Razzia im Kopierladen Schanzenblitz wegen Verstoßes gegen das Vereinsgesetz

»Es geht also eindeutig um den politischen Verfolgungswillen …«

Interview mit Alex, Mitarbeiter des Schanzenblitz in Hamburg


Der Kopierladen »Schanzenblitz« ist vor fast 30 Jahren als Kollektivbetrieb im Hamburger Schanzenviertel gegründet worden, zu einer Zeit, als es dort noch viele verschiedene »Alternativbetriebe« gab. Als einer der wenigen Projekte im Viertel trotzt er der weiterhin fortschreitenden Gentrifizierung. »Es ist kein politisches Projekt im engeren Sinne. Allerdings wird im Schaufenster und im Ladenraum der Öffentlichkeit Platz zur Verfügung gestellt, um Plakate, Flugblätter, Veranstaltungen und soziale und politische Informationen auszulegen.
Dabei wird keine »Zensur« ausgeübt, außer dass natürlich sexistische, rassistische usw. Darstellungen und Inhalte entfernt werden«, erklärt Alex, ein Gründungsmitglied des Schanzenblitz.

Im Juli letzten Jahres wurde eine Razzia in eurem Kopierladen durchgeführt, kannst du uns erklären, auf welcher Grundlage die Durchsuchung stattfand? Wer hat an der Razzia teilgenommen?

Razzia im Kopierladen Schanzenblitz wegen Verstoßes gegen das Vereinsgesetz | Foto: Hinrich SchultzeAm 28. Juli 2021 um 11.05 Uhr drangen fünf LKA-Beamt:innen der Staatsschutzabteilung in Zivil in den Kopierladen Schanzenblitz in der Bartelsstraße ein. Sie schlossen den Laden für die Kundschaft für eine Stunde und durchsuchten Ladenraum und Keller. Die anwesende Mitarbeiterin durfte nicht telefonieren, weder mit Kolleg:innen, noch mit Anwält:innen. Der Durchsuchungsbeschluss bezog sich auf im Schaufenster des Geschäftes und auf dem für die Kunden zugänglichen Tresen ausgestellten Kennzeichen der verbotenen PKK und ihrer verbotenen Nachfolgeorganisationen.

Auch der Erwerb derartiger Aufkleber sei den Kunden ermöglicht worden. Es bestehe der Verdacht, dass im Laden Druck- bzw. Kopiervorlagen zur Anfertigung weiterer Aufkleber mit den verbotenen PKK-Zeichen vorrätig gehalten würden.

Haben sie Sachen aus dem Laden beschlagnahmt und wenn ja was?

Die LKA-Beamt:innen haben ein paar ältere politische Texte (zu anderen Themen) mitgenommen. Außerdem wurde die Mitarbeiterin aufgefordert, zwei Aufkleber vom Tresen zu kratzen.

Des Weiteren wurden ein Artikel der Hamburger Morgenpost Mopo vom 22. September 2020 (mit Foto) zur Person Robert Jarowoy anlässlich seines Todes (befestigt auf einem Plakat mit »PKK-Symbol«) sowie ein (vergrößertes) Foto von Robert mitgenommen (im Hintergrund ist ein »PKK-Symbol« zu erkennen).

Beides wurde aus einer kleinen Gedenk-Installation zu Ehren von Robert Jarowoy, Abgeordneter der Linken im Bezirk Altona, Buchautor, jahrzehntelanger Freund und Unterstützer der kurdischen Befreiungsbewegung, entnommen.

Wie ist es möglich, dass aus einer Installation zum Gedenken an Robert Jarowoy, eine Fotografie mit ihm beschlagnahmt wurde?

Offensichtlich war der Name Robert Jarowoy den Beamt:innen nicht bekannt, sie waren fixiert auf die im Hintergrund zu erkennenden »PKK-Symbole«.

Am Anfang des Jahres habt ihr einen Strafbefehl bekommen. Ihr sollt eine hohe Strafe zahlen. Was denkt ihr darüber?

Mit Datum 08.02.2022 folgte ein Strafbefehl gegen den Inhaber des Ladens über EUR 3000,00 (50 Tagessätze à EUR 60,00), wegen Verstoßes gegen das Vereinsgesetz (§20 VereinsG) wegen öffentlichen »Ausstellens«:     
– des Logos der »KCK« im Hintergrund eines Plakats (Titel »Free Öcalan«),
– des Symbols der »CDK« im Hintergrund des Fotos von Robert Jarowoy.
(Auch hier wird er nicht namentlich genannt, sondern als »älterer Herr« bezeichnet).

Es wurde Einspruch eingelegt, d. h. das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

Übrigens: Zufällig am gleichen Tag der Durchsuchung kamen Kurd:innen in den Laden, die um eine sechsköpfige Familie trauerten, die gerade in der Türkei getötet worden war.

Vor diesem Hintergrund erscheint es geradezu lächerlich, so einen Aufwand wegen ein paar »nebenbei« erkennbaren Symbolen zu machen.    

Es geht also eindeutig um den politischen Verfolgungswillen …


 Kurdistan Report 221 | Mai/Jubi 2022