und der ist direkt aus Kurdistan, schau nur die vielen kleinen Pailletten dicht besetzt, und der glänzt so toll, eine schwarze Stola. Sie wirft sie sich über und dreht sich. Toll, schick, elegant. Das findet man hier so nicht.

Dann zieht sie einen langen Überwurfmantel aus buntem Blumenstoff in einer Art Nicki-Webstoff heraus. Sie zieht ihn über, dreht sich. Ganz ungewöhnlich der hohe Kragen, wie bei asiatischen Kleidungsstücken. Dazu gehört ein mattpinkfarbenes Kleid mit langen Trompetenärmeln.

Ala dreht sich im Überwurfmantel; die Turnschuhe sind nicht mehr zu sehen.

Sie strahlt: eine Prinzessin. Das ist so schön, das Stück. Das war auch bei der Modenschau.

Eigentlich sind die Sachen von der Modenschau zu Hause, aber eine Freundin hatte etwas probieren wollen und dadurch sind einige wenige Stücke im Nähinstitut und können bestaunt werden.

Ein Glücksfall.

Ich frage Ala, seit wann das Nähinstitut besteht, wie sie dazu gekommen ist und welche Position sie dort hat.

Das Nähinstitut wurde 2010 von Linda aus Holland gegründet. Es werden Kurse zu Themen wie u. a. Schnittgestaltung, Nähen für Anfänger oder Fortgeschrittene oder auch für das Erstellen von Kinderkleidung angeboten. Die Kurse werden zudem an verschiedenen Tagen in unterschiedlichen Sprachen (Deutsch, Englisch, Spanisch) angeboten.

Ala hatte ein freiwilliges Praktikum von einer Woche im Nähinstitut absolviert und hat sich dann selbstständig gemacht. Alle Kursleiter arbeiten auf der Basis.

Bevor ich weitere Fragen stellen kann, erscheint ein Pärchen und möchte einen Nähgutschein einlösen. Sie möchten an die Overlock-Maschine, die große. Dort ist derzeit braunes Garn drauf. Sie benötigen aber Schwarz. Es muss kurz geklärt werden, ob die Arbeiten abgeschlossen sind und umgefädelt werden kann. Das ist Nähalltag.

Ja, der Nähalltag. Wie entsteht denn das Interesse an so einem kreativen Beruf, der Wunsch nach Mode, Design, nach Herstellen von Kleidung. Wann hat es denn bei ihr begonnen, in was für einer Umgebung ist sie aufgewachsen? Hatte sie schon immer den Wunsch, diesen Beruf zu ergreifen?

„Nein", sagt Ala, „ich wollte eigentlich Anwalt werden ... obwohl, ich war ja auch in einer Theatergruppe." Wir finden gemeinsam heraus, dass es doch eine familiäre Prägung gibt. Geboren ist Ala in der Stadt Samarra, 125 Kilometer nördlich von Bagdad, Ausgrabungsstätte britischer Archäologen und durch die schiitischen Heiligtümer auch Pilgerstätte.

Die Stadt ist seit 2007 auf der UNESCO-Welterbeliste.

Der Vater hat in Bagdad studiert und die Mutter ist Schneiderin. Ala kann sich erinnern, dass sie mit 13 Kleider für ihre Puppen genäht hat und sie die tolle Nähmaschine der Mutter mit dem Pedaltritt nicht anfassen durfte. Das war tabu.

Ich muss schmunzeln. Meine Großmutter hatte auch eine Pedaltrittmaschine, auch die war tabu für mich als Kind. Allerdings hat meine Oma eine Kindernähmaschine für mich besorgt, die man auf den Tisch stellen und mit einem Handrad bedienen konnte.

Die Prägung durch die Umgebung hat es also bei Ala sehr wohl gegeben.

Das war nämlich auch eine meiner Fragen an Ala, dass sie ja bei ihren Neukreationen die traditionelle Kleidung mit der Moderne verbindet, ob sie das Traditionelle von der Pike auf gelernt hat.
Die Nähtechnik und die Stoffe der kurdischen Trachten sind ja sehr besonders.

Und wie kam sie nun nach Berlin, einfach so, mit dem Flugzeug? Was war der Impuls?

Einige ihrer Geschwister waren in Berlin und sie wollte eine gute Ausbildung haben. Sie hat hier die Schule besucht und mit der zehnten Klasse den Realschulabschluss gemacht.

Dann sollte es weitergehen. Eine solide Ausbildung. Zahnarzthelferin. Das war aber nicht das Richtige. Praktikum beim Friseur. Sie hat viele Bewerbungen geschrieben und mit dem Arbeitsamt gesucht. Dann stellte sich heraus, dass an der Schule, wo ihre Schwester eine Weiterbildung machte, auch Modeschneiderei angeboten wurde. Dort hat sie sich beworben und dann ihre Ausbildung gemacht. Im Anschluss hat sie dann noch ihre Meisterprüfung bei der IHK abgelegt.

Ala hatte schon direkt nach der letzten Modenschau gesagt, wie anstrengend die Umsetzung war. Bei der ersten Modenschau war niemand zur Probe erschienen, zum Termin selbst kamen alle sehr knapp. Das zehrte sehr an den Nerven. Das Publikum musste warten.

Ich kann mich erinnern, dass es erst mit großer Verzögerung losging und dann die Auftritte recht zügig über die Bühne gingen. Es waren beeindruckende Kleidungsstücke dabei. Diese Kombination aus der alten Tradition und der Umsetzung in die Moderne. Die Frauenkleider waren durchweg wunderbar in den Farbkombinationen und den Stoffen. Schick, elegant, ein bisschen exotisch, und die jungen Frauen sahen einfach sehr schön darin aus.

Bei der zweiten Modenschau klappte es wohl grundsätzlich besser, denn Ala hatte schon Konsequenzen aus dem ersten Mal gezogen.

Insgesamt lief alles entspannter ab und die Models liefen auch ein wenig langsamer über die Bühne, so dass man die Kreationen auch besser aufnehmen konnte.

Auch wenn die Vorführung von jungen Frauen und Männern absolviert wurde, so konnte man sich auch das gesetztere Alter in den Kleidungsstücken vorstellen. Das wurde von Ala auch bestätigt.

Sie macht ja Maßanfertigung und zu den Kundinnen gehören auch alle Jahrgänge.

Da viele ihrer Kundinnen auch selbst nähen und ihre Kleidungsstücke traditionell zu Hause herstellen, ist die Idee entstanden, auch einen Kurs für Änderungsnähen anzubieten.

Das ist auch insofern eine wunderbare Idee, als dann vielleicht auch einige kurdische Frauen kommen, die sonst allein zu Hause arbeiten, um sich bei so einem Kurs mit anderen Frauen auszutauschen.

Ich werde jedenfalls zukünftig öfter bei Ala vorbeischauen und auch kreativ tätig werden, denn uns verbinden die Berufe und die Liebe zur Mode.