Über die Wiederaneignung des Gleichgewichts zwischen Mensch und Natur in der demokratischen Moderne
»Ökologische Revolution heißt, den Widerspruch zwischen Mensch und Natur zu lösen«*
Ronahi Malatya, Mitglied der Partei der Freiheit der Frau in Kurdistan (PAJK)
Ökologie ist die Wissenschaft, die das Verhältnis zwischen Gesellschaft und Natur analysiert. Dabei befasst sie sich klassischerweise nicht nur mit Pflanzen und Tieren, sondern analysiert auch die Mensch-Natur-Beziehungen. Während die Ökologie zeigt, wie die Gesellschaft aus der Natur entsteht und sich entwickelt, zeigt sie auch die Differenzierung und Entwicklung der Gesellschaft. Sie ist nicht nur an den Ergebnissen interessiert, sondern dringt tief in die Geschichte ein. Sie versucht, die Ursachen für ökologische Probleme zu finden, indem sie gründlich erforscht und untersucht, wann und wie sich die Gesellschaft von der Natur entfremdet hat, mit der sie einst befreundet war und die sie respektierte. Sie erarbeitet Lösungen, indem sie feststellt, dass diese Situation ideologisch und systemisch bedingt ist. Sie erarbeitet ihre Lösung mit einem alternativen ideologischen Bewusstsein und einer wissenschaftlichen Perspektive.
Die Wiederherstellung der Beziehung zwischen Frauen und Natur, Gesellschaft und Natur wird zweifellos eine wichtige Etappe auf dem Weg zur Wahrheit sein. Die Wahrheit ist sowohl die menschliche Sozialität als auch die Natur selbst. Um zur Wahrheit zu gelangen, ist es zunächst notwendig aufzuzeigen, wie sie auf den Kopf gestellt wurde.
Hier können wir die Frage stellen: Wie sind wir von dem einst lebendigen Natur-Universum-Verständnis zu dem unbelebten Natur-Universum-Verständnis gekommen, und wie kann es überwunden werden? Die Antwort auf diese Frage kann nur gefunden werden, wenn wir in die Tiefe der Geschichte gehen, uns auf große Suchen und Reisen begeben, hinterfragen und Lösungen finden. Wenn eine richtige philosophische Perspektive geschaffen wird, um den Menschen und die Gesellschaft wieder mit der Natur zu vereinen und zu einem harmonischen und freiheitlichen Verhältnis zur Natur zu kommen, kann am Ende ein Erfolg stehen.
Der zivilisatorische Abstieg in der Geschichte beginnt mit der Trennung von Frau und Natur und deren Beherrschung. Dies ist auch der Beginn des sozialökologischen Problems. Der Mann verwirklicht seine Ausbeutung der Frauen und der Natur, indem er sich durch List und Tyrannei des Überschussprodukts in den Händen der Frauen bemächtigt. Parallel dazu entwickelt sich die vom listigen Mann initiierte Herrschaft über Frauen und Natur. Diese Mentalität hat die Probleme verschärft und verschärft sie bis heute.
In der natürlichen Gesellschaft, die während eines großen Teils der Menschheitsgeschichte bestand, ist das Leben auf die Mutter-Frau ausgerichtet. In diesem Leben besteht »die Bindung an die Natur wie die Bindung zwischen Kind und Mutter«. Es entwickelt eine Beziehung zur Natur, die auf Liebe, Respekt und Freundschaft beruht. Der wichtigste Faktor ist, dass die Natur der Frau der Natur des Universums und der Natur der Pflanzen und Bäume nahe ist. Die mütterliche Frau findet und erschafft sich und die Gesellschaft in der Natur. Sie hat die Fähigkeit und die Akkumulation, die Mentalität, das Verständnis, das Verhalten und den Lebensstil zu entwickeln, die dies erfordern. Die Natur wird als lebendig, sinnlich und geheimnisvoll wahrgenommen. Selbst ein Stein, eine Pflanze oder ein Tier hat in diesem Verständnis und Leben eine Seele. All dies zeigt, dass bei der Strukturierung der Mentalität die Integrität der Natur und des Universums wesentlich und für Ausbeutung und Zerstörung kein Platz ist. Jedes Lebewesen lebt auf der Grundlage des gegenseitigen Nutzens (symbiotische Beziehung) mit der Integrität der evolutionären Kette. Dies zeigt, dass kein Lebewesen auf sich allein gestellt, egozentrisch und zufällig leben kann. Ein weiteres wichtiges Merkmal des auf dem gemeinschaftlichen und gesellschaftlichen Leben ausgerichteten matrizentrischen Systems ist, dass es die Akkumulation als unethisch und schändlich betrachtet. Daher wird das überschüssige Produkt an diejenigen verschenkt, die geliebt und respektiert werden, und bei Festen und Hungersnöten gleichmäßig und gerecht an die Gemeinschaft verteilt. Wer sich als Teil der Natur versteht, wer allen Lebewesen mit Respekt und Liebe begegnet, weiß, dass ein Leben ohne Pflanzen, Tiere und Natur das Aussterben seiner selbst bedeuten würde. In dieser Hinsicht entwickelt die frauenzentrierte Lebensweise und Mentalität ein paradiesisches Leben, indem sie eine ökologische Gesellschaft ohne Ausbeutung und Klassen schafft. Es ist eine Lebenswirklichkeit, in der Frieden, Gerechtigkeit und Ruhe gedeihen.
