Die Situation in türkischen Gefängnissen

Wenn deine Freiheit vom Gutdünken der Gefängnisleitung abhängt …

Interview mit den Anwältinnen Regin Ergül und Ekin Yeter


Wenn deine Freiheit vom Gutdünken der Gefängnisleitung abhängt …Seit Anfang 2021 werden viele politische Gefangene, die ihre Strafe abgesessen haben, nicht mehr freigelassen. Wie funktioniert diese rechtswidrige Regelung, die die Freiheit der Gefangenen der Willkür der Gefängnisverwaltungen überlässt? Was bedeutet die Begründung »kein einwandfreies Verhalten«, mit der die Gefangenen unrechtmäßig in Haft gehalten werden? Das wollen wir von den Anwältinnen Rengin Ergül und Ekin Yeter erfahren.

Seit den ersten Monaten des Jahres 2021 wurde die Freilassung zahlreicher Gefangener, die ihre Mindesthaftstrafe abgesessen haben, unterbunden. Gibt es eine Verordnung, auf die sich diese Praxis stützt?

Ekin Yeter: Ja, gleich nach Beginn der Pandemie, im April 2020, wurde eine Vollstreckungsvorschrift auf die Tagesordnung gesetzt, die wir als »Teilamnestie« bezeichnen können (Gesetz Nr. 7242 über die Vollstreckung von Straf- und Sicherheitsmaßnahmen und Änderungen bestimmter Gesetze). Damals haben wir uns darauf konzentriert, dass politische Gefangene von dieser Regelung nicht ausgenommen werden. Aber das Gegenteil ist passiert. Mit dieser Regelung wurde die Freilassung von politischen Gefangenen, auch nach abgesessener Haftstrafe, unterbunden. Allen politischen Aktivist:innen wurde geradezu die Botschaft mitgegeben: »Wenn du ins Gefängnis kommst, kommst du da nicht mehr raus.« Dass politische Gefangene heute nicht mehr wegen »guter Führung« frühzeitig oder unter Bewährungsauflagen entlassen werden, ist eine Folge dieser Regelung. Ihnen wird von einer Einrichtung, die sich Verwaltungs- und Beobachtungsinstitution (İdare ve Gözlem Kurulu, IGK) nennt, »keine gute Führung« bescheinigt und somit das Recht auf frühzeitige Haftentlassung genommen.

Wurde das Vollstreckungsrecht in Bezug auf »gute Führung« geändert?

Rengin Ergül: Ja, mit der Änderung des Gesetzes Nr. 7242 wurde der Geltungsbereich für »gute Führung« erweitert. Mit der Änderung ging auch die Bildung der IGKs einher. Zu den Kriterien für die frühzeitige Haftentlassung durch »gute Führung« wurde »geringes Risiko für eine erneute Straftat und Schädigung von Personen« hinzugefügt. Darüber hinaus werden nach dem zweiten Absatz der Verordnung nun auch die Programme und Aktivitäten der Verurteilten im Gefängnis, die Teilnahmezertifikate, die Lesegewohnheiten, die Beziehungen zu anderen Verurteilten, Häftlingen, Beamt:innen und Außenstehenden, die Reue über die begangene Straftat, die Einhaltung der Vorschriften und die Disziplinarstrafen in die Entscheidung über die »gute Führung« einbezogen. Aber zwei Dinge sind hier aus unserer Sicht wichtig: das Hinzufügen von Reue und das Risiko einer erneuten Straftat. Diese beiden Dinge verhindern die meisten Freisetzungen. Gleichzeitig ist es ein Widerspruch in sich, dass einerseits das »Risiko der Schädigung von Personen« zum Kriterium ernannt wird und andererseits mit dieser Regelung Mörder von Frauen aus der Haft entlassen werden. Die türkische Regierung hat mit diesem Gesetz unter Missachtung des Grundsatzes der Gleichheit bei der Vollstreckung lediglich kriminelle Straftäter:innen per »Teilamnestie« freigelassen.

»Gute Führung«, Reue, Rückfallrisiko … Sind das nicht alles sehr vage, offene Kriterien, die zur Bewertung des Einzelfalls nach Belieben ausgelegt werden können?

