Ursachen und Schäden der jüngsten Überschwemmung im Iran

Ein neues Umweltbewusstsein muss her

Ebad Rouhi (Assistenzprofessor für Internationales Recht, Rechtswissenschaftliche Fakultät an der Islamischen Universität Azad, Zweigstelle Sanandadsch, Kurdistan, Iran)

Einleitung

Ursachen und Schäden der jüngsten Überschwemmung im Iran. | Foto: ANFHochwasser ist eine der Naturkatastrophen, die in den meisten Ländern der Welt jährlich Schäden verursachen. Die Ursachen variieren von Land zu Land. Der Iran verfügt über eine enorme Landfläche und unterschiedliche Klimazonen: von warm, trocken, Wüste über kalt und gebirgig bis hin zu gemäßigt und bewaldet. Es ist ein Gebiet mit vielfältigen jährlichen Naturgefahren. Überschwemmungen als Naturkatastrophe haben unterschiedliche Ursachen und führen gewöhnlich zu großen Schäden in den verschiedenen Gegenden des Iran. Die Gründe dafür können menschlicher Natur sein und weitreichende umweltzerstörerische Eingriffe im Namen der gesamtwirtschaftlichen Programme und nationalen Entwicklungspolitik des Landes oder auch durch den zusätzlichen Gebrauch von Ressourcen und Entwicklungsprogrammen ohne Rücksicht auf ökologische Erwägungen. Überschwemmungen können aber auch durch andere Faktoren verursacht werden, wie den Klimawandel und heftige und unvorhersehbare Regenfälle, was im Iran bislang beobachtet werden konnte.

Jedes Jahr gibt es Hochwasserschäden an Bauernhöfen, landwirtschaftlichen Flächen, Straßen, Dämmen und Brücken, was in einigen Fällen zum Tod vieler Menschen und Tiere führt und die Gesellschaftsstruktur beeinträchtigt und humane und finanzielle Verluste nach sich zieht.

Seit März 2019 sind die Menschen in einigen Städten und Regionen des Iran mit einer gewaltigen Flut konfrontiert, die große Schäden an der Infrastruktur und Umwelt verursacht und den Tod vieler Menschen und die Zerstörung ihres Lebensunterhalts zur Folge hat. Diese Hochwasser setzten sich weiter fort und die Schäden sind so immens, dass eine Wiederherstellung und Reparatur nicht so bald möglich und eine Entschädigung der Opfer daher äußerst schwierig ist. Es gibt viele Gründe für die Überschwemmungen im Iran und sie variieren von einer Region des Landes zur anderen. Folglich unterscheiden sich die Auswirkungen und Schäden. Deshalb werden hier zunächst die Überschwemmungen im Iran historisch untersucht und anschließend die jüngste Überschwemmung sowie deren Ursachen und Schäden. Schließlich folgen einige Lösungsvorschläge zur Verhinderung von Überschwemmungen im Iran.

Historischer Überblick

Der Iran liegt in Westasien und grenzt an das Kaspische Meer, den Persischen Golf und den Golf von Oman. Mit über 81 Millionen Einwohnern ist er das achtzehnte der am dichtesten besiedelten Länder der Welt. Seine Fläche umfasst 1.648.195 km² und er ist somit das zweitgrößte Land im Mittleren Osten, weltweit liegt er an siebzehnter Stelle. Im Nordwesten grenzt er an Armenien und die Republik Aserbaidschan, im Norden an das Kaspische Meer, im Nordosten an Turkmenistan, im Osten an Afghanistan und Pakistan, im Süden an den Persischen Golf und den Golf von Oman und im Westen an die Türkei und den Irak. Seine zentrale Lage in Eurasien und Westasien sowie die Nähe zur Straße von Hormus verleihen ihm geostrategische Bedeutung. Teheran ist die Hauptstadt und die größte Stadt und das führende ökonomische und kulturelle Zentrum. Mit elf von dreizehn Klimazonen ist das iranische Klima vielfältig und entlang der kaspischen Küste und der nördlichen Wälder von trocken und halbtrocken bis subtropisch. Am nördlichen Rand des Landes (der kaspischen Küstenebene) fallen die Temperaturen selten unter den Gefrierpunkt und die Gegend bleibt für den Rest des Jahres feucht. Sommertemperaturen überschreiten selten 29° C. Die jährliche Niederschlagsmenge beträgt im östlichen Teil der Ebene 680 mm und im westlichen Teil mehr als 1700 mm.

