Die weltweiten Kampagnen für die Freilassung von Abdullah Öcalan und Nelson Mandela im Vergleich

Wie Öcalan wurde auch Mandela als Terrorist denunziert

Fazela Mahomed

Die internationale »Free Mandela«-Kampagne führte dazu, dass die UN-Generalversammlung und der UN-Sicherheitsrat im Jahr 1980 die Freilassung von Nelson Mandela verlangten. Diese Kampagne sollte anhand der damaligen Bedingungen bewertet werden.

In den 1960er Jahren begann in Afrika die postkoloniale Ära. Die Organisation für Afrikanische Einheit (OAU, bestand 1963 bis 2002, dann aufgelöst und in der Afrikanischen Union aufgegangen) unterstützte die südafrikanische Befreiungsbewegung nachdrücklich. Südafrika wurde 1994 das 53. Mitglied der OAU. Viele afrikanische Länder betrachteten den südafrikanischen Kampf als eine Fortsetzung ihrer eigenen Befreiung. Indien spielte beispielsweise eine wichtige Rolle bei der wirtschaftlichen Isolierung Südafrikas. Das Land übte Druck auf die Vereinten Nationen aus und war maßgeblich an der Einrichtung des Sonderkomitees gegen die Apartheid beteiligt.

Im Gegensatz dazu betrachteten die Vereinigten Staaten von Amerika und die westlichen Länder das System der Apartheid in Südafrika als Bollwerk gegen den Kommunismus und unterstützten das Regime.

Am 21. März 1960 massakrierte die südafrikanische Polizei 69 unbewaffnete Demonstrant:innen im Township Sharpeville in der heutigen Provinz Gauteng in Südafrika. Das Massaker sorgte für internationales Entsetzen und führte zu landesweiten Streiks und Protesten. Die südafrikanische Apartheid-Regierung rief den Ausnahmezustand aus. Am 8. April 1960 wurden der African National Congress (ANC) und andere politische Bewegungen verboten. Die Ereignisse in Sharpeville und das darauffolgende Verbot der politischen Organisationen der Befreiungsbewegungen stellten einen Wendepunkt im Kampf gegen die Apartheid dar. Das Verbot des ANC führte zum Ende des friedlichen und gewaltfreien Widerstandes. In der Folge gründete der ANC seinen bewaffneten Flügel (»Speer der Nation«).

Bald nach dem Verbot wurde Oliver Tambo, der damalige stellvertretende Vorsitzende des ANC, gebeten, ins Ausland zu reisen, um die internationalen Verbindungen des ANC aufzubauen und eine internationale Opposition gegen die Apartheid zu mobilisieren. Tambo gründete die sog. Südafrikanische Einheitsfront. Mit Hilfe verschiedener Regierungen aus Afrika und Asien gelang es der Südafrikanischen Einheitsfront, den Ausschluss Südafrikas aus dem Commonwealth of Nations zu erreichen. Die internationale Mission trug maßgeblich zum Aufbau der Anti-Apartheid-Bewegung bei.

Von Anfang an begann Oliver Tambo mit der mühsamen Aufgabe, eine Unterstützung aufzubauen, die dem zweigleisigen Ansatz des ANC entsprach: eine breite Front zu bilden, um das Apartheidregime zu isolieren, und gleichzeitig die unterdrückte schwarze Mehrheit zu mobilisieren. Oliver Tambo mobilisierte afrikanische Führer:innen, knüpfte Verbindungen zu den Gewerkschaftsbewegungen und trat in Beziehung mit fortschrittlichen Bewegungen in ganz Europa. Die Kampagnen für die Freiheit Mandelas wurden jedoch nicht von den Hauptstädten der westlichen Länder unterstützt, sondern von den Menschen in den westlichen Ländern geführt. Oliver Tambo knüpfte besondere Beziehungen zu fortschrittlichen Führer:innen des Anti-Apartheid-Kampfes wie dem schwedischen Politiker Olof Palme, der bis zu seiner Ermordung im Februar 1986 ein unerbittlicher Gegner des Apartheid-Regimes war.

