Internationale Verbindungen schaffen, die Revolution in Rojava verteidigen

#riseup4rojava – smash turkish fascism!

Interview mit Info Aut und der Internationalistischen Kommune von Rojava

»Info Aut – Informazione di parte« wurde 2007 als antagonistische Informationsseite gegründet, Ausdruck eines Netzwerks autonomer, antikapitalistischer und feministischer politischer Strukturen, die in verschiedenen italienischen Städten aktiv sind. Die »Internationalistische Kommune von Rojava« wurde am 1. Mai 2017 ausgerufen und versammelt die InternationalistInnen, die in der Zivilgesellschaft von Rojava arbeiten, unter dem Motto »learn, support, organize«.

#riseup4rojava – smash turkish fascism!Am 25. April 2019, 74 Jahre nach der Befreiung vom Faschismus in Italien, habt ihr die Kampagne »#riseup4rojava – smash turkish fascism!« gegen den türkischen Faschismus initiiert. Wie kam es dazu?

Info Aut: Wir haben beschlossen, die internationale Kampagne und Plattform »#riseup4rojava – smash turkish fascism!« am 25. April zu starten, weil dieser Tag die Niederlage des faschistischen italienischen Regimes und den Sieg all jener verschiedenen PartisanInnengruppen symbolisiert, welche vereint den italienischen Widerstand bildeten. In diesem Jahr wurden die Feierlichkeiten zum 25. April auf vielen italienischen Plätzen Şehîd Tekoşer gewidmet, einem italienischen Revolutionär, der bei der Verteidigung der Revolution im letzten entscheidenden Kampf gegen den sogenannten Islamischen Staat in Deir ez-Zor fiel. Sein Opfer bekräftigt die tiefe Verbindung zwischen den PartisanInnen, die vor über siebzig Jahren ihr Leben geopfert hatten, um den Faschismus in Europa zu besiegen, und den InternationalistInnen, die heute in Rojava den gleichen Feind der Menschheit bekämpfen.

Internationalistische Kommune: Darüber hinaus wurde am 1. Mai der Kampftag der ArbeiterInnenklasse weltweit gefeiert, ein Tag von großer Bedeutung für die revolutionäre Bewegung auf der ganzen Welt, der unsere Kämpfe über die Grenzen der Nationalstaaten hinaus vereint. Auch an diesem Tag haben wir die Kampagne in insgesamt sieben Ländern, auf zwölf Demonstrationen bekannt gemacht.

Unser Ziel war es, mit dem Start der Kampagne deren Schlüsselelemente, den Kampf gegen den Faschismus, den Internationalismus revolutionärer Kämpfe, in einen historischen Kontext zu setzen und sichtbar zu machen.

Mit welchen Organisationen und Gruppen habt ihr diese Kampagne gestartet?

IA: In den letzten Jahren sind InternationalistInnen aus verschiedenen Organisationen aus der ganzen Welt in die Internationalistische Kommune von Rojava gekommen und haben sich an den Arbeiten der Kommune und allgemein am revolutionären Prozess in Rojava beteiligt, dadurch sind starke Verbindungen zwischen ihren eigenen Gruppen, untereinander und mit Rojava entstanden. Diese Organisationen waren die ersten Gruppen, die sich an der Diskussion zum Aufbau der Kampagne beteiligten, aber von Anfang an war die Kampagne offen für alle Organisationen und Gruppen, die die Ziele und die Stoßrichtung des Aufrufs unterstützen und sich aktiv einbringen, indem sie Aktionen in Solidarität mit der Rojava-Revolution, gegen den türkischen Faschismus und gegen die imperialistischen Staaten und die Kriegsindustrie organisieren, die von diesem Konflikt profitieren.

IK: An der Kampagne beteiligen sich ganz unterschiedliche Organisationen, von anarchistischen Gruppen aus Griechenland über ML-Organisationen wie den Revolutionären Aufbau Schweiz, aktivistische Gruppen aus den USA, Postautonome aus Deutschland, Schweden und UK bis zu syndikalistischen Gewerkschaften wie die CNT aus Katalonien. Eine Organisation aus Südafrika hat sich auch der Kampagne angeschlossen; bis jetzt sind es vor allem Organisationen aus Europa, aber wir arbeiten daran, die Kampagne auch in Südamerika bekannt zu machen. Und natürlich sind auch klassische Gruppen der Kurdistansolidarität wie Tatort Kurdistan dabei. Es war uns aber vor allem wichtig, dass Organisationen dabei sind, welche nicht nur Kurdistanpolitik machen, sondern in konkreten gesellschaftlichen Kämpfen in ihren Ländern verankert sind, damit können wir eine breitere Basis für unsere Kampagne schaffen und an konkrete Kämpfe gegen Krieg, Repression und Faschismus in Europa anknüpfen. Die Vielfalt wollen wir zu einer Stärke entwickeln. Der Ausdruck der Kampagne wird von Ort zu Ort unterschiedlich aussehen, in manchen Orten werden Flyer verteilt, an anderen wird vielleicht eine Botschaft oder eine Fabrik besetzt werden. Unsere politischen Traditionen und Praktiken mögen verschieden sein, aber uns eint das Ziel, die Revolution in Kurdistan und ihre Erfolge zu verteidigen. Wir finden es selbst sehr spannend, was sich da entwickeln wird. Wir haben jetzt die ersten Schritte gemacht, vieles wird sich in der konkreten Praxis weiterentwickeln, die Kampagne lebt vor allem auch von lokaler Initiative. Da sind alle gefragt mitzumachen!

