Von kulturellem Genozid bis Spezialkrieg, ein Umriss eines deutlich (un-)sichtbaren Krieges

Den Krieg in Kurdistan richtig verstehen

Dîrok Hêvî, Internationalist in Rojava


Viele Menschen schon haben viel Zeit und Mühe aufgewendet, um den Krieg in seinen verschiedenen Formen zu beschreiben. Eigentlich sollte es für uns mit den »Erfahrungen« aus den zwei Weltkriegen ein Leichtes sein, Krieg zu verstehen. Ganz im Gegenteil scheint es jedoch so, dass selbst von vielen Menschen, die schon seit einigen Jahren solidarisch den Kampf z. B. in Rojava aktiv unterstützen, der Krieg in Kurdistan nicht in all seinen Facetten richtig verstanden und erfasst wird. Das hat konkrete Auswirkungen auf die Solidaritätsarbeit. Darum erscheint es mir besonders angesichts des legendären Widerstands in Kurdistan essentiell, diese verschiedenen Facetten hier einmal ausführlicher zu beschreiben. Vorweg: Ich denke, dass auch wir in nicht zu unterschätzendem Maße von der Kolonialpolitik beeinflusst sind, durch die Kurdistan seit so langer Zeit beherrscht wird. Die Kolonialmächte haben Kurdistan nicht nur geografisch geteilt, sondern die Grenzen auch in unseren Köpfen errichtet. Diese Tatsache wurde in ihrem ganzen Ausmaß noch einmal in der letzten Phase des Freiheitskampfes in Kurdistan deutlich. Diesen Mangel vor Augen, muss es unser Ziel sein, darüber ein Bewusstsein zu schaffen, sowohl bei uns selbst als auch bei denjenigen, die wir erreichen wollen. Es ist notwendig zu erkennen, dass das mangelnde Bewusstsein über diese Realität mit großer Wahrscheinlichkeit auch unserem eigenen Verständnis, unserer eigenen Annäherung an diesen Krieg, an diesen Genozid geschuldet ist.

An dieser Stelle ist es vielleicht nicht falsch, auch inhaltlich einen Absatz zu machen und den Genozidbegriff noch einmal aufzugreifen. Denn ich weiß, dass viele Menschen gewisse Zweifel daran haben, ob es der richtige bzw. ein angemessener Begriff sei. Es ist in jedem Fall ein angemessener Begriff in der Weise wie Rêber Apo [Abdullah Öcalan] ihn in seinen Verteidigungsschriften erklärt, insbesondere in Band fünf mit dem Titel »Kürt Sorunu ve Demokratik Ulus Çözümü – Kültürel Soykirim Kiskacinda Kürtleri Savunmak« (Die kurdische Frage und die demokratische Nation – Die Kurden im Klammergriff des kulturellen Genozids verteidigen, ist noch nicht auf Deutsch erschienen). Das vor allem gilt es zu verstehen. Rêber Apo benutzt den Begriff nicht leichtfertig. Er verwendet ihn um die Tatsache zu beschreiben, dass es dem faschistischen türkischen Staat nicht möglich ist, das gesamte kurdische Volk physisch zu vernichten, weshalb er seine Kultur angreift und darauf abzielt, die kurdische Kultur auszulöschen. Denn ein Mensch wird nun einmal auf vielfältige Weise durch seine Kultur geprägt. In diesem Zusammenhang wird vielleicht als erstes an das Verbot der kurdischen Sprache gedacht, aber es gibt ebenso die Verbote traditioneller Kleidung, von Namen, Gebräuchen sowie Musik und Kunst, aber auch die Zerstörung historischer Orte. Es ist kein Zufall, dass der faschistische türkische Staat, ohne mit der Wimper zu zucken, die historische Stadt Heskîf (Hasankeyf) mit ihren vielen kleinen Höhlen in den Bergwänden überfluten lässt. Gleiches gilt auch für die Verbote archäologischer Grabungen, etwa die Beendigung der Forschungen in Göbekli Tepe oder ähnlichen Stätten. Das alles ist Teil dieses genozidalen Krieges. Es ist selbstverständlich, dass Kultur eine enge Verbindung mit der Erde hat, dem Boden auf dem wir leben, was schon in der etymologischen Betrachtung dieses Terminus (Latein: cultura – bebauen, bestellen, alles mit Bezug zur Bodenbearbeitung) ersichtlich wird. Daher verfolgt dieser Staat eine gezielte Politik, die KurdInnen aus ihren angestammten Regionen zu vertreiben, um sie dadurch von ihrer Kultur zu entfremden. Er treibt sie nicht nur durch die Zerstörung von Dörfern oder durch Militäroperationen seit Jahrzehnten in die Städte, er brennt auch gezielt Wälder nieder (wie aktuell auf dem Berg Cûdî) und versucht mit Staudammprojekten Regionen auszutrocknen, zu fluten bzw. den Wasserfluss umzuleiten. Er will damit alle Regionen Kurdistans zerstören und auch für die Zukunft unbrauchbar machen, sodass selbst wenn es dazu kommen sollte, dass die Bevölkerung endlich die demokratische Kontrolle über ihre Ressourcen und Lebensräume wiedererlangt, diese bereits geraubt oder vernichtet sind. Das alles sind Aspekte der Kriegsführung. Sie werden gezielt eingesetzt, systematisch. Dazu gehört auch, dass der faschistische türkische Staat den Protest dagegen kriminalisiert und verbietet. Selbst auf dieses Problem aufmerksam zu machen, kann schon zu Inhaftierung oder Prozessen, wenn nicht gar zu Schlimmerem führen. Im Allgemeinen müssen wir anführen, dass es Regionen in Nordkurdistan gibt, in denen es nun seit Monaten, teils sogar seit Jahren durchgehend verboten ist, überhaupt irgendeine Form von Protest kundzutun – sei es sich zu versammeln, Flugblätter zu verteilen oder ähnliches. Mit allen Mitteln wird versucht, die Gesellschaft zu ersticken, damit sie es ja nicht schafft, sich auch nur in minimalem Maße zu organisieren.