Im Westen haben die Siedlungen im Zagros-Becken niedrigere Temperaturen, strenge Winter mit unterdurchschnittlichen Tagestemperaturen und starken Schneefällen. Das östliche und das zentrale Becken sind mit weniger als 200 mm Regen trocken und weisen gelegentlich Wüsten auf. Die durchschnittlichen Sommertemperaturen übersteigen selten 38° C. Die Küstenebenen am Persischen Golf und am Golf von Oman im südlichen Iran haben milde Winter und sehr feuchte und heiße Sommer. Der jährliche Niederschlag reicht hier von 135 bis 355 mm.

Im Allgemeinen gibt es im Iran viele Naturgefahren, die sich aus den spezifischen Bedingungen aufgrund geologischer, ökologischer und menschlicher Einflüsse ergeben. Zu den Umweltbelangen zählen Naturgefahren wie Dürren und Überschwemmungen, Staub- und Sandstürme, Erdbeben entlang der Westgrenze und im Nordosten – zu den aktuellen Themen zählen die Luftverschmutzung insbesondere in städtischen Gebieten durch Fahrzeugemissionen, Raffineriebetriebe und industrielle Abwässer; Entwaldung, Wüstenbildung, Ölverschmutzung im Persischen Golf; Verluste von Feuchtgebieten durch Dürre; Qualitätsminderung der Böden (Versalzung), unzureichende Trinkwasserversorgung in einigen Gebieten; Wasserverschmutzung durch ungeklärte Abwässer und Industrieabfälle; Urbanisierung. Neben den oben genannten Bedrohungen ziehen sich Überschwemmungen als Naturgefahren durch die iranische Geschichte. Die Schutzräume in alten Städten neben den Flüssen sind Beispiele dafür.
Entlang des Tals von Haraz sind an manchen Stellen in die Berghänge getriebene Höhlen zu sehen. Diese Höhlen, die in der Vergangenheit menschlicher Lebensraum waren (und sogar noch immer zur Viehhaltung genutzt werden), sind in allen Höhenlagen mehrere hundert Meter vom Flussbett entfernt erkennbar. Es ist klar, dass sich der Grund des Flussbetts im Laufe der Zeit gesenkt hat, aber sicherlich wurden diese Behausungen von Anfang an, obwohl das Wasser für die Menschen leicht erreichbar ist, in größerer Entfernung zum Wasser gebaut. Mit anderen Worten, die Erfahrung oder das Wissen der Menschen lehrte sie vor Hunderten von Jahren, dass ruhiges Wasser manchmal sehr wütend und gefährlich sein kann und dass seine Nähe respektiert werden sollte.

Es gab im Iran in den letzten Jahrzehnten viele zerstörerische Überschwemmungen, die verschiedenste Schäden im Leben der Bevölkerung verursachten.

Die iranische Bevölkerung betrachtete die Hochwasser im Norden des Landes als die katastrophalsten, aber die Überschwemmung auf dem Tadschrisch-Platz in Teheran am 26. Juli 1987 ist aufgrund ihrer Todesopfer die nächstverheerendste im Land. Sie ereignete sich im Norden Teherans aufgrund starker Regenfälle und Überflutungen in den Tälern von Darband und Goladdareh. Was jedoch die Flutschäden noch verschlimmerte, war der Bruch eines weiteren am Goladdareh gebauten Staudamms. Plötzlich floss eine riesige Wassermenge zum Tadschrisch-Platz und zur Schariati-Straße und in die umliegenden Gebiete.

Kurz danach ergoss sich eine riesige Flut des Goladdareh und zerstörte auf ihrem Weg den Damm und beförderte Hunderte Tonnen Schlamm und Geröll von den Flüssen Goladdareh und Dschafarabad zum Tadschrisch-Platz. Auch die Überschwemmungen von Neka und Masuleh in den 90er Jahren, die Kuhdascht-Überschwemmung von Lorestan, die von Qom und Behschahr sowie die Überschwemmungen von Teheran und Ilam vom letzten Jahr führten in den letzten drei Jahrzehnten zum Tod von mehr als 300 Menschen.

