Liebe Leserinnen und Leser,


Kurdistan Report 209 | Mai/Juni 2020das Corona-Virus, welches seit Monaten die globale Agenda dominiert, hat Fragen in den Gesellschaften aufgeworfen, die sonst wenig Raum für Diskussion finden. Wie möchten wir leben? Was bedeutet Freiheit und wie sieht eine freie Gesellschaft aus?

Von PolitikerInnen über WissenschaftlerInnen bis hin zu PhilosophInnen werden Zukunftsszenarien formuliert, in denen sich vor allem zunehmender Nationalismus und die steigende Macht von Nationalstaaten bemerkbar machen, die vor allem darauf ausgerichtet sind abzuschotten und abzugrenzen.

Vor allem im globalen Süden offenbart sich jedoch, wie die Unterscheidung zwischen »Entwerteten« und »Wertvollen« die Grundlage der herrschenden globalen kapitalistischen Ordnung bildet. Die Umschreibung des Kapitalismus als eine gesellschaftliche Krankheit gewinnt in diesem Sinne eine besondere Bedeutung. Die kurdische Freiheitsbewegung vergleicht den »demokratischen Sozialismus« in diesem Kontext als eine Gesundheitsmedizin, um die Menschheit von den Krankheiten des Kapitalismus zu heilen.

Die kontrovers diskutierte Frage »Mensch oder Ökonomie« verdeutlicht einmal mehr die Probleme des 21. Jahrhunderts. Zur selben Zeit gibt es einen gesellschaftlichen Aufbruch in Rojava, in dem der Versuch unternommen wird, trotz Kriegsumständen und Krisensituation ein System aufzubauen, in dem der Mensch mit seinen natürlichen Bedürfnissen im Zentrum steht, was die humanistischste Antwort auf jegliche Krise ist.

Während das Corona-Virus das Leben weltweit lahmgelegt hat, bedeutete dies für die Menschen in Kurdistan keine Atempause von den Angriffen vor allem des türkischen Staates. In der Türkei wurden während der Redaktionsarbeiten wieder einmal mehrere kurdische Gemeinden der Zwangsverwaltung unterstellt. Mitte April bombardierten türkische Kampfdrohnen das Flüchtlingslager Mexmûr in Südkurdistan, wobei drei Zivilistinnen getötet und mehrere Personen verletzt wurden. Zehntausende Gefangene in der Türkei wurden zudem zum angeblichen Schutz vor Corona freigelassen, außer den politischen Gefangenen, den zigtausenden kurdischen politischen AktivistInnen.

Da trotz getroffener Maßnahmen die Bevölkerung in Kurdistan im Allgemeinen und die Menschen in Nord- und Ostsyrien im Besonderen ernsthaft vom Corona-Virus bedroht sind und es wegen der Kriegs- und Besatzungssituation an allem mangelt – grundlegender medizinischer Ausrüstung, Medikamenten, Atemschutzmasken, Desinfektions- und Reinigungsmitteln –, möchten wir auf die Spendenaufrufe der Hilfsorganisation des Kurdischen Roten Halbmonds (Heyva Sor a Kurdistanê) aufmerksam machen.

Eure Redaktion