Weg für jede Art von Ausbeutung geschaffen
Seit Beginn der Zivilisationsgeschichte heute hat jedoch durch die von der männlichen Mentalität geschaffenen hierarchischen Ausbeutungsverhältnisse, insbesondere zwischen Menschen und Natur, unsere Weltnatur ein unbewohnbares Stadium erreicht. So ebnen viele Philosoph:innen und Wissenschaftler:innen den Weg für jede Art von Ausbeutung der Natur mit der Behauptung, die Natur sei für den Menschen (den Mann) geschaffen. Die Vernunft oder die männliche Identität wird außerhalb und über der Natur definiert. »Die Natur ist irrational, genau wie die Frau« – diese Sichtweise ebnet den Weg für die Zerstörung aller Lebewesen und des Lebens.
Die Ökologie kam in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts häufiger auf die Tagesordnung. Dieser Zeitraum umfasst die Phase nach dem Ersten Weltkrieg, die Folgen des Zweiten Weltkriegs und die Entwicklung der Industrie. Die Jahre, in denen große Schäden an Natur und Gesellschaft angerichtet wurden und die soziale und ökologische Zerstörung am intensivsten erlebt und diskutiert wurde. Vor allem in der Industriezeit belastet die Produktion von Kunststoffen, Waschmitteln, Chemikalien und Schwermetallen die Natur und die Biosphäre in einem Maße, das sie nicht bewältigen können. Industrialisierung und Überproduktion haben die Komplexität der Biosphäre außer Kraft gesetzt. Mehr Produktion und Konsum haben das Gleichgewicht der Natur gestört und die Lebenszyklen der lebenden Arten im Rahmen des Prinzips des gegenseitigen Nutzens zerstört. Diese Situation ist so, als würde der Mensch den Ast absägen, auf dem er sitzt.
Kann die ökologische Revolution durch die soziale Ökologie verwirklicht werden?
Bei der Definition des ökologischen Problems und der Erarbeitung von Lösungen organisieren sich Ökolog:innen mit unterschiedlichen Perspektiven getrennt von einander (Tiefenökolog:innen, Sozialökolog:innen, Umweltbewegungen, Ökofeministinnen usw.). Da diese getrennten Organisationen eine Zersplitterung in sich selbst bewirken, sind sie unzureichend, um gegen die kapitalistische Moderne zu kämpfen und eine Alternative zu sein. Denn der Kampf gegen die kapitalistische Moderne kann nur erfolgreich sein, wenn sich auf ein gemeinsames Ziel geeinigt wird. Es ist notwendig, sowohl ideologisch als auch organisatorisch stark zu sein. Die Alternative ist die Verwirklichung des Paradigmas der demokratischen Moderne. Mit dem demokratisch-ökologischen Frauenbefreiungsparadigma wird die ökologische Revolution stattfinden. In diesem Paradigma ist das ökologische Fundament sozial. Es sollte als soziale Ökologie interpretiert werden. Diese ökologische Perspektive besagt, dass die sozialen Probleme die Wurzel der ökologischen Probleme sind. In dieser Hinsicht basiert sie auf der Lösung von zwei miteinander verflochtenen Problemen. Aus diesem Grund betrachtet sie eine ökologische Aktion auch als eine soziale Aktion.
Hierarchie und Herrschaft vollständig beseitigen
Einer der Pioniere der sozialen Ökologie ist der Öko-Anarchist Murray Bookchin. Er betont den sozialen Aspekt der Ökologie, indem er die Umweltkrise mit der Krise des sozialen Systems verknüpft. Er argumentiert, dass die Probleme der antiökologischen Gesellschaft, die durch die Ideologie der kapitalistischen Moderne verursacht werden, nur durch eine radikale soziale Bewegung gelöst werden können. Er zielt darauf ab, eine Philosophie und ein Verständnis der natürlichen und sozialen Entwicklung, eine tiefgreifende Analyse unserer sozialen und ökologischen Probleme und eine radikale Alternative zur Gesellschaft zu präsentieren. Er argumentiert, dass Hierarchie und Herrschaft vollständig beseitigt werden müssen. Die Auffassung, dass das Pflanzen- und Tierreich eine Gemeinschaft und der Mensch eine Gesellschaft bildet, ist für die soziale Ökologie von grundlegender Bedeutung.