Zerstörerische Hochwasser im Iran:

Flut  Jahr   Verstorbene
 Golestan I   2001  über 500 Tote und Vermisste
 Tadschrisch   1987   über 300 Tote und Vermisste
 Neka   1999   über 60 Tote und Vermisste
 Masuleh   1998   57 Tote
 Golestan II   2002   50 Tote
 Teheran & Mazandaran   2015   28 Tote
 Bazaft & Schahrekord   2008   14 Tote
 Ilam   2015   8 Tote
Qom   2009   7 Tote


Die verheerende Flut von Golestan am 11. August 2001, die stärkste Flutkatastrophe des Landes, führte zum Tod und zum Verschwinden von mehr als 500 Menschen. Das Ausmaß der Zerstörung durch die Überschwemmungen ist ausschließlich auf die Vernichtung von Wäldern und Weiden im flussaufwärts gelegenen Einzugsgebiet des Flusses Gorgan, etwa 5000 Quardratkilometer, zurückzuführen. Die Vereinten Nationen erklärten im August 2001, die Überschwemmung in Golestan habe die weltweit höchste Zahl an Flutopfern in jenem Jahr aufgewiesen. In ihrer Folge wurden Tausende Tonnen Ackerboden bewegt und füllten das Reservoir des Golestan-Damms. Zehntausende toter Tiere im Stausee sowie die Ausbreitung der Cholera unter den Hochwasseropfern vervielfachten die Katastrophe. 2002, 2003 und 2005 wiederholte sich die Überschwemmung von Golestan pünktlich zum Jahrestag der ersten Flut und führte zum Tod von mehr als 100 Menschen.

Nach dem starken Regen, der am 19. Januar 2017 im südlichen Teil von Sistan und in der iranischen Provinz Belutschi­stan eingesetzt hatte, traten saisonale Flüsse über die Ufer und anschließend wurden 15 Haupt- und Nebenstraßen in dieser Provinz gesperrt. Etwa 3000 Häuser wurden in den Gebieten Iranschahr, Sarbaz, Nikschahr, Konarak und anderen Regionen beschädigt. Wegen des benachbarten Flusses wurden drei Dörfer komplett evakuiert und wegen des übergelaufenen Kaju-Flusses waren 8000 Einwohner der Dörfer in der Region Saburak nicht zu erreichen.

Am Freitag, dem 14. April 2017, kam es im Nordwesten des Iran zu einer großen Überschwemmung. Nach Angaben der Meteorologischen Organisation betrug der durchschnittliche Niederschlag etwa 40 mm, was als beispiellos für die vorangegangenen 15 Jahre galt. Die Zahl der Opfer betrug 48, die höchsten Verluste wurden aus Adschabaschir und Azarschahr gemeldet.

Ab Donnerstag, dem 10. August 2017, kam es in fünf iranischen Provinzen zu Überschwemmungen. Starke Regenfälle in den Provinzen Golestan, Gilan, Razavi-Chorasan, Nord-Chorasan und Semnan führten zu Überflutungen und zum Tod von 14 Menschen, einer in der Provinz Nord-Chorasan, vier in Golestan und neun in Razavi-Chorasan. In Letzterer und auch in Nord-Chorasan werden vier Menschen vermisst, eine Person starb.

Am Freitag, dem 5. Oktober 2018, setzte erneut heftiger Regen ein. In den Städten der Provinzen Nord-Chorasan, Mazandaran, Golestan und Gilan gab es eine große Flutwelle und durch heftige Regenfälle starben mindestens neun Menschen.

Im Frühjahr 2019 wurden die an den Flüssen Ghareh Sou und Gorganrud gelegenen Städte Gonbad Kawas, Gomischan, Bandar Turkmen und Agh Qala schwer getroffen. Darüber hinaus erlitten die östlichen Städte Mazandaran und Schiraz in Fars schwere finanzielle Verluste und es waren insgesamt 39 Tote zu beklagen.

Die Flut 2019

Im März 2019 wurde der Iran mit einer der zerstörerischsten Überschwemmungen der Gegenwart konfrontiert. Sie ereignete sich aufgrund natürlicher und klimatischer Faktoren wie jahrzehntelanger Dürre und Entwaldung, des Dammbaus und des Gebrauchs von Flussbetten zur Urbanisierung, der landwirtschaftlichen Nutzung und Ölprojekten. Die Flut erfasste 28 Provinzen und etwa 70 Prozent des iranischen Territoriums, am heftigsten Chuzestan, Golestan und Lorestan. Es gab auch viele Verletzungen in den Provinzen Kermanschah, Nord-Chorasan, Mazandaran, Sistan und Belutschistan, Fars, Ilam und Kurdistan.