Das Massaker von Roboskî im Dezember 2011 reiht sich in unzählige andere Verbrechen des türkischen Staates an KurdenWir sehen uns einem so niederträchtigen Feind gegenüber, der – nur um einen kleinen Erfolg einzustreichen – das Wasser für Hunderttausende von Menschen abstellen lässt, wie zuletzt im Raum Hesekê (Nordsyrien). Der Tonnen von Obst und Gemüse zu Dumpingpreisen nach Südkurdistan exportiert, damit die Menschen dort ihre Ernte nicht mehr zu angemessenen Preisen verkaufen können und ihre Dörfer in den Bergen verlassen müssen – und so nur ja keinen Kontakt zur Guerilla bekommen. Ein Feind, so grausam, dass er einfach so im Dezember 2011 in Roboskî 34 unbewaffnete Jugendliche tötete, 24 von ihnen Mitglieder allein einer Familie. Ein Feind, dessen einziges Ziel darin besteht alles Kurdische und Demokratische zu vernichten.

Die Gesellschaft soll in ihre Einzelteile zerlegt und dadurch leichter kontrollierbar gemacht werden

Der faschistische türkische Staat versucht kontinuierlich, den Zusammenhalt der kurdischen Gesellschaft zu brechen; denn dieser starke Zusammenhalt, der auf einer hohen Moral beruht, verhindert natürlich, dass gewisse Mentalitäten und Einflüsse der kapitalistischen Moderne sich schnell ausbreiten und an Bedeutung gewinnen. Die Moral der Gesellschaft stellt in diesem Maße auch eine Form der Selbstverteidigung dar. Der Staat versucht, sie auf die unterschiedlichste Art und Weise zu zerstören. In vielen Gegenden Kurdistans verteilt er gezielt Drogen, um darüber die Jugend von ihren Familien und von politischen Aktivitäten zu isolieren. Er überschwemmt förmlich ganze Viertel damit, um die Jugendlichen zu zerstören. Gleiches gilt für den gezielten Angriff auf die Frauen. Die massenhaften Vergewaltigungen von Seiten des türkischen Staates gegen kurdische Frauen haben nicht nur die Verdrängung von Frauen aus dem politischen Raum zum Ziel, sondern zielen auch auf die Zerstörung der Gesellschaftsstruktur ab. Es ist kein Geheimnis, dass in Teilen der kurdischen Gesellschaft noch immer ein veralteter Ehrbegriff gilt und immer wieder Frauen, die Opfer eines solchen Angriffs wurden, danach durch eigene Hand oder die der Familie den Tod finden. Und wenn das nicht der Fall ist, nutzt der Staat die soziale Zwangssituation dieser Frauen aus, um sie zu Agentinnen zu machen. Doch in seinem Versuch, die gesamte Gesellschaft zu AgentInnen zu machen, setzt er nicht nur auf Frauen, sondern arbeitet darauf hin, alle Teile der Gesellschaft in sein Netzwerk von SpionInnen und AgentInnen einzuweben. Auch dies ist ein Punkt, der zu verstehen von enormer Bedeutung ist. Wie kann es sein, dass jemand, in dessen Familie Menschen für den Freiheitskampf Kurdistans gefallen sind, für ein paar Dollar Unmengen an Informationen an den Feind verkauft? Sicherlich gibt es darauf nicht nur eine Antwort, doch bestimmt einige Punkte, die für uns zentral sind. Wir müssen zum Beispiel sehen, dass früher in kurdischen Dörfern nie jemand wirklich gehungert hat oder gar verhungert ist, da die gesamte Dorfgemeinschaft dafür Sorge trug, dass niemand aus ihren Reihen solch ein Schicksal erleide. Heute jedoch wird diese Gemeinschaft