Zu den Perspektiven der DBP
Die eigenen Belange demokratisch selbst bestimmen
DBP Demokratische Partei der Regionen
Mit der Demokratischen Partei der Völker (HDP) und der Demokratischen Partei der Regionen (DBP) hat sich ein neues politisches Bewusstsein entwickelt. Lange Zeit warben herkömmliche Parteien mit ihren politischen Zielen und ideologischen Vorstellungen um gesellschaftliche Unterstützung. Diese sich mit der Zeit zu einem ständig wiederholenden Kreislauf entwickelnde Art Politik gelangte mit HDP und DBP zu einer neuen Dimension.
Von einer Partei wird erwartet, dass sie ihre Inhalte mit verschiedenen Methoden auf die gesellschaftliche Agenda setzt. Für die KurdInnen – ihre Existenz wurde geleugnet – waren durch ihre Partei ihre Verteidigung und ihr legitimer Widerstand das Ziel. Natürlich kann ihr Kampf nicht nur darauf reduziert werden. Von Beginn an, also seit der Gründung ihrer ersten Partei und den folgenden Verboten all ihrer Parteien bis heute, waren ihre Verteidigung und ihre Freiheit allerdings das Hauptziel.
Dieser Kampf um das bloße Überleben brachte wichtige Erfahrungen in den Entwicklungen einer demokratischen Politik mit sich. Diese beeinflusste das Regime in der Türkei stark, das auf Totalität, Homogenität und der Leugnung aller gesellschaftlichen Unterschiedlichkeiten aufbaut. Seit seiner Gründung stürzte sich der türkische Staat reflexartig sofort schon im Keim auf jeglichen demokratischen Prozess im Land. Erst die Tradition kurdischer Parteien griff dieses in sich geschlossene politische System nachhaltig an und veränderte es. Das enge Hemd, das für dieses Land geschneidert worden war, passte ihm einfach nicht und platzte an allen Nähten. In ihrem Bewusstsein halten HDP und DBP und hielten die Parteien, in deren Tradition sie stehen, als die ersten in der Türkei ernsthaft stand gegen die nationalstaatliche Ausprägung der kapitalistischen Moderne und all ihre negativen Konsequenzen für die Gesellschaft. HDP und DBP vertreten genau dieses politische Prinzip des demokratischen Widerstandes und seine Tradition.
Im Zuge der Intensivierung der Diskussionen über die Demokratisierung in der Türkei bewies die HDP-/DBP-Tradition, dass gesellschaftlicher Widerstand nicht mit der herkömmlichen Ausprägung der klassischen Parteien geführt werden kann. In dieser Offensive spielte Abdullah Öcalan – die Führungspersönlichkeit in der kurdischen Bevölkerung – eine maßgebliche Rolle. Die HDP schaffte es mit ihrem realisierten Kongress, alle auf der Suche nach einem demokratischen und freien Leben befindlichen gesellschaftlichen Kräfte mit ihrer jeweiligen Identität unter einem Dach zu sammeln, was in gewissem Sinne genau die gesellschaftlichen Realitäten widerspiegelt, die dieser Staat leugnet und zu zerstören sucht. Alternativ zur staatlichen Logik bilden die HDP-/DBP-Prozesse die Plattformen, an denen verschiedene Volksgruppen, Glaubensgemeinschaften und Lebensformen partizipieren können, ohne ihre eigene Identität politisch und sozial zu leugnen. Trotz anfänglicher Skepsis ist durch den Prozess die Weiterentwicklung des gesellschaftlichen Kampfes um Demokratie, Freiheit und Gleichheit sichtbar geworden. In der gesamten Türkei hat dieses Projekt Akzeptanz gefunden und für einen neuen Wind gesorgt. Es setzt seine politische Arbeit als eine demokratische Partei der gesamten Türkei fort. Diese Arbeit beruht nicht nur auf der Befreiung des kurdischen Volkes, sondern aller Völker, auf dem freien Ausleben aller Religionen, auf der Respektierung aller Identitäten und Orientierungen, auf dem Kampf gegen die Umweltzerstörung und auf dem Kampf von Frauen um die Befreiung aus der männlichen Unterdrückung.
