Die Kampagne Make Rojava Green Again berichtet über ihre Arbeiten

Ökologie in Zeiten des Krieges

Ein Jahresrückblick der Kampagne Make Rojava Green Again

Arbeiten auf dem Gelände der Internationalistischen Kommune.Die ökologische Kampagne »Make Rojava Green Again« wurde im Jahr 2018 von Aktivist*innen der internationalistischen Kommune in Rojava gegründet. Da die dritte Säule des demokratischen Konföderalismus und der Revolution in Rojava, die Ökologie, in der Darstellung nach außen oft am wenigsten Beachtung findet und weil viele der damaligen Aktivist*innen einen ökologischen Hintergrund mitgebracht hatten, wurde in der Unterstützung von ökologischen Projekten ein praktischer Ausdruck von Internationalismus gesehen. Allgemein lässt sich sagen, dass die Kampagne drei Ziele bzw. Grundpfeiler hat. Als ersten und vielleicht als wichtigsten Aspekt, die Bildung. Bildung spielt eine Schlüsselrolle, wenn es darum geht, eine Gesellschaftsveränderung herbeizuführen. Der zweite Grundpfeiler ist die Umsetzung von konkreten ökologischen Projekten in Rojava und die Zusammenarbeit mit den Strukturen der Selbstverwaltung in Nord- und Ostsyrien. Der dritte Grundpfeiler ist die Organisierung von internationaler Solidarität und gleichzeitig die Verbreitung des demokratischen Konföderalismus als einen konkreten Lösungsvorschlag für die ökologische Krise in den ökologischen Kämpfen weltweit. Im Jahr 2018 wurde das Buch der Kampagne veröffentlicht, welches eine gute Einleitung und einen Überblick über die Revolution in Rojava, die dortige ökologische Situation und die Grundideen der sozialen Ökologie liefert. Seit diesem Jahr gibt es auch einen neuen Reader1, der einen noch tieferen Einstieg in die Theorien der sozialen Ökologie und des demokratischen Konföderalismus bietet.

Das Jahr 2020

Im Jahr 2020 ist eine ganze Menge passiert. Allerdings ist eine prägende Zeit vor allem der Herbst 2019 gewesen, in welchem die türkische Armee ihre Invasionspläne in den Gebieten von Serêkaniyê und Girê Spî in die Tat umsetzte. Auch wir als Kampagne waren von den Auswirkungen dieses Krieges stark betroffen und konnten eine ganze Weile unsere vorgesehenen Arbeiten nicht fortführen. Erst zum Winter gelang es uns, das Komitee wieder aufzubauen, da zuvor alle Mitglieder aufgrund des Krieges andere Arbeiten angenommen hatten und wir uns stark mit der Frage auseinandersetzen mussten, was Ökologie in Zeiten von Krieg für uns bedeutet. Dabei war für uns klar: »Krieg tötet Menschen und zerstört die Natur, aber der Krieg trifft auch auf erbitterten Widerstand. Widerstand kann schöne Dinge schaffen wie Gemeinschaft, Organisierung, gegenseitige Hilfe und Solidarität. Diese Werte sind die Grundlage für eine revolutionäre Gesellschaft, eine politisch bewusste und ethische Gesellschaft, die sich selbst verteidigen kann. Und nicht einmal 1000 Bomben können eine revolutionäre Gesellschaft zerstören, die bereit ist, sich zu verteidigen. Der Kampf, den wir in Rojava führen, ist Teil eines globalen Kampfes. Und wir werden unseren Einsatz für ein freies und grünes Rojava mit aller Anstrengung fortsetzen. Nur wenn wir Rojava verteidigen, kann die Hoffnung hier weiter blühen.«2

Im Frühling dieses Jahres haben wir uns dann wieder konkreten ökologischen Arbeiten widmen können und haben einen Kompost angelegt, unsere Baumschule aufgeräumt und mit den Vorbereitungen für die grünste Phase des Jahres in Rojava getroffen. Am 4. April haben wir zum Anlass von Abdullah Öcalans Geburtstag 71 Bäume auf unserem Gelände der internationalistischen Kommune gepflanzt. Auch die bereits gepflanzten Bäume bedurften etwas Pflege nach dem langen und schneereichen Winter.