durch die immer stärkere Trennung und Isolierung, die uns die Lebensweise in der Stadt aufzwingt, schwächer. Es ist das Ergebnis einer von langer Hand angelegten ökonomischen Kolonialisierung Kurdistans, die im Endeffekt zur sinnbildlichen »in-Ketten-Legung« des Magens geführt hat. Das kurdische Volk wird in den Hunger gezwungen und weg von seiner moralisch-solidarischen Gesellschaft. Und ein Magen, der hungert, tut fast alles, um satt zu werden. Dieser Krieg hat auch zum Ziel, dass die Menschen mit dem Magen denken, nicht mit dem Gehirn. Ein »schöner« Nebeneffekt für den Feind ist es auch, wenn er mit seinen Kriegsflugzeugen tagein, tagaus über die kurdischen Städte fliegt, dass dies eine enorme psychologische Belastung bedeutet, die das Lernen negativ beeinflusst. Ein Kind, das in der Westtürkei in die Schule geht und eines in Kurdistan, mitten im Kriegsgebiet, haben also auch deshalb schon völlig unterschiedliche Chancen. Was den hässlichen Punkt des Versuchs der »Agentisierung« der kurdischen Gesellschaft angeht, so ist es für den Staat fast egal, ob er im Einzelfall erfolgreich ist oder nicht, im Gesamtkontext ist er es in jedem Fall. Warum? Weil er entweder Informationen bekommt, die er dann für einen Angriff nutzen kann. Oder aber der/die AgentIn von der Freiheitsbewegung oder dem Volk enttarnt und bestraft wird, was wiederum durch die daraus resultierende Spaltung dem kurdischen Volk schadet. Viel Gewicht legt er außerdem auch weiterhin auf die Spaltung der KurdInnen untereinander, indem er sie in »gute« und »böse« einteilt. Dabei sollte auf keinen Fall vergessen werden, dass die Situation der »guten« KurdInnen allein vom Fortbestehen dieses Gegensatzes abhängt. D. h. die »guten« haben auch nur so lange ein »Existenzrecht« an der Seite des Feindes, bis die »bösen« verschwunden sind, um anschließend selbst mit diesem Etikett versehen zu werden. Als vielleicht offensichtlichstes Beispiel in der kurdischen Geschichte dient uns hier vielleicht die Person Rehber1 im Massaker von Dersim 1937/38, einer Stadt, die bis heute offiziell nach der staatlichen Operation benannt ist2, bei der dort Zehntausende KurdInnen ermordet wurden.

Bei all den zuvor bereits genannten Aspekten dürfen wir jedoch auch die rohe Gewalt dieses Staates nie vernachlässigen und vergessen: sei es die gezielte Ermordung von Menschen, sei es die massenhafte Inhaftierung jedes Menschen, der auch nur einen Hauch von Hoffnung, einen Hauch eines Volkswillens verkörpert. Darüber hinaus sprechen wir von Menschen, die »verschwinden« und von täglicher Bombardierung, von der Zerstörung ganzer Stadtviertel wie in 2015/16 in Cizîr, Sûr, Nisêbîn etc. Der Staat setzt ganz gezielt die islamistischen Banden von IS bis al Nusra ein, um in den besetzten Gebieten von Rojava die Menschen zu terrorisieren und auszurauben. Mit ihrer Hilfe lässt er kurdische Kinder entführen, um sie entweder wie in Libyen in den Krieg zu schicken oder aber verschwinden zu lassen. Ohne auch nur einen Hauch von Reue lässt er Dutzende KurdInnen in Kellern verbrennen, setzt verbotene Phosphorbomben ein und führt tagein, tagaus mit seinen Drohnen extralegale Hinrichtungen durch.

