Verleihung der Ehrenbürgerschaft Palermos
Abdullah Öcalan – Bürger der Friedensinsel Sizilien
Asrın Hukuk Bürosu, Rechtsanwaltsbüro
Die Isolation Abdullah Öcalans wird mit den Lügen und Spekulationen des Systems entschlossen fortgeführt. Daneben werden, parallel zu dieser Isolation, die Siedlungsgebiete des kurdischen Volkes und die Sphären der Selbstverwaltung einer Vernichtungspolitik unterzogen, die in Kenntnis des Rests der Welt stattfindet. Es wird nicht möglich sein, diese beiden Ereignisse getrennt voneinander zu betrachten. Eine Isolation Öcalans kommt ohnehin einer Kriegserklärung gleich und bezweckt das Auslöschen der Forderungen nach Frieden und Rechten, die Öcalan mit seinen Gedanken geformt hat; dieser Krieg entbehrt jeglicher menschlich-moralischer Wertmaßstäbe.
Gegen die fantasierte Welt von AKP und IS, die Akteure derselben strategischen Achse sind, tritt durch die politische Wahl des kurdischen Volkes genau in den Domänen dieser hegemonialen Akteure ein alternativer Widerstand und Lebensruf zutage. Den Widerstand des kurdischen Volkes einer Isolation auszusetzen und es zu unterdrücken bedeutet, die Angelegenheit dem begrenzten Kalkül der Staatsinteressen zu überlassen, sowie die Auflösung eines fundamentalen Lebensprojektes, das dieser finsteren Koalition im Wege steht.
Aus diesem Grund finden Öcalans Ideen, die Entstehungskraft für diesen neuen Lebensruf sind, und das durch ihn gewobene Widerstandsnetz anders als gestern noch einen deutlich breiteren Wirkungsradius. Die Öcalan in Palermo am 14. Dezember stellvertretend für das kurdische Volk verliehene Ehrenbürgerschaft ist ein junges Beispiel der neuen Annäherung.
Für die Zeit vor der Verleihung des Preises in Palermo war ein zweitägiges Programm vorbereitet worden, um eine dreitägige »Begegnung« mit Öcalan und dem kurdischen Volk zu ermöglichen. Am ersten Tag wurde auf einer Demonstration, die ausschließlich mit lokalen Mitteln organisiert und von den Symbolen Dutzender zivilgesellschaftlicher Organisationen begleitet wurde und an der rund tausend Menschen teilnahmen, der »Terrorismus«-Vorwurf gegen das kurdische Volk zurückgewiesen. Trotz anfänglicher Sicherheitsbedenken der Verwaltung und ihres Beharrens darauf wurde die Demonstration zu Ende geführt. Die durchlaufenen Straßen waren ohnehin ausnahmslos mit Öcalan-Fotos und Transparenten mit der Einladung zum dreitägigen Programm gefüllt. In all der Zeit wurde nicht ein einziges Bild beschädigt.
Am zweiten Tag wurde ein Sitzungssaal der Gemeinde für ein Seminar für die Bevölkerung genutzt, er war voll besetzt. Im Vorfeld hatten wir uns mit einigen Freundinnen und Freunden unterhalten, die diese Arbeiten realisiert haben. Sie erklärten, dass sie in ganz Italien 21 Komitees gebildet hätten und diese Art Tätigkeiten überall vorantreiben wollten. Die durch den Widerstand Kobanês entstandene Bindung ist bereits bekannt [Palermo ist Schwesterstadt Kobanês; d. Red.]. Sie haben Projekte in dieser Hinsicht. Sie planen einige Orte eigens für Frauen, Gesundheitszentren und die Eröffnung einer Gramsci-Schule [nach Antonio Gramsci; d. Red.].
Das Wichtigste ist, dass sie gegen die Verunglimpfung des gerechten Widerstands Öcalans und des kurdischen Volkes durch die Bezeichnung als »Terrorismus« kämpfen. Sie wollen, dass Öcalan erscheint und verstanden wird, wie er tatsächlich ist. Diese Herangehensweise war im Grunde bereits der Anlass für die Kampagne. Sie waren sich dessen bewusst, welche Herausforderung dieser Vorstoß mit sich bringen würde. Schließlich erhöhte sich der Druck auf den Bürgermeister mit jedem Tag, mit dem die Preisverleihung nahte. Alle Aktivisten waren besorgt und diskutierten über die Repression und ihre Möglichkeiten dagegen. Der Druck geht vor allem von der Regierung aus, die in letzter Zeit intensive wirtschaftliche Beziehungen zur Türkei eingeht. Wir betonten vehement, dass trotz aller möglichen Ausgänge aus dieser Situation zumindest ein Herzensbund entstanden sei. Das zu überreichende Dokument sollte dessen Form darstellen. Doch die Mühe unserer Freundinnen und Freunde zahlte sich aus, sodass die Zeremonie am nächsten Tag ohne jegliche Hindernisse realisiert wird.
