Die Bevölkerung organisiert sich im Kampf für ihre Rechte

Editorial

Liebe Leserinnen und Leser,
wir müssen die aktuelle Ausgabe mit dem unerfreulichen Erstarken der islamistischen Organisation ISIS im Nahen und Mittleren Osten einleiten. Nachdem sie, unterstützt von arabischen Golfstaaten und der Türkei, in Syrien vor allem im Krieg gegen Rojava/Nordsyrien auffiel, hat sie nun im Irak gleich in mehreren Städten, darunter auch in Mûsil (Mossul), die Kontrolle an sich gerissen. Über die internationalen Reaktionen berichten die Medien zur Genüge. Doch was bedeutet diese Entwicklung aus Sicht der kurdischen Freiheitsbewegung?

 

Schon am 26. März 2003 gelangte über seine AnwältInnen die Botschaft Abdullah Öcalans an die Öffentlichkeit: »Die rückständigen Diktaturen des Mittleren Ostens werden sich auflösen. [...] Das imperialistische kapitalistische System und der Mittleren Osten stehen in einem tiefen Widerspruch zueinander. Entweder werden die neuen Männer der USA an die Macht kommen oder der demokratische Frühling der Völker wird sich entwickeln. [...] Wir durchleben eine Übergangsphase.« Die krisenbehaftete Übergangsphase, von der er vor mehr als elf Jahren sprach, hält weiter an und ISIS ist deren Produkt. In Syrien wurde diese Organisation vom Westen gefördert oder zumindest geduldet. Das rächt sich nun, denn ihr Machtzuwachs im Irak läuft westlichen Interessen scheinbar zuwider.

Der kurdischen Freiheitsbewegung kommt jetzt die Aufgabe zu, den Widerstand für den demokratischen Frühling der Völker in der Region voranzutreiben. Der Schutz der Revolution von Rojava, auch gegen ISIS, ist ein gelungenes Beispiel für die Organisierung kollektiven Widerstands. Dem muss nun auch im Irak und in Südkurdistan gefolgt werden. Der denkbar schlechteste Weg wäre nämlich, wieder auf Westunterstützung, allen voran der USA, im Kampf gegen die IslamistInnen zu setzen. Denn wer hat den Irak in die Krise gestürzt und so den perfekten Nährboden für radikalislamistische Gruppen hinterlassen? Wer hat ISIS im Kampf gegen das Baath-Regime in Syrien überhaupt erst großgemacht? Die Schuld des Westens ist unübersehbar. Und nun sollen die in erster Linie für das Chaos in der Region Verantwortlichen die Sache wieder geradebiegen? Eines ist sicher, eine demokratische und freiheitliche Perspektive kann nur aus dem demokratischen Widerstand vor Ort keimen und nicht durch Intervention von außen.
Der Kampf für den demokratischen Frühling ist nicht einfach, das zeigen auch die Entwicklungen in Nordkurdistan. Dort hat der Widerstand der Bevölkerung gegen den Bau neuer Militärstützpunkte wieder Todesopfer gefordert. Doch die Aggressivität des türkischen Staates steht in keinem Widerspruch zu den anhaltenden Gesprächen auf Imralı, wie manche meinen. Es ist vielmehr der Beweis dafür, dass die kurdische Freiheitsbewegung diesen Prozess gut führt und den Staat in Bedrängnis bringt. Deshalb heißt es auch weiterhin: nicht auf Schritte von staatlicher Seite warten, sondern eigenständig den demokratischen Frühling der Völker organisieren!

Mit dem Wunsch nach einer lohnenden Lektüre,

Ihre Redaktion