Liebe Leser:innen,


224 Ausgaben sind in 40 Jahren Kurdistan Report erschienendiese 224. Ausgabe des Kurdistan Reports hat für uns als Redaktion eine besondere Bedeutung, da sie das 40-jährige Bestehen der Zeitschrift markiert. 40 Jahre sind seit dem November 1982 vergangen, als sich diese Redaktion auf eine Reise begab, deren Verlauf so niemand hätte erahnen können. Um einen kleinen Einblick in diese Zeit zu geben, präsentieren wir mehrere alte Cover des Kurdistan Reports sowie zwei Texte, die wohl bis heute kaum an Bedeutung verloren haben, in dieser Ausgabe neu redigiert. Wir möchten uns an dieser Stelle bei euch treuen Leser:innen, sowie bei den Autor:innen des Reports bedanken, die einen langen Atem bei der Auseinandersetzung und Solidarität mit der kurdischen Bewegung bewiesen haben. Unsere Motivation als Redaktion ist ungebremst, denn wir sind angetrieben von der Hoffnung, die von der Revolution in Kurdistan ausgeht und die wir seit nun schon so langer Zeit begleiten dürfen. Was Şehît Deştî Amanos in dieser Ausgabe formuliert: „Denn mein größter Wunsch ist es, das befreite Kobanê zu sehen“ ist ein Leitsatz, den wir uns zu Herzen genommen haben, denn wir werden den Kurdistan Report nicht einstellen ehe wir vom befreiten Kurdistan berichten können.

Die gesellschaftliche Situation im Osten Kurdistans (Rojhilat) und im Iran ist explosiv. Nach der grausamen Ermordung der kurdischen Jîna Mahsa Aminis durch iranische Sicherheitskräfte am 16. September herrschen in der Region Serhildans. Seit nunmehr über einen Monat gehen die Menschen und allen voran die Frauen auf die Straßen des Irans, um für ihre Freiheit und ihre Selbstbestimmung zu kämpfen. Immer wieder gibt es Berichte von Stadtteilen und Städten aus denen sich zumindest zeitweise die iranischen Sicherheitskräfte zurückziehen müssen. Die Proteste, die sich längst von Ostkurdistan aus auf den gesamten Iran ausgebreitet haben, an denen mittlerweile Menschen verschiedenster Ethnizität und Glaubensrichtungen beteiligt sind, tragen die Parole „Jin, Jiyan, Azadî“ auf den Lippen. Sie fordern ein Ende des Regimes und setzen sich für Selbstbestimmung ein. Doch sind sie auch mit der harten Repression eines der ältesten Nationalstaaten weltweit konfrontiert, was zu Redaktionsschluss bereits über 250 Menschen das Leben gekostet hat. Eine Revolution scheint greifbar nahe.

Die grenzüberschreitenden Militäroperationen der Türkei nehmen auch zum Ende des Jahres 2022 kein Ende. Der Krieg in Nord- und Ostsyrien hat sich ausgebreitet. Die nahezu täglichen Bombardierungen, extralegalen Hinrichtungen und Drohnenschläge des türkischen Staates in der Region führen uns einmal mehr die Intensität der Kriegführung vor Augen. Zeitgleich konnten in den letzten Wochen immer wieder gezielte Schläge gegen den sogenannten Islamischen Staat (IS) durchgeführt werden. Auf türkisch besetztem Gebiet konnten mehrere IS-Anführer getötet werden, während im Gefangenenlager Camp al-Hol IS-Schläferzellen ausgehoben, Waffenlager offen gelegt und versklavte êzidische Frauen befreit wurden. Auf der anderen Seite geht der türkische Angriffskrieg in Südkurdistan seit dem 17. April unvermindert weiter. Täglich wird vom Einsatz verbotener chemischer Kampfstoffe gegen die Guerilla in den Medya-Verteidigungsgebieten in Zap, Metîna und Avaşîn berichtet. Es ist ein heißer Krieg, der bereits große Opfer auf beiden Seiten gefordert hat, denn beiden Seiten ist klar, dass der Kampf um diese Region entscheidenden Einfluss auf die Politik des gesamten Nahen Ostens in den folgenden Jahren haben wird.

Wir werden auch weiterhin über diese Revolution berichten, die sich nach all den Jahren sowohl in Kurdistan und dem Nahen Osten, als auch im internationalen Raum immer weiter ausbreitet. Abschließend möchten wir, in Anlehnung an die kämpfenden Frauen, hier nur noch eine Parole festhalten, die heute mehr Bedeutung denn je in sich trägt: »Jin, Jiyan, Azadî«!

Eure Redaktion


 Kurdistan Report 224 | November/Dezember 2022