Während der Preisverleihung wird die Auszeichnung so begründet: »In der Person Abdullah Öcalans an den Widerstand Kobanês, an die in Kurdistan Widerstand leistenden Frauen und Männer und an diejenigen, die sich auf das Paradigma des Widerstands, d. h. auf den Demokratischen Konföderalismus beziehen.« Während der Bürgermeister den Preis übergibt: »Staaten und Systeme können Öcalan und die PKK als Terroristen sehen, wir als Volk und regionale Kräfte sehen ihn als Boten des Friedens. Dieser Preis ist Ausdruck dessen.«
Ein Mitglied der Kommunalverwaltung erklärt mit Bezug auf den Widerstand: »Dies ist die Anerkennung des kurdischen Volkes durch seinen Repräsentanten Abdullah Öcalan, es ist die Solidarität mit einem Volk, das gegen die Expansion des IS und gegen den Terrorismus um seine Selbstverwaltung kämpft.«
Am Tag vorher hatte ein Vertreter der palästinensischen Gemeinschaft die Phase der Aufteilung Kurdistans erläutert, die erlebte Tragödie wurde zur Sprache gebracht. Weder der Freiheitskampf noch dessen Führung könnte als Terrorismus bezeichnet werden. »Der Widerstand des palästinensischen und des kurdischen Volkes haben die gleiche Wurzel«, betonte er. Einer derjenigen, die sich am meisten um die Auszeichnung Öcalans bemüht hatten, war entsprechend ein Palästinenser.
In diesen drei Tagen war unsere grundlegende Beobachtung, dass die Verleihung der Ehrenbürgerschaft an Öcalan nicht nur eine Entscheidung des Bürgermeisters und des Parlaments war, sondern gleichzeitig den Willen der gesamten Bevölkerung Palermos widerspiegelte. Wären die Anwohner und die zivilgesellschaftlichen Organisationen mit ihrer Unterstützung nicht derart entschlossen gegen die Repressionen aufgetreten, hätte der Ausgang ein anderer sein können. Schließlich wurde Öcalan mit dieser mutigen und kollektiven Haltung als Repräsentant eines Volkes, das gegen den »Terrorismus« kämpft, und als Verfechter des Friedens der Auszeichnung für würdig befunden. Das als Mittelmeer-Friedensstadt bekannte Palermo geht mit einem Wegbereiter des Friedens im Mittleren Osten, der für die Geschwisterlichkeit der Völker die größten Anstrengungen und den größten Widerstand leistet, die Partnerschaft im Bund der Mitbürgerschaft ein.
Eine Beobachtung, die wir besonders hervorheben möchten: Es war keine bloße Solidaritätsbekundung mit Öcalan und dem kurdischen Volk, sondern gleichzeitig die [bewusste] Wahl der Herstellung einer ideellen und paradigmatischen Beziehung. Sie waren bemüht, durch die Beschäftigung mit den ins Italienische übersetzten, verbreiteten Büchern und Broschüren Öcalans eine tiefgründigere Brücke zu errichten. Einer der Journalisten äußerte sein Empfinden damit: »Wir sind die Kurden dieses Landes, unsere Organisierung und unsere Revolution sind jedoch nicht auf eurem Niveau«, ein anderer: »Welche Lösung können wir im Lichte von Öcalans Paradigma für die erlebte Krise finden?« Im Kern waren die Lesung der Bücher und die Diskussion des Paradigmas Öcalans ein Gruß Gramscis an ihn.
In einer Phase, in der Abdullah Öcalan und die mit seiner Philosophie gespannten Netze der Sphären freien Lebens isoliert und unter Druck gesetzt werden, war dies die Botschaft: Dass die Haltung, die Ideen, die Philosophie und der Widerstand Palermos nicht isoliert werden können, dass es mit allen unterdrückten Völkern verbunden sein wird und der Ruf nach dem neuen Leben trotz aller Fürchterlichkeit die Finsternis erhellen wird. Dies war die Hoffnung, die von der Friedensinsel Palermo aus auf der Insel Imralı gesehen wurde.