Ein weiterer Aspekt, der für unser Verständnis der Kriegspolitik gegen das kurdische Volk von enormer Bedeutung ist: der Spezialkrieg. Der Terminus bezeichnet eine Form der Kriegsführung, die nicht als solche wahrgenommen wird. Eine wichtige Dimension ist etwa die psychologische Kriegsführung. Genutzt wird in diesem Spezialkrieg jedes Mittel. Z. B. werden Medien eingesetzt, um gezielt Falschinformationen zu streuen, heute natürlich verstärkt das Internet. Es werden Filme und Serien produziert, um bestimmte Bilder über Kurdistan zu erzeugen; es werden historische Informationen verfälscht und ausgelöscht; es werden Artikel lanciert, um gewisse Meinungen zu legitimieren; bekannte Täter werden laufen gelassen oder in Schutz genommen etc. All diese genannten Punkte sind selbstverständlich nur ein kleiner, ein winziger Ausschnitt aus der komplexen Kriegspolitik des faschistischen türkischen Staates. Viel mehr noch müsste an dieser Stelle eigentlich über den Spezialkrieg des türkischen Staates geschrieben werden. Auch darüber, welche Irrationalität innerhalb seiner Logik der türkische Kolonialstaat an den Tag legt: dass er sich sogar mit seinem Erzrivalen Iran, mit dem er um die Vorherrschaft im Mittleren Osten ringt, zusammensetzt und gemeinsam Operationen gegen die kurdische Freiheitsbewegung plant und durchführt – ganz nach dem Motto »Der Feind meines Feindes ist mein Freund«.

Alles in allem geht es hier darum, koste es, was es wolle, die freie Kurdin, den freien Kurden zu vernichten. Denn eines dürfen wir nicht vergessen. Selbstverständlich gibt es »KurdInnen« im Apparat des faschistischen Systems, als deutlichstes Beispiel vielleicht Hakan Fidan, der Chef des türkischen Geheimdienstes (MİT). Er ist einer derjenigen, die sich dem Willen des Staates unterworfen und ihrer Kultur entsagt haben.

Warum aber ist das oben Geschriebene so wichtig? Weil erst, wenn wir uns all dieser Punkte bewusst sind, das Komplott gegen Rêber Apo, der allumfassende Angriff auf die Guerilla in den freien Bergen Kurdistans usw. in vollem Umfang und in ihrer ganzen Tiefe verstanden werden können. Erst dann kann begriffen werden, warum Rojava aktuell in Heftanîn verteidigt wird.

Rojava wird in Heftanîn verteidigt!