Sie besagt, dass die Gesellschaft ein einzigartiges Merkmal des Menschen ist. Tiere passen sich an das Bestehende an, während der Mensch über diese Ebene des Lebens hinausgeht, schöpferisch tätig ist und die Kraft zur Veränderung und Umgestaltung besitzt. Aus diesem Grund unterscheidet sich der Mensch stark von anderen Lebenwesen. Er sollte diese Unterschiede auf der Grundlage eines optimalen Gleichgewichts nutzen und nicht andere Lebewesen dominieren. Dadurch dass Bookchin diese Eigenschaften des Menschen zum Ausdruck bringt, wird seine Sozialökologie meist für ihr anthropozentrisches Verständnis kritisiert. Obwohl Sozialökolog:innen diese Kritik als unzutreffend und unrealistisch zurückgewiesen haben, besteht diese Gefahr in der menschlichen Realität. Sie sagen, dass diese fortgeschrittenen Merkmale, die in der menschlichen Realität versammelt sind, auch die Merkmale der Natur und des Universums sind. Wenn wir die Beziehung zwischen Menschen und Natur, Gesellschaft und Natur im Rahmen der historischen Dialektik betrachten, führt uns das zu sinnvolleren und korrekteren Schlussfolgerungen. Der Repräsentant des kurdischen Volkes, Abdullah Öcalan, stellt fest, dass die Beziehung zwischen Gesellschaft und Natur ein Bereich ist, mit dem sich die Sozialwissenschaft immer tiefer gehend auseinandersetzt. Obwohl die Auswirkungen der Umwelt auf die Gesellschaft im Allgemeinen klar sind, ist es neu, dass sie Gegenstand der wissenschaftlichen Analyse und der Philosophie sind. In dem Jahrhundert, in dem wir leben, hat sich dieses Interesse mit dem Auftreten der katastrophalen Auswirkungen des kapitalistischen Systems auf die Umwelt entwickelt. Eine gründliche Untersuchung und Analyse der Ursache des Problems zeigt, dass es, wie bereits erwähnt, die entfremdete, herrschsüchtige, ausbeuterische Mentalität und das System sind, die in gefährlichem Widerspruch zur Natur stehen. In dem Jahrhundert, in dem wir leben, sind wir mit einem globalen Massaker an der Natur konfrontiert. Das leblos-tote statische Naturverständnis des hierarchisch-patriarchalischen Staatssystems hat das Universum – die Natur – unbewohnbar gemacht. Besonders unter den heutigen Bedingungen wird das Maß an Herrschaft und Dominanz am Besitz und der Ausbeutung der Natur gemessen.
Die Natur mit all ihren Elementen schützen
Ein weiterer wichtiger Punkt ist, dass einige Ökofeministinnen, wenn sie sich unkritisch mit der Beziehung zwischen Frauen und Natur befassen, die patriarchalische Mentalität unterstützen, die Frauen und Natur als irrational ansieht. Die soziale Ökofeministin Janet Biehl kommentiert diese Beziehung so: »Ich glaube, dass die Beziehung zwischen Frauen und Natur aus sozialen Gründen und wegen des Klimawandels anders ist, weil Frauen angesichts von Naturkatastrophen nicht so leicht migrieren können wie Männer. Frauen stellen die Haupternährung der Gesellschaft durch die lokale landwirtschaftliche Produktion sicher. Daher sind Frauen von den aktuellen Entwicklungen und der Zerstörung der Natur anders betroffen, und Frauen sehen sich stärker in der Verantwortung für den Schutz der Natur.«
Die demokratische Moderne basiert auf der Wiedererlangung der Wahrheit der Welt und des Universums mit ihrer sozialökologischen Philosophie. Sie schafft ein alternatives System und dringt ideologisch in die Risse der kapitalistischen Moderne ein, kämpft und sorgt für eine Veränderung – Transformation. Sie stützt sich auf einen zweiseitigen Kampf. Sie schafft ein gemeinschaftliches System und Leben, indem sie die Prinzipien des Natur-Universums in hohem Maße anwendet. Dies ist ein harmonisches und integriertes Gemeinschaftsleben im Einklang mit der Natur.
Um die ökologische Revolution zu verwirklichen, ist es heute unabdingbar zu lernen, die Natur zu respektieren, eine Verbindung mit ihr herzustellen, wie in einer natürlichen Gesellschaft, anstatt sie auszubeuten. Wir müssen dies nicht nur tun, weil die Natur unsere grundlegenden Lebensbedürfnisse wie Wasser, Luft und Nahrung erfüllt, sondern auch, weil sie das Recht hat zu existieren. Wenn wir erkennen, dass wir nicht außerhalb und über der Natur stehen, dass der Mensch zur Natur gehört und die Natur zum Menschen, wird uns bewusst, wie wichtig es ist, die Natur mit all ihren Elementen zu schützen. Auch hier schaffen wir im Rahmen der symbiotischen Beziehung von Unterschieden und Vielfalt gemeinsam und auf organisierte Weise ein paradiesisches Leben, indem wir die Sozialität gründen und stärken.
Kurdistan Report 228 | Juli / August 2023