Rengin Ergül: Das ist das Problem. Was unter »guter Führung« zu verstehen ist, wird nicht definiert, es werden lediglich Kriterien benannt. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat zum Beispiel einen Kommentar zur »guten Führung« verfasst. In einem Fall, in dem eine Person nicht freigelassen wurde, weil die Gefahr einer erneuten Straftat bestünde, sagte der oberste Richter des EGMR, dass die Gefahr einer erneuten Straftat nicht vorhersehbar sei. Dies sei keine Bestrafung, sondern ein durch Rachegefühle motiviertes Handeln und trage nicht zur Wiedereingliederung in die Gesellschaft bei.

Was versteht man in der Verordnung unter »Reue zeigen«?

Rengin Ergül: Wir kennen das »Reuegesetz« aus dem Strafgesetzbuch. Wenn jemand also »Reue« zeigt, wird die Haftstrafe verkürzt. Was aber ist Reue im Vollzug und wie wird sie dargelegt? Das Äquivalent zur Reue im Vollstreckungsrecht ist folgende Frage: »Ist die PKK eine terroristische Organisation?« oder »Was halten Sie von Abdullah Öcalan?«. Es gibt Personen, die wegen der Begehung einer Straftat im Namen einer Organisation verurteilt werden, ohne Mitglied dieser Organisation zu sein, weil sie gegen die Verhaftung von Demirtaş protestiert haben. Diese Leute werden gefragt: »Halten Sie die Verhaftung von Demirtaş für rechtmäßig?« Es gibt keine Definition von Reue.

Wer sind die Mitglieder der Verwaltungs- und Beobachtungsgremien (IGK), die über die »gute Führung« entscheiden? Und wie arbeitet diese Einrichtung?

Yeter: Die Mitglieder des Gremiums werden gemäß Artikel 22 der Verordnung über die Vollstreckung von strafrechtlichen und sicherheitsrechtlichen Maßnahmen festgelegt. Das Gremium verfügt über einen Vorsitzenden, einen zweiten Vorsitzenden (der für die Beobachtung und Einstufung der Gefangenen zuständig ist), einen Verwaltungsbeamten, einen Gefängnisarzt, einen Psychologen, einen Lehrer, einen Verantwortlichen für den psychosozialen Dienst, einen Leiter des Vollzugs- und Schutzdienstes und einen vom Leiter aus den Reihen des technischen Personals ausgewählten Beamten. Der springende Punkt bei der Zusammensetzung des Gremiums ist, dass im Falle der Gefangenen, die wegen Mitgliedschaft in einer (Terror-)Organisation eine Haftstrafe verbüßen, ein Staatsanwalt die Leitung des IGK übernimmt.

Ergül: Werfen wir einen Blick auf die Verfahrens- und Beweisregeln des Internationalen Strafgerichtshofs. Selbst vor dem Internationalen Strafgerichtshof, vor dem Verbrechen gegen die Menschlichkeit verhandelt werden, ist die Möglichkeit einer vorzeitigen Entlassung gesetzlich geregelt und wird auch de facto umgesetzt. Dies ist auch das Kriterium des EGMR: Die Vorschriften über die vorzeitige Entlassung unter Auflagen müssen sowohl de jure als auch de facto angewendet werden. Der Internationale Strafgerichtshof verfügt über ein System mit drei Richter:innen zur Überprüfung der guten Führung und der bedingten Entlassung. Die Gremien, die diese Entscheidung treffen, sollten sich aus unabhängigen Sachverständigen zusammensetzen. Außerdem gibt es ein Protokoll, ein Leitdokument, in dem die Kriterien für die Bewertung festgelegt sind. Die Kriterien werden nacheinander aufgeführt. Im türkischen Staat gibt es jedoch eine Struktur, die aus Gefängnispersonal besteht, einschließlich der Staatsanwaltschaft für diejenigen Straftaten, die der Staat als »terroristische Straftaten« bezeichnet. Bei ablehnenden Entscheidungen ist die erste Instanz, die wir anrufen, der Vollstreckungsrichter. Der Vollstreckungsrichter beurteilt den Rechtsbehelf ebenfalls als Einzelrichter. Der türkische Staat stützt sich weder auf das Drei-Richter-System des Internationalen Strafgerichtshofs noch auf sein eigenes altes System.