Embargo und Währungskrise

Der Krieg gegen die Gebiete der Föderation von Nord- und Ostsyrien wird nicht nur militärisch geführt. Mit allen Mitteln soll verhindert werden, dass diese Revolution erfolgreich ist und als Beispiel für eine konkrete Alternative zum Kapitalismus und als Beispiel für eine konkrete Alternative zum Kapitalismus gesehen werden kann. Auch wirtschaftlich wird versucht, unsere Utopien zu zerstören und den Aufbau einer neuen Gesellschaft zu sabotieren. Durch das von den USA verhängte Embargo gegen Syrien und sich immer wieder verschärfende Sanktionen kam es Anfang des Jahres zu einer großen Währungskrise. Die Preise für Lebensmittel hatten sich teilweise verdreifacht. Außerdem gab es die Befürchtung, dass zum Ende des Jahres die Lebensmittel für die Bevölkerung ganz ausgehen und die Ernährung der Menschen nicht mehr gewährleistet werden kann. Deshalb gab es den Aufruf der Selbstverwaltung, dass alle, die die Möglichkeit besitzen, so viel Gemüse wie nur möglich selbst anbauen. Daran haben wir uns natürlich beteiligt und begannen, unsere Felder umzugraben. Wir pflanzten Kartoffeln, Tomaten, Zucchini, Paprika, Kürbis und sogar Melonen, um über das Jahr genügend zu Essen zu haben.

Corona

Auch der Nordosten Syriens ist nicht verschont geblieben von der weltweiten Ausbreitung von Covid19. Allerdings hat es die Gebiete in der ersten Welle nicht so stark getroffen. Durch gut getroffene Maßnahmen und dadurch, dass das Land durch das Gesundheitskomitee quasi abgeriegelt wurde, konnte einer Ausbreitung zu Anfang gut entgegengewirkt werden. Allerdings beobachteten wir die weltweite Situation und beschlossen ein Video zu drehen, um den Umgang der Regierungen mit Corona zu thematisieren.

Die sieben Videos wurden von unseren »Make Rojava Green Again«-Gruppen in Rojava und verschiedenen europäischen Ländern produziert. Das erste aus Rojava ist eine globale Analyse der Corona-Krise, die die Pandemie mit der ökologischen Krise verbindet, mit der wir heute konfrontiert sind. Wir diskutieren die schädlichen Auswirkungen der kapitalistischen Moderne und die Rolle, die die Nationalstaaten dabei spielen, während sich der zweite Teil des Videos auf die Frage konzentriert, wie man durch den Aufbau des demokratischen Konföderalismus eine Alternative zu ihr aufbauen kann.

Die nächsten Videos unserer europäischen Gruppen aus Polen, England, Italien, Schweiz und Deutschland zeigen, wie sich die Corona-Krise in ihren einzelnen Ländern entwickelte, indem sie einerseits die Antwort der Staaten auf die Krise analysieren und andererseits die sich bildenden spontanen oder organisierten Solidaritätsgruppen in den Nachbar*innenschaften. Zum Schluss geben sie eine Perspektive für ihre lokale oder für die globale Situation.3

Mehr Arbeit in der Gesellschaft

Im Laufe der Monate des Jahres 2020 versuchten wir, mehr und mehr wieder aktive Projekte in und mit der Gesellschaft in Rojava umzusetzen. Eines dieser Projekte war eine Neugestaltung einer Straße in Qamişlo, wo ein kompletter Straßenabschnitt nach ökologischen Maßstäben neu gestaltet wurde. Dabei ging es auch darum, einen schönen und grünen Ort zu schaffen, an dem sich die Menschen gerne aufhalten und verschiedene Kunst- und Kultur-Projekte umgesetzt werden können. Aufgrund der anhaltenden Kriegssituation konnte das Projekt leider noch nicht in die Praxis umgesetzt werden und besteht, bis sich die Situation stabilisiert, leider erst einmal nur als Plan und digitale Zeichnung. Weitere Arbeiten waren die Unterstützung des Ökologie-Komitees in Dêrik bei der Umsetzung der Städtepartnerschaftsprojekte wie der Fluss-Renaturierung in der Stadt und dem Aufbau von kommunalen Gemeinschaftsgärten.