In diesem Rahmen spezialisiert sich die DBP auf die Region Kurdistan und wird Teil unseres Lebens. Derzeit führt sie 106 Gemeinden an. Was wir betonen müssen ist, dass die DBP eine Partei professioneller ideologischer AktivistInnen ist, d. h. eine Partei der Bildung. Die Arbeit der DBP umfasst einige Dimensionen, die im Folgenden aufgeführt werden:
1. Kommunale Demokratie: Die DBP strebt danach, die Demokratie in den Kommunen zu stärken. Die Administration in der Türkei ist weit davon entfernt, die gesellschaftlichen Probleme zu lösen. Ein Staat, der die Gesellschaft von einem Zentrum aus verwalten und kontrollieren will, hat niemals die Kapazitäten, Probleme zu lösen, stattdessen werden Probleme zu Kriegsgründen. Alternativ dazu geht die DBP von den Kommunen aus. Sie schafft kommunale Mechanismen, die diese Probleme lösen, indem sie Volksräte und Dorfkommunen gründet. Dieses System wird »demokratische Autonomie« genannt. Indem sie dieses Recht der Gesellschaft auf ein demokratisches Leben verteidigt, wächst dieses System stetig. Der türkische Staat bewertet es als illegal. Für die Lösung gesellschaftlicher Probleme bezieht sich die DBP aber nicht nur auf den gesetzlichen Rahmen. Sie nutzt auch gesellschaftlich legitimierte Methoden. Das sind die Ziele der angestrebten Mechanismen, dafür werden auch die staatlich-administrativen Gemeinden herangezogen. Sie sind nicht mehr nur für technische Fragen da, sondern müssen alle möglichen Probleme der Gesellschaft feststellen, sich ihnen widmen und sie lösen. Auch aus dem Namen der demokratischen Autonomie lässt sich das herauslesen: Die Verwaltungsstrukturen der Gesellschaft müssen die Probleme in den Regionen und den Kommunen lösen.
2. Frauen- und Jugendpartei: Unsere Partei ist die erste, die das Doppelspitzensystem auf die Agenda gebracht hat. Es ist eines ihrer Kernprinzipien, jegliche in allen Lebensbereichen bestehende negative Einstellung gegen Frauen und junge Menschen zu tilgen und eine von der gesamten Gesellschaft getragene Demokratie insbesondere auf diese zwei Hauptsubjekte aufzubauen. In all unseren Strukturen – Gemeinden, Organisationen, Kommissionen – werden das Kovorsitzendensystem und die gleichwertige Repräsentanz angewendet.
3. Akademien: Eine der wichtigsten Arbeiten der DBP ist die Bildungsarbeit samt Akademien. Die DBP strebt mit ihrem Parteibewusstsein und ihrer Ideologie die Veränderung der Gesellschaft an. Zu betonen ist, dass dafür nicht gewartet wird, bis sie die Regierung oder den Bürgermeister/die Bürgermeisterin stellt. In ideologischer Hinsicht bevorzugt sie nicht die Herrschaft, sondern die Nutzung jeder Möglichkeit zur Veränderung der Gesellschaft sowie die Schaffung entsprechender Bedingungen. Dabei soll für die Bevölkerung bis hin für professionelle AktivistInnen ein breites gesellschaftliches Bildungsangebot gewährleistet werden. Um ein demokratisches und freies Leben zu schaffen, muss zuvor ein entsprechendes Bewusstsein organisiert werden. Ein demokratisches System kann nur in einer gesunden Art und Weise entwickelt werden, wenn erst ein Bewusstsein dafür belebt wird. Aus diesem Grund verfügen wir über ein System diverser Akademien für unsere AktivistInnen, das verschiedene Berufsgruppen und Kategorien umfasst.
4. Politik ohne Herrschaft: Im Gegensatz zur staatsfixierten Politik fokussiert unsere Politik nicht auf Herrschaft, sondern auf die gesellschaftliche Freiheit und den Aufbau eines demokratischen Systems. Dementsprechend schulen wir auch unsere AktivistInnen. Wir distanzieren uns von jeglichem Politikverständnis, das sich von der Gesellschaft abhebt und Politik als Machtinstrument versteht. Unser größtes Interesse ist es, Menschen für den Dienst für die Freiheit unserer Gesellschaft zu gewinnen, die nicht nach Eigeninteressen gehen, sondern sich den Bedürfnissen der Gesellschaft widmen.
5. Partei Kurdistans: Trotz des Bewusstseins unserer Verantwortung gegenüber der gesamten Türkei bezieht sich unsere Politik hauptsächlich auf Kurdistan. Wir grenzen uns nicht ein, indem wir nur die Lösung der kurdischen Frage fordern, sondern sehen uns auch als einen Akteur für die Lösung, indem wir die demokratische Autonomie selbst organisieren.
Die DBP ist Nachfolgerin der 2008 gegründeten Partei für Frieden und Demokratie (BDP). Diese hat sich allerdings am 11. Juli 2014 auf ihrem großen Kongress einen neuen Namen und eine neue Mission gegeben. Sie heißt jetzt Demokratische Partei der Regionen.
Die DBP wird ihren bisherigen Kampf verstärken und noch vehementer die Mechanismen der kommunalen Demokratie institutionalisieren, also die Volksräte und Kommunen aufbauen. Darüber hinaus wird sie den Aufbau von Kooperativen unterstützen. Durch mehr Akademien will sie die demokratische Ader in der Bevölkerung stärken. Die Gemeinden dürfen nicht mehr nur klassische Gemeinden der staatlichen Administration sein, sondern müssen kommunale Räume demokratischer Mechanismen entwickeln.