Wie war dieser Sachverhalt denn im alten System geregelt?

Ergül: Die Bewertung erfolgte früher durch ein Gericht, das Kenntnis über die betroffene Person und ihre Akte hatte. Heute arbeitet das Richter-Büro »wie ein Notar«, wie es ein Gefangener ausdrückte, und genehmigt alles, was die Gefängnisverwaltung entscheidet. Dann bringen wir die Akten zum Obersten Strafgerichtshof und zum Verfassungsgericht. Wenn sich die Entlassung einer gefangenen Person, die die Entlassungsphase erreicht hat, in die Länge zieht, werden sowohl sie selbst als auch ihre Familie und ihre Angehörigen aufgerieben. Sie sind seit 30 Jahren inhaftiert, und gerade als Sie entlassen werden sollen, sitzt der Staat mit Ihnen am Verhandlungstisch.

Was wird da verhandelt?

Yeter: Die Gremien werden in jedem Gefängnis anders umgesetzt. Im Januar besuchten wir alle Gefängnisse in der Schwarzmeerregion, in denen die Gremien noch nicht eingerichtet worden waren und einzelne Psycholog:innen mit den Gefangenen die Gespräche führten, mittels derer über die frühzeitige Entlassung entschieden wird. In den Gefängnissen in Wan (tr. Van) hingegen treffen sich dreiköpfige Ausschüsse mit denjenigen, die unter Auflagen entlassen werden sollen. Im Gefängnis von Bayburt gibt es kein Gremium, sie haben ein sogenanntes Punktesystem eingeführt. Ich zitiere die Aussage eines Häftlings: »Wir werden jeden Monat mit einem Punktesystem bewertet. Uns wurde gesagt, dass sie ab Januar ein Notizbuch führen werden, in dem die Nichtteilnahme an Kursen, das Grüßen anderer Gefangener auf den Fluren und der Umgang mit dem Personal vermerkt werden, und wenn wir unter 45 Punkte fallen, wird unser Entlassungstermin um sechs Monate verschoben.« Das ist es, was die Gefängnisverwaltung den politischen Gefangenen sagt. Diese Praxis ist unvereinbar mit den von Rengin genannten internationalen juristischen Kriterien sowie mit dem türkischen Vollstreckungsrecht, der Verfassung und den Grundsätzen des Strafverfahrens.

Werden in jedem Gefängnis Entscheidungen nach dem Gutdünken der Verwaltung getroffen?

Ergül: Beispiele für Willkür gibt es viele. So wurden den politischen Gefangenen in Şakran (tr. Aliağa) beispielsweise folgende Fragen gestellt: »Mögen Sie Abdullah Öcalan?«, »Sind Sie in der Organisation oder auf ihrer Seite?«, »Wer ist Ihr Prophet, sind Sie ein Muslim?« und »Zeigen Sie Reue?«.

Im Hochsicherheitsgefängnis Wan wurde einem politischen Gefangenen folgende Frage gestellt: »Werden Sie für die HDP arbeiten, wenn Sie rauskommen?« Im E-Typ1-Gefängnis Ordu1 wurden die Gefangenen mit folgenden Fragen konfrontiert: »Halten Sie die Organisation X für eine terroristische Organisation?«, »Was werden Sie tun, wenn Sie rauskommen?« und »Werden Sie für eine politische Partei arbeiten?«. Die Freilassung eines politischen Gefangenen namens Süleyman Timurtaş wurde beispielsweise wegen »mangelnden Wohlverhaltens« ohne jegliche weitere Begründung verhindert.

Wie viele Haftentlassungen wurden seit 2021 durch die Verwaltungs- und Beobachtungsgremien unterbunden?

Yeter: Wir haben leider keine konkreten Angaben zur Hand. Aber allein unser Verein wurde bis Februar dieses Jahres 116 Mal wegen verweigerter Haftentlassungen kontaktiert. Der Justizminister hat im Juni dieses Jahres, wenn ich mich recht erinnere, erklärt, dass bei knapp einem Viertel der politischen Gefangenen die frühzeitige Haftentlassung abgelehnt wird. Die Quote war mehr als doppelt so hoch wie bei herkömmlichen Strafgefangenen.