Ein weiterer wichtiger Schritt war es, unsere Arbeiten mehr mit den Frauenstrukturen zu verbinden. Dafür sind mehrere Freundinnen aus der Kampagne eine Zeit lang im autonomen Frauendorf Jinwar gewesen und haben dort viele Erfahrungen gesammelt. Daraus ist die Idee entstanden, eine Broschüre zu verschiedenen essbaren und medizinischen Pflanzen zu erstellen.

Auch unsere Verbindungen zu den umliegenden Dörfern haben wir gestärkt. Beispielsweise haben wir diesen Sommer ein paar Tage bei der Koriander-Ernte in Carudi, einem kleinen Dorf direkt an der Grenze zur heutigen Türkei, geholfen und viel über die Arbeitsweise des Dorfes und der Kooperative, an der sich das ganze Dorf beteiligt, gelernt. Dieses Jahr war es auch das erste Mal, dass wirklich das gesamte Dorf sich in Schichten organisiert hat und gemeinsam 24 Stunden am Tag die Ernte eingeholt hat. Dies war sicherlich ein historischer Moment und wir sind froh dabei gewesen zu sein.

Unsere eigene Ernte stand nun ebenfalls an und wir waren überwältigt von der Menge an Tomaten und unserem verschiedenen Gemüse, welches wir angebaut hatten. Im September, als die Bedingungen zum Pflanzen von Bäume wieder besser waren und sich die extreme Hitze von bis zu 50° verabschiedet hatte, beschlossen wir, eine große Aktion durchzuführen. um das Flussufer direkt am Hang der Kommune zu renaturieren und zu bepflanzen. Dafür luden wir viele Jugendliche der Stadt Dêrik und des nahegelegenen Camps für Inlandsgeflüchtete zu uns aufs Gelände ein. Es kamen ca. 70 Menschen zusammen. Gemeinsam diskutierten wir über die Rolle und die Wichtigkeit von Ökologie und Natur. Dann gingen wir hinunter und pflanzten 30 Bäume direkt am Fluss. Das ist sicher nur ein Anfang gewesen und in Zukunft hoffen wir, den gesamten Flusslauf renaturieren zu können.

Jahresauswertung und Perspektive

Das Jahr 2020 war sicherlich für die ganze Welt ein besonderes Jahr. Auch in Rojava hatte das Corona-Virus großen Einfluss auf das alltägliche Leben und dadurch auch auf unsere politischen Arbeiten. Besonders groß waren aber die Auswirkungen des Krieges im Oktober 2019, aber natürlich auch die erneuten Drohungen und anhaltenden Angriffe an der Grenze durch Artilleriebeschuss und Infiltrationsaktionen des faschistischen türkischen Staates sowie die militärischen Vorbereitungen, die permanent getroffen werden. Im Juli 2020 hat uns der Krieg in Südkurdistan stark beschäftigt. Die Bombardierungen der türkischen Luftwaffe in Şengal am 15. Juli waren von der Kommune gut und deutlich zu hören und wir wissen, dass der intensivierte Krieg sich irgendwann wieder gegen Rojava richten wird. Wir müssen uns also in der Zukunft weiter verstärkt damit auseinandersetzen, wie wir die ökologische Arbeiten unter diesen schwierigen Bedingungen fortsetzen und noch ausbauen können. Eines ist sicher: Solange es möglich ist, werden wir den Aufbau der ökologischen Gesellschaft unterstützen und wenn es Angriffe gibt, diese abwehren und damit gleichzeitig unsere ökologische Haltung verteidigen.

Fußnoten:

1 - https://makerojavagreenagain.org/reader/

2 - https://makerojavagreenagain.org/2019/10/10/dem-krieg-in-nordsyrien-ausgesetzt-eine-erklarung-von-make-rojava-green-again/

3 -  https://makerojavagreenagain.org/2020/06/17/8729/


 Kurdistan Report 213 | Januar/Februar 2021

 https://makerojavagreenagain.org/2020/06/17/8729/