Was und wen wollt ihr mit der Kampagne erreichen?

IA: Das Ziel dieser Kampagne ist es, eine geeinte Front auf globaler Ebene zu schaffen, die einen Unterschied zu den verschiedenen faschistischen und imperialistischen Kräften machen kann, die das revolutionäre Projekt zur Schaffung einer befreien Gesellschaft in Rojava und im Nahen Osten zu schwächen und zerstören versuchen. Wir werden konkrete koordinierte Maßnahmen im Rahmen einer gemeinsamen Strategie ergreifen, die unsere unterschiedlichen Realitäten und Bedingungen einbezieht. Wir glauben, dass dies ein ausgezeichneter Ausgangspunkt ist, um Verbindungen zwischen den verschiedenen Ländern herzustellen, die gegen die kapitalistische Moderne kämpfen, unabhängig von den Grenzen der Nationalstaaten.

IK: Konkret können wir die Planung eines internationalen Aktionstages Anfang September nennen. Dann findet das »Rheinmetall entwaffnen!«-Camp in Unterlüß statt, mit geplanter Blockadeaktion der Werkstore und einer Demonstration am 6. und 7. September. In demselben Zeitraum findet die größte Waffenmesse der Welt in London statt, wo die großen Waffenfirmen ihre neusten Produkte präsentieren und für Profite mit dem Tod werben. In London wird es Proteste unter dem Motto »Stop The Arms Fair!« geben. Für uns lag es nahe, diese beiden Proteste zu verbinden und noch in weiteren Ländern Aktionen zu organisieren. In Schweden, Griechenland, Italien, Katalonien finden gerade Diskussionen darüber statt, was am 6. und 7. September organisiert werden soll. In Italien gibt es ein riesiges Versuchsgelände von Rheinmetall, außerdem den Kampfhubschrauber-Hersteller Leonardo, in Schweden sind Scania und Saab in Waffengeschäfte mit der Türkei verwickelt. Die Koordination dieser Proteste zeigt für uns auch die Stärke der Kampagne: Kämpfe verbinden, konkrete Proteste aufgreifen und in einen internationalen Kontext setzen. Da geht es auch darum, ein internationalistisches Verständnis innerhalb von Europa zu stärken, sich aufeinander zu beziehen. Ohne diese Kampagne hätte es wohl nicht diese Verbindung zwischen dem Rheinmetall-Camp und der Waffenmesse in London gegeben.

Der Kampagnen-Slogan hebt zwei Themen hervor. Zum einen die Revolution in Rojava, die positiver Bezugspunkt für die internationale Linke geworden ist. Und zum anderen den türkischen Faschismus, also die türkische Staatspolitik als zentrale Bedrohung der revolutionären Errungenschaften. Warum?

IA: Die Revolution in Rojava baut eine neue Perspektive der demokratischen Moderne im Gegensatz zur kapitalistischen Moderne auf, was ein Modell nicht nur für den Nahen Osten darstellt, sondern im Zentrum der Analyse vieler revolutionärer Realitäten auf der ganzen Welt steht.

Die größte Bedrohung für diese demokratische Entwicklung stellt heute der türkische Staat unter der Kontrolle der faschistischen Partei AKP des Diktators Erdoğan dar, der militärisch von den imperialistischen Mächten der NATO unterstützt wird.

Eine wichtige Säule dieser Revolution ist die Selbstverteidigung, sie war siegreich und machte diese Revolution dank des Opfers von Tausenden von Gefallenen erst möglich. Es wurden diejenigen besiegt, die versuchten, Hass und Zerstörung zu bringen. Auch wir als RevolutionärInnen haben die Pflicht, in unseren eigenen Ländern Seite an Seite mit diesen GenossInnen für die Verteidigung der Revolution zu kämpfen, indem wir Unternehmen und Finanzinstitutionen blockieren, die den türkischen Faschismus militärisch oder finanziell unterstützen, und alle Vereinigungen, alle Regierungen und Allianzen, die die Türkei unterstützen, mit massenhaften koordinierten Aktionen auf globaler Ebene verurteilen.

IK: Weltweit identifizieren sich unglaublich viele Menschen mit der Revolution in Kurdistan als einem Hauptkampf gegen den Faschismus unserer Zeit und für die Befreiung der Frau und der Gesellschaft. Mit dem Erfolg der Revolution steigen auch die Drohungen von Erdoğan mit weiteren großen militärischen Angriffen auf Kurdistan oder Nordsyrien, die das Ziel der vollständigen Vernichtung der Revolution verfolgen. Die Türkei hätte dafür aber gar nicht die Schlagkraft ohne militärische, finanzielle und diplomatische Unterstützung. Daher müssen wir diese Zusammenarbeit aufdecken und angreifen. »Die Feinde der Revolution in Kurdistan und Syrien sind auch unsere Feinde«, wurde im Aufruf der Kampagne geschrieben. Genau darum geht es: Druck aufzubauen auf Kriegsprofiteure und heuchlerische Regierungen. Wir wollen nicht zulassen, dass die größte Revolution des 21. Jahrhunderts zerstört wird, welche ein weltweites Symbol der Hoffnung ist. Für den Fall, dass es zum Angriffskrieg gegen Rojava kommt, ist unsere Kampagne vorbereitet, und sie wird Widerstand dagegen auf internationaler Ebene koordinieren.

Website: https://riseup4rojava.org/
Facebook: https://www.facebook.com/riseup4rojava/
Twitter: https://twitter.com/RISEUP4R0JAVA


 Kurdistan Report 204 | Juli/August 2019