Die Überschwemmung in Schiraz verursachte überflutete Straßen und Autos in verschiedenen Teilen der Stadt wurden davon eingeholt. Innerhalb von zehn Minuten wurden entlang des Koran-Tores am Anfang der Straße Teheran–Schiraz wegen Starkregens etwa 200 Autos mitgerissen. Das forderte 22 Menschenleben und mehr als 190 Verletzte.

Das Ansteigen des Alvand-Flusses in Sarpol-e Zahab hat zu Problemen im Alltag der örtlichen Einwohner geführt, die seit dem Erdbeben in Kermanschah in Zelten und anderen Behausungen leben. Hier wurde eine Person in einem der Dörfer getötet und am Flussufer bei Harsin am 4. April die Leiche einer anderen Person gefunden.

Als Folge des Dammbruchs und der Überschwemmung in den Dörfern von Arvandkenar starben zwei Kinder im Alter von drei und sechs Jahren im Zentrum Arvandkenars am Qasr-Bach. Das Hochwasser in diesem Gebiet wurde durch die Meeresgezeiten und durch überflutete Flüsse in den Dörfern verursacht. Auch nach der Freisetzung von Stauwasser am Oberlauf des Karun nahm das Volumen dieses Flusses im stromabwärts gelegenen Abschnitt von Chorramschahr in unvorstellbarem Maße zu.

Bei der ersten Flutwelle in Lorestan kamen fünf Menschen ums Leben. Mit Beginn der zweiten Welle am 1. April erlitt die Provinz schwere Verluste wie Erdrutsche und das Versinken von Teilen Horramabads, Maamoulans und Poldochtars. Wenige Tage später bedeckte das Hochwasser die Siedlungen und Dörfer um Poldochtar und die Zahl der Todesopfer in der Provinz stieg auf 15 (fünf Menschen in der ersten Welle und zehn in der zweiten). Lorestan hatte unter den Provinzen des Iran mit etwa 256 Verletzten die höchste Opferzahl.

Die Provinz Ilam erlitt in der letzten Märzwoche mehr Schaden, und am 1. April waren die Telefonverbindungen für Stunden unterbrochen.

Extremregen verursachte in einigen Vierteln von Bandar Abbas Überschwemmungen; als Folge dieses Regens wurde in der Peripherie der Stadt auch das Wasser verunreinigt.

Regenfälle vom Nachmittag des 30. März bis um Mitternacht am 1. April führten zu einer Überflutung des Choskehroud-Flusses in Arak und in der Folge waren mehrere Dörfer am Rande der Feuchtgebiete von Mighan betroffen. Die Überschwemmungen in Arak haben zu schweren finanziellen Schäden für die Bewohner der Städte Arak und Komischan geführt und mehrere Dörfer mussten evakuiert werden.

Ursachen der Überflutung

Obwohl Überschwemmungen als Naturkatastrophen eingestuft werden, treten im Iran mehr dieser Ereignisse auf als natürlicherweise üblich, was auf die unangemessene menschliche Beeinflussung zurückzuführen ist. Die Überschwemmung von 2009 in Qom war nur ein Beispiel dafür. Die Zerstörung von Wäldern und Weiden, das übermäßige Weiden von Vieh oberhalb von Talsperren und das Einbetonieren der dominierenden Flüsse des Landes sind weitere Gründe für die Zunahme der Überschwemmungen im Land. Entwalden, Stauen, bauliche Anlagen in den Flussbetten und Straßenbau in diesen Gebieten gelten als menschliche Eingriffe. Entwaldung und Sedimentablagerungen in Flüssen waren die Ursachen für die jüngsten Überschwemmungen im Nordiran.