Was sich in letzter Zeit gezeigt hat, um nochmal einen Bogen zum Anfang des Textes zu spannen, ist der Umstand, dass der Angriff auf Rojava, insbesondere auf Serêkaniyê, vor fast einem Jahr starke Proteste auslöste, die erneuten Besatzungsversuche in Südkurdistan jedoch fast gar nicht verurteilt wurden. Warum? Weil eben noch immer eine gewisse Unklarheit herrscht. Noch immer wird von vielen ein großer Unterschied zwischen der kurdischen Freiheitsbewegung PKK und der Revolution in Rojava gemacht. Sicher gibt es da geografische und strukturelle Unterschiede, doch im Wesentlichen geht es um den Angriff auf die Freiheit des kurdischen Volkes. In diesem Sinne gibt es eben keinen Unterschied. Es kommt nicht von ungefähr, dass der faschistische türkische Staat versucht, alles, was in Bezug auf Kurdistan den Anschein von Freiheit und Selbstbestimmung erweckt, als »Terror« zu diskreditieren: sei es ein Kind in der Schule, das kurdisch spricht und deswegen ein »Terrorist« ist oder eben eine Kurdin, die gegen Gewalt an Frauen demonstriert. Sei es, wie vor kurzem, ein Jugendlicher in Belgien, der sich als Kurde bekennt oder irgendwer auf der Welt, der etwas Positives über die Freiheit und Selbstbestimmung des kurdischen Volkes sagt. Es ist von strategisch wichtiger Bedeutung, in unseren Solidaritätsarbeiten noch viel deutlicher zu machen, dass wer für Rojava auf die Straße geht, eben auch gegen die Besetzung Südkurdistans auf die Straße gehen muss; denn Rojava wird zurzeit in Heftanîn verteidigt. Es darf bei uns keinen Zweifel darüber bestehen, dass die Guerilla für alle KurdInnen der Garant der Freiheit ist. Wie sonst sollte es erklärbar sein, dass Zehntausende in die türkischen Gefängnisse geworfen werden und trotz schwerster Folter und Isolation nicht zu VerräterInnen werden? Dass so viele, obwohl sie wissen, dass schon mit dem Antritt eines BürgermeisterInnen-Amtes oder einer anderen Position in einer Organisation für Demokratie in Kurdistan bereits binnen weniger Tage oder Wochen die Verhaftung und lange Gefängnisstrafen folgen werden? Weil sie wissen, dass die Guerilla den Staat erneut in die Enge drängen wird. Wie schon die vielen Male zuvor. Das ist es, was den Menschen in allen Teilen Kurdistans Hoffnung und Kraft gibt. Immer und immer wieder. Das weiß auch der Feind. Nicht umsonst hat er auch im letzten Jahr versucht, in den Bergen große Erfolge zu erringen und als dies scheiterte, den Angriff auf Rojava begonnen. Deswegen setzt er all seine Kraft und Ressourcen dafür ein, auch nur eineN GuerillakämpferIn zu eliminieren. Denn wenn die Guerilla fällt, wer sollte dem Feind dann noch die Stirn bieten. Erinnern wir uns doch nur an die Angriffe des IS auf Südkurdistan und Şengal. Wie oft gab es diese Momente, in denen Hunderte, Tausende Peşmerga ein Dorf umzingelt hielten, in dem sich der IS aufhielt, sie jedoch erst als eine kleine Gruppe von GuerillakämpferInnen kam und den Angriff begann, den Mut aufbrachten vorzurücken. Denn die Guerilla gibt den Menschen eben genau dies: Mut, Hoffnung, Kraft. Und die Guerilla selbst? Sie schöpft ihre Kraft aus dem Willen der Tausenden Gefallenen und aus dem Volk. Das ist der letzte Punkt, auf den ich eingehen möchte: die Isolationsfolter gegen Rêber Apo. Es ist nicht einfach nur eine leere Phrase, wenn wir davon sprechen, dass mit Rêber Apo ein ganzes Volk gefangen gehalten wird. Denn Rêber Apo als der Repräsentant des kurdischen Volkes, der es nach einer Ära der Dunkelheit und Unterdrückung endlich wieder zu neuem Leben erweckte, gab den Menschen eben das, was wir heute bei Hunderttausenden sehen: Mut, Kraft, Hoffnung. Von eben dieser Quelle der Energie versucht uns der Feind mit der Isolationsfolter Rêber Apos abzuschneiden, um damit auf das gesamte Freiheitsstreben in Kurdistan Einfluss zu nehmen. Aus diesem Grund ist es für uns selbstverständlich von vorrangiger Bedeutung, die Freiheit Rêber Apos zu erreichen. Das sollte es auch für all diejenigen sein, die sich mit dem Freiheitskampf in Rojava oder den anderen Teilen Kurdistans solidarisieren.

Anstatt also uns ganz im Sinne des Feindes aufteilen zu lassen in diejenigen, die nur Rojava unterstützen und die, die wann auch immer in Kurdistan ein Angriff geschieht, ihre Wut zum Ausdruck bringen, sollten wir endlich alle gemeinsam bei jedem Angriff auf das Freiheitsstreben in Kurdistan und die Vertiefung der Unterdrückung unsere Reaktion zeigen und mit geeintem Willen dem Feind entgegentreten. 

Fußnoten:

1 - Am 9. Juli 1937 wurden Alişer, einer der Organisatoren des Widerstands, und seine Frau Zarife durch Verrat aus den eigenen Reihen ermordet. Anstifter dieses Verrates war Rehber (Rayber), ein Neffe Seyîd Rizas. Die Köpfe beider Erschossenen schickte man dem Militärgouverneur Alpdoğan nach Xarpêt (Elazığ) als Geschenk.

2 - Gemeint ist Tunceli, was sinnbildlich ins Deutsche übertragen soviel wie »eiserne Hand« bedeutet.


 Kurdistan Report 212 | November/Dezember 2020