Editorial

Liebe Leserinnen und Leser,
nach dem Sieg der kurdischen Freiheitsbewegung in Kobanê bleiben die Region Kurdistan und der Mittlere Osten im Allgemeinen weiterhin Schauplatz sich überschlagender Ereignisse. Die vor allem weibliche Revolution in Rojava gibt Menschen aus aller Welt Hoffnung auf einen wahrhaften »Frühling der Völker« oder vielmehr auf einen »Frühling der Frauen« angesichts der ungeheuren patriarchalen Gewalt weltweit.

Der Sieg in Kobanê war für die kurdische Freiheitsbewegung nicht nur ein weiterer großer Schritt in Richtung einer Anerkennung gegen die internationale Kriminalisierungspolitik. Im Zentrum des Interesses stehen vor allem Ideologie und Paradigma der Bewegung. Das ließ sich sowohl auf dem 12. Weltsozialforum in Tunesien beobachten als auch auf der Hamburger Konferenz »Kapitalistische Moderne sezieren – Demokratischen Konföderalismus aufbauen«, die einen Schwerpunkt der vorliegenden Ausgabe bildet. Neben einem Konferenzbericht sind Interviews mit ReferentInnen zu unterschiedlichen Themen, insbesondere zu ökonomischen Fragen, zu finden.

Während in Rojava weiterhin der Kampf gegen den IS und der Wiederaufbau von Kobanê auf der Tagesordnung stehen, naht in der Türkei und in Nordkurdistan die Parlamentswahl am 7. Juni. Mit dem Projekt der HDP entwickelt sich eine immer breiter werdende demokratische Front gegen die autoritäre staatliche Politik. Gleichzeitig wird immer wieder vor Provokationen gewarnt, mit denen die kurdische Bewegung abermals in eine Gewaltspirale gezwungen werden soll. Das soll die HDP bei der Wahl Stimmen kosten und sie unter die 10%-Wahlhürde drücken. Im Verlauf unserer Redaktionsarbeit haben sich diese Warnungen bewahrheitet – es kommt zu verstärkten Militär­operationen der türkischen Armee und vereinzelten Gefechten mit der Guerilla.

Wir möchten in diesem Zusammenhang insbesondere auf das Interview mit dem KCK-Exekutivratsmitglied Sabri Ok hinweisen, in dem er Stellung nimmt zur Zukunft des »Friedensprozesses«, der Bedeutung der anstehenden Wahlen, der Frage von Religion sowie zum Wiederaufbau von Kobanê.

Ein weiterer Punkt, der dringendst einer Lösung bedarf, ist das immer noch bestehende sogenannte PKK-Verbot in Deutschland sowie die Listung der PKK auf der EU-Terrorliste. Einerseits wurden die Verteidigungskräfte der kurdischen Freiheitsbewegung im Kampf gegen den IS beklatscht und der Aufbau der Demokratischen Autonomie in Rojava als ein konstruktives Beispiel für Syrien oder gar den Mittleren Osten gepriesen, hierzulande geht andererseits aber die Repression gegen AktivistInnen der Bewegung munter weiter. Daran wird deutlich, dass auch von bundesdeutscher Seite kein großes Interesse an einer wirklichen Lösung der kurdischen Frage besteht.680 dyb 21 03 2015 mesaj okumaaaa

Zum Abschluss ein Zitat aus der Grußbotschaft Abdullah Öcalans, der durch seine Schriften Tausende beim Kampf um Befreiung inspiriert, an die Konferenz in Hamburg: »Die Suche nach Wahrheit ist die wertvollste Tätigkeit des Menschen. Eine kurze Definition des Menschen könnte lauten: Das Wesen, das Wahrheit ermöglicht. Wahrheit ist Liebe, Liebe ist ein freies Leben.« In diesem Sinne: Freiheit für Abdullah Öcalan!

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