Gibt es Proteste gegen die Arbeit dieser Gremien?

Yeter: Gegenwärtig werden in den türkischen Gefängnissen Proteste organisiert und diese Gremien boykottiert. Die Häftlinge sind seit mehreren Monaten nicht mehr vor den Gremien erschienen. Vereinzelt nehmen Einzelne an den Gremienterminen teil, aber im Allgemeinen herrscht ein Zustand des Protests. Die Gefangenen sagen, dass sie diese Gremien nicht als legitim ansehen und sie als feindliches Gesetz gegen ihren Willen betrachten.

Was passiert, wenn die Gefangenen die Termine nicht wahrnehmen?

Ergül: Natürlich geben die Gremien in ihren Protokollen nicht an, dass sie boykottiert worden sind. Aber mit anderen Begründungen wird auf Haftfortsetzung entschieden.

Ist dieses Dilemma nicht zu schwer für Menschen, die im Gefängnis sitzen, vor allem für Langzeithäftlinge?

Ergül: Ein Häftling, der seit 25 Jahren im Gefängnis sitzt, sagte: »Ich habe seit 25 Jahren keinen Baum mehr angefasst. Wer könnte den Frieden in diesem Land mehr wollen als jemand wie ich?« Diese Person hat seit 25 Jahren keinen Baum mehr angerührt und dann kommt irgendein Gremium daher und verhandelt mit dieser Person über ihre Entlassung. Kann es etwas Unmoralischeres geben?!

Yeter: Im Gefängnis von Kalkandere sitzt Hasan Mesut Çelebi, der seit 28 Jahren inhaftiert ist. Das letzte Mal habe ich mich vor zwei Monaten mit ihm getroffen. Er sagte mir, dass sie gegen die Gremien protestieren und bei den Terminen nicht erscheinen würden. Er bat uns, dies in die Berichte über die Verletzung von Rechten zu schreiben. Ich fragte ihn: »Es bleibt nur noch wenig Zeit bis zu deiner Entlassung und jetzt nimmst du an diesem Protest teil?« Er sagte: »Ich sehe diese Gremienarbeit nicht als legitim an, mein Wille wird infrage gestellt. Es ist nun egal, ob ich 28 Jahre oder 30 Jahre absitze. Wichtig ist, dass diese Verordnung aufgehoben wird.«

Anstelle der IGKs hätte es auch Gremien geben können, welche die Auswirkungen der Haft auf die Gefangenen wissenschaftlich und unvoreingenommen beobachten und Bewertungen zugunsten der Gefangenen vornehmen, oder nicht?

Ergül: Wir sind ohnehin nicht grundsätzlich gegen ein solches Gremium. Da wir das Recht auf Hoffnung verteidigen, sagen wir dem Staat: »Ihr mögt jemanden zu lebenslanger Haft verurteilt haben, aber es sollte nicht bedeuten, bis zum Tod eingesperrt zu sein. Es sollte eine Struktur geben, um diese Strafe nach einer Zeit neu zu bewerten.« Auch der EGMR sagt dies. Im Bürgerlichen Recht, im positiven Recht, ist es weltweit üblich, dass eine Person nach 25 Jahren Haft entlassen wird. Sowohl der EGMR als auch wir wollen, dass die Gefangenen Verfahrensgarantien erhalten. Das heißt, es sollte einen Ausschuss geben, der sich aus unabhängigen und sachkundigen Personen zusammensetzt, und die Kriterien des Ausschusses sollten mit objektiven Kriterien und klinischen Ansätzen übereinstimmen. Der Mechanismus, mit dem wir gegen die Entscheidungen des Ausschusses Berufung einlegen können, sollte nicht durch einen Einzelrichter als Vollstreckungsrichter bestimmt werden. Es müsste ein Mechanismus aus drei oder mehr Richtern sein.

Was meinst du mit »Recht auf Hoffnung«?