Das von trockenen und halbtrockenen Klimabedingungen bestimmte iranische Territorium ist immer in Hochrisikogebiete unterteilt. Die Niederschlagsmenge beträgt weniger als ein Drittel des Weltdurchschnitts. Die zeitliche und räumliche Verteilung der Niederschläge im Lande ist nicht vergleichbar mit anderen Regionen, z. B. gemäßigten. Verschiedene Ursachen führen zu regional unterschiedlichen Überschwemmungen, von denen im Iran die meisten aus den folgenden Gründen auftreten:

1. Natürliche und klimatische Faktoren

Die meisten Niederschläge fallen im Iran im Winter und in den westlichen Regionen auch im Frühjahr. Das Eindringen feuchter Luftmassen im Frühjahr kann zu einer gewaltigen Niederschlagsmenge führen, die der eines ganzen Jahres in einer Region entspricht, z. B. 50 mm während einer Regenzeit in Lorestan. Diese Niederschläge haben nach zwei Jahrzehnten Dürre viele Probleme bereitet.
Das Auftreten von Überschwemmungen, d. h. hoher Niederschlagsmengen über einen kurzen Zeitraum, ist das Ergebnis der Ankunft feuchter Luftmassen aus dem Westen und Südwesten. Überschwemmungen sind die Folge einer plötzlichen Zunahme des Flusswasservolumens aufgrund von Niederschlägen oder anderen unmittelbaren Phänomenen wie plötzlicher Schneeschmelze oder Dammbruch. Die geografischen Bedingungen des Iran, wie hohe Hanglagen, Mangel an Vegetation und Weiden sowie Niederschläge, können die Wahrscheinlichkeit von Überschwemmungen vergrößern. Klimaphänomene wie Niederschläge in Trockengebieten folgen keinem festen Zeitplan und können sich wiederholen. Die Tatsache, dass sie von einer langen Dürreperiode begleitet wird, kann dazu führen, dass Hochwassermanagement und Überraschungsmoment vergessen werden.

2. Menschliche Faktoren

Die meisten Städte im Iran, besonders im Westen und Nordwesten, liegen an Hängen und in Tälern. In flussabwärts gelegenen Gebieten wie Chuzestan, als Schnittpunkt der großen Flüsse im westlichen Teil des Iran, führt das aufgrund des großen Gefälles der Ebene und der geringen Höhe des Gebietes zu einer Umverteilung des Wassers und damit zu Überschwemmungen.

Der Norden des Iran hat eine Niederschlagsmenge von etwa 2000 (in Gilan) bis 450 Millimeter (in Golestan). Aufgrund dessen gibt es in diesen Gebieten Wälder, die im Hinblick auf die Vielfalt der Ökosysteme einzigartig in der Welt sind. Eine der wichtigen Aufgaben dieser Wälder ist die Kontrolle des Oberflächenwassers, das von den Nordhängen des Elburs-Gebirges zum Kaspischen Meer fließt. Nach den Dürren des letzten halben Jahrhunderts wurde der Nordiran von denen besiedelt, die man als Klima-Migranten bezeichnen könnte. Die Zunahme der Bevölkerungszahl in dem Gebiet erhöhte den Bedarf an Wasser und Wohnraum drastisch, so dass ein Teil der Wälder abgeholzt wurde, die Flussufer den städtischen Gebieten angegliedert wurden. Um die nördlichen Städte mit Wasser zu versorgen, begann die Regierung mit dem Bau von Dämmen zwischen dem Elburs-Gebirge und dem Kaspischen Meer.

Aufgrund der genannten Faktoren hat sich die Fläche der nördlichen Wälder von 3,4 auf 1,8 Millionen Quadratmeter verringert. Holzentnahme, Bebauung im Wald und Überweidung im Norden des Iran haben hier zu zahlreichen Überschwemmungen geführt. Golestan hat mehr Überschwemmungen erlebt als die beiden anderen nördlichen Provinzen, Gilan und Mazandaran.

Die wachsende städtische Bevölkerung und damit verbundene umfangreiche Bebauung der Flüsse und der Gebiete mit reguliertem Flussbett führen dazu, dass die Flüsse nicht genügend Platz haben, um das Hochwasser abzuleiten, so dass das Wasser durch die Straßen und Gassen fließt.

Der Dammbau zur Trinkwasser- und Energieversorgung für Landwirtschaft und Industrie, unabhängig von ihren ökologischen Folgen, hat Natur und Menschheit im Iran enorm geschadet. In diesem Zusammenhang können der Uromiyeh-See und der Gavkhoni-Sumpf gesehen werden. Der Dammbau hat die Flüsse und viele Seen (z. B. in Uromiyeh) und Feuchtgebiete tatsächlich seit vielen Jahren ausgetrocknet und aufgegeben.

