Editorial

 

Liebe Leser:innen,

Eine kurze Nachricht und plötzlich steht die Welt still …

Alles verschwindet in diesem Moment. Es entsteht eine Leere, die sich nach und nach mit Trauer und Wut füllt …

Am 11. Februar hat der türkische Staat eine Einrichtung der Föderation der Kriegsversehrten mit einer Drohne bombardiert. Sorxwîn Rojhilat und Azadî Dêrik, beide Mitglieder der YPJ, kamen bei dem Angriff ums Leben. Jeder Verlust durch den türkischen Drohnenterror schmerzt uns sehr. Aber in diesem Fall ist der Schmerz persönlich. Zwei Mitglieder unserer Redaktion kannten Hevala Sorxwîn persönlich.

Meine erste Begegnung mit Sorxwîn war über eine englischsprachige Dokumentation zum Krieg in Kobanê. Sie war Kommandantin im Kampf gegen den IS. Der Journalist stammt wie Sorxwîn aus Rojhilat. Sie schaute in die Kamera und sagte mit einem Lächeln im Gesicht, dass sie nach dem erfolgreichen Kampf in Kobanê auch die Bevölkerung von Rojhilat befreien werden. Das war für mich der bewegendste Moment der ganzen Dokumentation. Ihr Lächeln und ihre Zuversicht haben mich sehr beeindruckt. Dieses Bild von ihr werde ich nie vergessen.

Es war ein so bewegender Moment, diese Heldin einige Jahre später in Rojava persönlich zu treffen. Sie war im Krieg um Kobanê verwundet worden. Erst später erfuhr ich, dass sie wegen der Splitter in ihrem Körper ständig Schmerzen hatte. Sie ließ sich nichts anmerken. Sie arbeitete nun für die Kriegsversehrten und gab ihren Mitstreiter:innen Kraft, auch mit und trotz der Kriegsverletzungen weiter für die Revolution zu arbeiten. Heval Sorxwîn war ein beeindruckender Mensch. Sie verlangte nichts, übte keinen Druck aus. Sie sorgte sich immer um das Wohlergehen ihrer Mitmenschen und machte ihnen einfach durch ihr Beispiel Mut. Wenn sie einen Ort besuchte, änderte sich die Stimmung schlagartig zum Positiven. Es gibt Menschen, deren bloße Anwesenheit dich glücklich macht, dir Zuversicht gibt. Sie war ein solcher Mensch. Ich habe jeden Moment in ihrer Nähe genossen. Ich wollte bei ihr sein, sie reden hören, ihr Lächeln sehen …

Was bleibt uns von Heval Sorxwîn? Es bleibt die Erinnerung an ein Vorbild, an eine Schönheit, die im und durch den revolutionären Kampf erblüht. Es bleibt die Verantwortung, die sie uns hinterlässt, diesen Kampf mit noch größerer Zuversicht und Entschlossenheit zu führen. Und es bleibt das Lächeln von Heval Sorxwîn. Ein Lächeln, das uns daran erinnert, in jedem Augenblick unsere Menschlichkeit und unsere Liebe trotz aller Widrigkeiten zu bewahren.

In einer Sprachnachricht an unsere Freundin in der Redaktion berichtete sie, dass der türkische Drohnenterror gegen den Norden und Osten Syriens das Leben für die Menschen deutlich erschwert habe. Aber gleich im nächsten Satz fügte sie hinzu, dass es trotzdem allen gut gehe und bald wieder alles besser werde…

Diese Worte über Dich zu schreiben, Heval Sorxîn, macht mich unendlich traurig. Aber gleichzeitig zaubert mir die Erinnerung an Dich ein Lächeln ins Gesicht. Wir werden Dein Andenken immer in Ehren halten. Und wir werden dies tun, indem wir den Kampf für ein freies Leben in Rojava, im Mittleren Osten und auf der ganzen Welt mit Deiner Entschlossenheit und Deiner Zuversicht weiterführen.

Eure Redaktion


  Kurdistan Report 232 | März / April 2024