Liebe Leser:innen,

alle Augen sind derzeit auf den Konflikt in Palästina und Israel gerichtet. Die schrecklichen Bilder, die uns aus der Region erreichen, lassen niemanden kalt. Wie auch?!

Doch gerade angesichts der jüngsten Eskalationsspirale im Nahen und Mittleren Osten müssen wir uns die Frage stellen, wie ein Ausweg aus dem Status quo aussehen kann. Die Palästina-Frage, die Kurdistan-Frage und zahlreiche andere Konfliktherde in der Region sind das Ergebnis einer ungerechten Ordnung, die den Menschen und Völkern der Region aufgezwungen wurde. Und jedes Mal, wenn einer dieser Konfliktherde wieder aufflammt, stellen sich Menschen in anderen Teilen der Welt, politische Organisationen, ja ganze Staaten hinter die eine oder andere Seite des Konflikts, so als würden sie ihren Verein bei einem Sportereignis an­feuern. Doch all dies ist kein Sportereignis, sondern bittere Realität für Millionen von Menschen, die in einer Region mit blutiger Geschichte leben.

Im Schatten dieses grausamen Konflikts tobt auch der Krieg in Kurdistan mit aller Grausamkeit weiter.    Bei einer Angriffswelle der türkischen Luftwaffe auf die Selbstverwaltung im Norden und Osten Syriens Anfang Oktober wurden bis zu 80 Prozent der zivilen Infrastruktur zerstört. Fünf Millionen Menschen sind davon unmittelbar betroffen. Vor den Augen der Weltöffentlichkeit hat das Erdoğan-Regime erneut Kriegsverbrechen begangen. Und die internationale Gemeinschaft hat sich erneut dafür entschieden, diese Verbrechen stillschweigend zu dulden.

Doch weder im Israel-Palästina-Konflikt noch in Kurdistan können und ­dürfen wir von der internationalen Staatengemeinschaft Antworten auf die Krisen er­warten. Die imperialistischen Akteure, seien es die NATO-Staaten oder Russland, sind die Nutznießer der Konflikte in der Region. Sie setzen ihre Interessenpoli­tik eiskalt durch. Für die Opfer der Konflikte vergießen sie, wenn überhaupt, Kroko­dils­tränen.

Die Antwort auf diese Konflikte ist und kann nur ein alternatives Gesellschaftsmodell sein: Ein Gesellschaftsmodell, das die Rechte der ethnischen und religiösen Gemeinschaften in der Region ebenso akzeptiert wie die Gleichberechtigung der Geschlechter. Ein Gesellschaftsmodell, in dem jede gesellschaftliche Gruppe ihren Platz findet, über sich selbst bestimmen kann und nicht von anderen Gruppen dominiert oder ausgebeutet wird. Aber auch ein Gesellschaftsmodell, das den Menschen in der Region nicht von außen aufgezwungen wird, sondern aus dem Mittleren Osten selbst kommt und der Geschichte, der Kultur und der Realität der Menschen gerecht wird.

Ein solches Gesellschaftsmodell, den Demokratischen Konföderalismus, hat Abdullah Öcalan von seiner Gefängnisinsel İmralı aus vorgeschlagen. Auch wenn er selbst seit Jahren einer verschärften Isolation durch das türkische Regime ausgesetzt ist, haben seine Gedanken die Gefängnisgitter durchbrochen und geben Millionen Menschen weltweit Hoffnung.

Es ist daher höchste Zeit, dass wir uns auch für die Freiheit Abdullah Öcalans einsetzen und die am 10. Oktober gestartete Kampagne »Freiheit für Öcalan und eine politische Lösung der kurdischen Frage« stärken. Denn es geht nicht nur um die physische Freiheit einer Person, sondern auch darum, dass Millionen Menschen im Nahen und Mittleren Osten ein würdevolles Leben aufbauen können.

Eure Redaktion


 Kurdistan Report 230 | November / Dezember 2023