Baumaßnahmen in Flüssen, das Ausbaggern der Flussbetten und die Zerstörung des natürlichen Gefälles haben den Raum zur Entlastung des Hochwassers eingeschränkt und es in Wohnungen, Geschäfte und Straßen geleitet. Fluss- und Bachbetten schrumpfen später und werden vollständig in Beschlag genommen. Hier werden jetzt urbane Bauten wie Straßen, Wohnhäuser und Tourismusanlagen errichtet. Prominente Beispiele sind die grünen Täler im Norden Teherans wie Ken, Farahzad und so weiter. Das Tal neben dem Koran-Tor in Schiraz wurde aufgefüllt und in einen Boulevard verwandelt; somit wurde dem Wasser der Weg versperrt, was im März 2019 zu Überschwemmungen und großen Schäden führte.

Während der jüngsten Flut in der Provinz Golestan hat der Überlauf von Dämmen dazu geführt, dass große Überschwemmungen in städtische und ländliche Gebiete gelangten. Trotz Vorhersage des iranischen Meteorologischen Instituts hat das Versäumnis, rechtzeitig die Schleusen der Dämme zu öffnen, schwere Schäden in diesen Gebieten verursacht.

Die Staudämme des Iran wurden unter dem Vorwand gebaut, die Wassergeschwindigkeit zu kontrollieren oder Ölprojekte auf niedrigem Niveau zu realisieren (z. B. in Huralazim in Chuzestan), sie verursachten aber tatsächlich Überschwemmungen und Staubstürme als eine der größten Umweltkrisen des Landes. Im November 2015 hieß es in einem Bericht der Zeitung »Shargh«, dass 700 Staudämme im Iran ohne Bedarfsanalyse errichtet worden seien.

Waldboden ist locker und wenn die Bäume gefällt werden und der Wald zerstört wird, verschwindet der Bodenwiderstand und das Erdreich wird leicht über abschüssiges Gelände in die Flüsse geschwemmt. Als Ergebnis dessen steigt die Konzentration der Flusssedimente und das führt zu großen Katastrophen, da das Hochwasservolumen zunimmt und die wildere Wasserströmung Tiefe und Fläche der Überflutungen vergrößert.

Eisenbahnlinien wie die Teheran–Norden und Teheran–Tabriz, die in der Vergangenheit trockengelegt wurden, queren viele Wasserläufe, das heißt, sie wurden beim Bau der Linien mit einer Brücke überbaut, um das Wasser nicht zu blockieren. Doch auf der Strecke Aghghala gab es keine Brücke und das Hochwasser konnte nicht abfließen, so dass die Flut verschärft wurde.

Hochwasserschäden

Das Internationale Rote Kreuz teilte mit, dass zehn Millionen Menschen von den jüngsten Überschwemmungen im Iran betroffen seien und mindestens zwei Millionen von ihnen humanitäre Hilfe benötigten. Der Sprecher der iranischen Krisenmanagementorganisation erklärte, 259 Städte und 5148 Dörfer seien betroffen. Nach Angaben des iranischen Gesundheitsministeriums starben 78 Menschen, 1173 wurden verletzt und etwa 300.000 vertrieben.

Dem stellvertretenden Landwirtschaftsminister des Iran zufolge sind etwa eine Million Hektar bebaute Fläche von Überschwemmungen heimgesucht worden, von denen etwa 55 Prozent zu 25 bis 55 Prozent geschädigt wurden. Etwa 250.000 Hektar landwirtschaftlicher Produktionsfläche und etwa 150.000 Hektar Gartenland seien zerstört und mehr als 6000 Geflügel- und etwa 100 Fischproduktionseinheiten beschädigt.

Der Minister für Straßenbau und Stadtentwicklung des Iran verlautbarte, dass etwa 150.000 Wohneinheiten in Stadt und Dorf beschädigt worden seien, wobei 50.000 Einheiten wieder aufgebaut, 100 Einheiten repariert und restauriert werden müssten. Außerdem seien mehr als 14.000 Kilometer Haupt-, Vorort- und Landstraßen an mehr als 6800 Stellen und über 10.000 technische Bauten beschädigt sowie 725 Brücken vollständig zerstört worden.