Ergül: Eigentlich gibt es keine klare Definition des Rechts auf Hoffnung. Das Recht auf Hoffnung umschreibt die Möglichkeit der Gefangenen, eines Tages entlassen zu werden. Die gefangene Person sollte wissen, dass sie eines Tages frei sein kann. Ein Ausdruck wie »Freiheitsentzug bis zum Tode« sollte in dem Gesetzesartikel nicht vorkommen. Ein weiteres Kriterium ist, dass die Gefangenen über Verfahrensgarantien verfügen sollten, die es ihnen ermöglichen, in allen Verfahren Rechtsmittel einzulegen. Zudem sollte die strafrechtliche Sanktion so ausgelegt werden, dass sie auf eine Wiedereingliederung der Person in die Gesellschaft ausgerichtet ist. In einem Urteil des EGMR heißt es: »Selbst wenn eine Person zu einer schweren lebenslangen Haftstrafe verurteilt worden ist, darf sie keiner Isolationshaft ausgesetzt werden. Denn die Isolation ist keine Praxis, die auf die Wiedereingliederung der Person in die Gesellschaft ausgerichtet ist.«

Yeter: Das Recht auf Hoffnung ist ein Konzept, das wir zusammen mit der verschärften lebenslangen Freiheitsstrafe diskutieren. Aber wir können die IGKs und ihre Entscheidungen auch als eine Regelung betrachten, die den Menschen das Recht auf Hoffnung nimmt. Denn sie verletzen das Recht auf Freiheit und Unversehrtheit. Ihre Botschaft lautet: »Deine Entlassung aus dem Gefängnis hängt von meinem Wohlgefallen ab.«

Ergül: Verurteilungen zu mehr als 25 Jahren verletzen auch das Recht auf Hoffnung. Die in der Türkei verhängten 30-jährigen Haftstrafen, ihre Erhöhung auf 36 Jahre, all das steht im Widerspruch zum Recht auf Hoffnung.

Hat diese Praxis auch mit der Situation Öcalans und dem Isolationssystem auf İmralı zu tun?

Ergül: Die »Freiheitsstrafe bis zum Tod« wurde erst verhängt, als Öcalan in die Türkei gebracht wurde. Es gab vorher die Todesstrafe, aber sie wurde seit 1984 nicht mehr angewandt. Nach 20 Jahren wurden sogar die zum Tode Verurteilten freigelassen. Öcalans Rechtsvertretung brachte das Todesurteil vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte und der türkische Staat wurde verurteilt, sein Recht auf Leben verletzt zu haben. Dann änderte das türkische Gericht Öcalans Urteil in einem neuen Prozess in verschärfte lebenslange Haft. In der Zwischenzeit wurde mit der Änderung des Gesetzes Nr. 4771 das Todesurteil in eine verschärfte lebenslange Haftstrafe umgewandelt. Diese Änderung bedeutet »Freiheitsentzug bis zum Tod«. Als dieser Änderungsantrag im Parlament diskutiert wurde, sagte Mehmet Ali Şahin, der damalige Justizminister, mit Bezug auf Öcalan: »Mit diesen Änderungen wird er nach 33 Jahren freigelassen. Aber wir werden die Möglichkeit seiner Freilassung, die Möglichkeit einer Amnestie, ausschließen.« In einem Zeitungsinterview äußerte er sich wie folgt über die verschärfte lebenslange Freiheitsstrafe: »Wenn man einen Menschen zum Tode verurteilt, tötet man ihn einmal. Aber wenn man ihn zu einer verschärften lebenslangen Haftstrafe verurteilt, tötet man ihn jeden Tag.« Die Situation von Öcalan bildet die Grundlage für diese Gesetzesänderung. Damals wurde diese Änderung vorgenommen, weil die Todesstrafe aus Gründen wie dem Beitrittsprozess zur EU und den Kopenhagener Kriterien abgeschafft wurde. Wir sehen, wie eine für Öcalan gemachte Gesetzesänderung die kurdische Bewegung und die gesellschaftliche Opposition heute als Ganzes betrifft. Deshalb können wir dieses Gesetz auch »Öcalan-Gesetz« nennen.

Fußnote:

1 - E-Typ-Gefängnisse haben zwei Stockwerke und wurden vom »Saal-« auf das »Zellensystem« mit Gemeinschaftshafträumen für 2, 4, 6, 8 und 10 Personen umgebaut. Jeder Raum hat einen gesonderten Platz für den Hofgang. 


 Kurdistan Report 225 | Januar/Februar 2023