Die Anti-Apartheid-Bewegung begann im November 1963 eine Kampagne, zum einen als Reaktion auf die zunehmende Repression und die Verhaftung von Nelson Mandela und Genossen am 5. August 1962, zum anderen aus Angst vor der Verhängung der Todesstrafe. Die Bewegung organisierte im Winter 1963/64 eine wöchentliche Mahnwache vor der südafrikanischen Botschaft in London. Die Kampagne wurde von der »Weltkampagne für die Freilassung der politischen Gefangenen Südafrikas« auf der Grundlage einer im Oktober 1963 von der UN-Generalversammlung verabschiedeten Resolution durchgeführt. Sie organisierte auch eine Petition, die 200.000 Unterschriften erhielt. Mandela war das Gesicht der Kampagne für die Freiheit Südafrikas.

Die internationale Kampagne für die Freilassung Nelson Mandelas und anderer politischer Gefangener, an der sich auch Student:innen und viele Bereiche der Zivilgesellschaft beteiligten, begann 1978, zu seinem 60. Geburtstag, mit Tausenden von Flugblättern und Plakaten. Die Auswirkungen der Soweto-Aufstände von 1976 gaben der Anti-Apartheid-Bewegung Auftrieb. Diese gelten heute als Anfang vom Ende des Apartheid-Regimes.

Die mühsame Arbeit von Oliver Tambo und der internationalen Mission zur Isolierung Südafrikas führte u.a. zu einer Erklärung für die Freilassung Mandelas, die von Politiker:innen, Akademiker:innen und Dramatiker:innen unterzeichnet wurde. Zu den weiteren Aktivitäten gehörten ein Fackelzug in Glasgow und Freiheits-Fahrradtouren. Im Jahr 1982 unterzeichneten 2000 Bürgermeister:innen aus 56 Ländern eine Erklärung, in der sie die Freilassung Mandelas forderten. Gleichzeitig gab es intensive Kampagnen zum Boykott von südafrikanischen Sportveranstaltungen, Lebensmitteln wie den Orangen der bekannten südafrikanischen Firma Outspan und anderen Produkten, verbunden mit der Forderung nach umfassenden Sanktionen gegen Südafrika. Das Solidaritätskonzert zum 70. Geburtstag Mandelas wurde von mehr als 70.000 Menschen live im Londoner Wembley-Stadion und per Übertragung von ungefähr 600 Millionen Menschen weltweit verfolgt.

Vier Säulen für den Befreiungskampf

Die internationale Kampagne für die Freilassung von Nelson Mandela basierte auf der Strategie des ANC für die Befreiung. Diese sah vier Säulen vor, um den Befreiungskampf voranzutreiben, nämlich den bewaffneten Kampf, die Arbeit im Untergrund, die Massenmobilisierung und die internationale Solidarität. Die internationalen Kampagnen für die Freilassung Mandelas wurden mit den Massenkämpfen in Südafrika verknüpft. Die nationale Kampagne in Südafrika unterstützte die internationale Kampagne.

Die Arbeiterpartei Kurdistans (Partiya Karkerên Kurdistan – PKK) wurde von Abdullah Öcalan und einigen anderen Menschen gegründet, um die Sache der entrechteten Kurd:innen in der Türkei voranzutreiben. Die Unterdrückung und Verleugnung der Existenz der Kurd:innen in der Türkei, ihrer Sprache und ihrer politischen Bestrebungen wurden bekämpft. Nach dem Militärputsch vom 12. September 1980 wurden in der Türkei 50 Personen zum Tode verurteilt und hingerichtet. Rund 50.000 Menschen wurden verhaftet, von denen viele im Gefängnis starben. Nach verstärkten Repressionen gegen die PKK begann ab 1984 der umfassende bewaffnete Widerstand. Am 15. Februar 1999 wurde Abdullah Öcalan in Nairobi (Kenia) von der Türkei mit Hilfe von Geheimdiensten der Vereinigten Staaten und Israels gefangen genommen und auf die Gefängnisinsel İmralı gebracht – ein internationales Komplott. Ein interessanter Vergleich: Denn auch Nelson Mandela wurde mit Hilfe der CIA gefangen genommen. Wie Öcalan wurde auch Mandela als Terrorist denunziert.