Nach Angaben der Medien vom 5. April 2019 starben bei der Flut im April 2019 gut 50 Menschen in den südlichen und westlichen Provinzen: 21 in Schiraz, 3 in Nordchorasan, 2 in Kohgiluyeh und Boyerahmad, 15 in Lorestan, 5 in der Provinz Hamedan, 2 in Kermanschah, 1 in Chuzestan, 1 in der Provinz Semnan und 1 in Razavi-Chorasan. Darüber hinaus starben während der Überschwemmungen in Golestan und Mazandaran 8 bzw. 5 Menschen. Der iranische Innenminister bezifferte die jüngsten Hochwasserschäden im Iran mit 30 bis 35 Billionen iranischen Rial (IRR), 25 Provinzen und mehr als 4400 Dörfer im Land seien überflutet worden. Das Energieministerium teilte mit, dass die jüngste Überschwemmung Schäden an Energieversorgungseinrichtungen in den Bereichen Wasser und Elektrizität von 2100 Milliarden IRR verursacht habe und auch die Stromversorgung von 2352 Dörfern unterbrochen worden sei.

Laut iranischer Rechtsmedizin starben bei den jüngsten Überschwemmungen im Land 76 Menschen.

Präventivmaßnahmen

Es gibt viele Möglichkeiten, Überschwemmungen zu verhindern, die entweder zusammen oder einzeln genutzt werden können. Im Hinblick auf die jüngsten Überschwemmungen im Iran und die Beeinflussung der Umwelt durch den Menschen können diese Lösungen benutzt werden, um Hochwasserschäden zu verhindern oder zu mindern:

  • bessere Hochwasserwarnsysteme einführen;
  • Häuser modifizieren, damit sie Hochwasser standhalten;
  • Feuchtgebiete schützen und Baumpflanzungen strategisch anlegen;
  • Flüsse in ihren natürlichen Verlauf zurückversetzen;
  • Bodenbeschaffenheit verbessern;
  • mehr Hochwasserschutzwände errichten;
  • Bäume anpflanzen und die Anbauflächen um die Dörfer und ländlichen Regionen herum ausweiten;
  • die Zerstörung und das Abholzen von Waldbäumen verhindern und Weideflächen schützen;
  • Warnsysteme einrichten und über Überschwemmungen und deren Erosion öffentlich aufklären;
  • die Landnutzungsregeln ändern und Entwaldung und auch die Veränderung der Waldgebietsnutzung verhindern;
  • freiwillige und professionelle Hilfsgruppen ausbilden;
  • ernsthafte Überprüfung der Bevölkerungs- und Verteilungspolitik;
  • Überprüfung der Anbaumuster unter Berücksichtigung der nationalen Ernährungssicherheit auf Grundlage der Verfügbarkeit regionaler Ressourcen und der wirtschaftlichen Effizienz;
  • Wassernutzungsrechte in allen Bereichen kontrollieren und überwachen;
  • das Wassermanagement verbessern und die Umweltorganisation stärken;
  • die Umweltkultur der Gesellschaft bilden, trainieren und stärken;

Verpflichtung des Staates und der Privatwirtschaft, bei jedem Projekt regelmäßig eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchzuführen.

Fazit

Eine der wichtigsten Lehren, die aus der jüngsten Überschwemmung im Iran gezogen werden kann, ist die Notwendigkeit einer gründlichen Revision des Denkens im Hinblick auf das Instrumentarium für das Wassermanagement und auf die zerstörerischen Auswirkungen menschlicher Eingriffe auf die Vergrößerung des durch Naturgefahren verursachten Schadens, vom Austrocknen von Feuchtgebieten und Seen bis hin zur Staubzunahme aufgrund von geringerer Bodenfeuchtigkeit am Unterlauf von Staudämmen und bis zu Tausenden anderen Gefahren. Die menschlichen Eingriffe haben die Toleranz verschiedener geografischer Regionen erheblich verringert. Als ob die Niederschlagshäufigkeit gering wäre, sind die Dürreeffekte so groß, als habe die Dürre zehn Jahre gedauert. Die jüngste Überschwemmung zeigt uns, dass die Umweltzerstörung durch Abholzung, übermäßige Beweidung, Änderung von Flussverläufen, Siedlungsbau im Flussbett und am Flussufer, Wasseraustausch zwischen Einzugsgebieten, fehlende Umweltverträglichkeitsprüfung für Entwicklungsprojekte, Dammbaupolitik und zunehmende Grundwasserausbeutung alles Leben zerstören und den Lebensraum gefährlich und unsicher machen können.


 Kurdistan Report 204 | Juli/August 2019