Die Gefangennahme Abdullah Öcalans löste international große öffentliche Proteste aus, u.a. gab und gibt es immer wieder große Demonstrationen zur Unterstützung Öcalans und mit dem Ziel der Verurteilung derjenigen Länder, die an seiner Entführung beteiligt waren.

Die internationale »Freiheit für Abdullah Öcalan – Frieden in Kurdistan«-Kampagne nutzt auch immer wieder Hungerstreiks als Mittel, um die Unterstützung für Öcalan zum Ausdruck zu bringen und auf seine menschenrechtswidrigen Haftbedingungen aufmerksam zu machen.

Die Kampagne umfasst die Forderung nach einer friedlichen Lösung der kurdischen Frage in der Türkei, für die Abdullah Öcalan als Schlüsselfigur gilt. Die »Volksinitiative Nord- und Ostsyriens« sammelte 2,6 Millionen Unterschriften für die Freiheit Öcalans. Nobelpreisträger:innen wurden aufgerufen, öffentlich für die Freiheit von Öcalan einzutreten. Es gab bereits verschiedene Interventionen bei den Gremien der Europäischen Union (EU), um über die Menschenrechtsverletzungen durch die Türkei Rechenschaft einzufordern. Die Kampagne wurde über viele Jahre von fortlaufenden Kundgebungen und Aufrufen zur Unterstützung begleitet. Auch die aktuelle »Freiheit für Öcalan«-Kampagne wird von vielen Ländern unterstützt.

Während der Kampf in Südafrika durch die Politik des Kalten Krieges behindert wurde, werden alle Kampagnen für die Freilassung Öcalans durch die Interessen der europäischen Staaten in ihren Beziehungen zur Türkei erheblich erschwert. Die geopolitische Lage im Nahen Osten verkompliziert die Angelegenheit zusätzlich. Der Rückgang der progressiven Bewegungen und der politische Trend nach rechts haben immense Auswirkungen auf den Kampf für die Freilassung von Abdullah Öcalan.

Eine Stärke der kurdischen Bewegung ist es, dass Millionen von Kurd:innen in Europa leben, von denen sich viele bereits aktiv für die Freiheit Öcalans eingesetzt haben. Im Zuge der jüngsten Kampagne haben sich zehntausende Menschen weltweit dem Freiheitskampf angeschlossen.

Es sei an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass die Kampagne für die Freilassung Mandelas fast 27 Jahre dauerte und dass sie gerade in einer Zeit, in der der Widerstand in Südafrika am größten war, Fahrt aufnahm.

Evident ist auch, dass ein repressiver Staat trotz seiner militärischen Macht nicht ewig so weitermachen kann, und dass der Tag kommen wird, an dem all diejenigen, die fortlaufende Menschenrechtsverletzungen begehen, bestraft werden. Die Freilassung von Abdullah Öcalan ist unabdingbar. Sie kann eine Chance für die Lösung der kurdischen Frage bieten – ebenso wie die Freilassung von Nelson Mandela das langersehnte Ende der Apartheid besiegelte.

 

Referenzen:

Anti-Apartheid Movement Archives: https://www.aamarchives.org/

South African History online: https://www.sahistory.org.za/

NPR:  https://www.npr.org/2016/05/16/478272695/retired-cia-agent-confirms-u-s-role-in-nelson-mandelas-1962-arrest

O’Malley Archive: https://omalley.nelsonmandela.org/index.php/site/q/03lv01538/04lv01828.htm

Freedom for Öcalan: https://freeocalan.org/main

Hawarnews: https://hawarnews.com/en/ocalan-freedom-is-essential-for-oppressed-peoples

Peace in Kurdistan: https://www.peaceinkurdistancampaign.com/resources/Abdullah-ocalan/free-ocalan/


  Kurdistan Report 231 | Januar / Februar 2024