Aus Sicht der Völker der Region ist es unserer Ansicht nach unausweichlich, eine Struktur im Rahmen einer »Demokratischen Konföderation des Mittleren Ostens« aufzubauen ...
Der Irak nach den Wahlen
Interview mit Navdar Sînegir, Mitglied des Außenarbeitskomitees der KCK
Am 12. Mai haben im Irak Parlamentswahlen stattgefunden. Als Sieger konnte sich die Liste »Sairun« (Wir marschieren) des schiitischen geistlichen Muqtada al-Sadr durchsetzen. Die Wahlen gelten aber weiter als umstritten. Seit Wochen werden Betrugsvorwürfe laut. Zur Perspektive des Irak und wie die Vorschläge der kurdischen Freiheitsbewegung zur Lösung der anhaltenden Probleme des Landes aussehen, sprachen Berfîn Bagdu und Rojbîn Amed mit Navdar Sînegir, Mitglied des Außenarbeitskomitees der Gemeinschaft der Gesellschaften Kurdistans (KCK), in Behdînan.
Wie bewerten Sie die Wahlen im Irak?
Zuerst einmal ist es für die Demokratie wichtig, dass die Wahlen stattgefunden haben. In einem Land wie dem Irak, das mit derart vielen Problemen konfrontiert ist, verfolgen verständlicherweise alle mit großem Interesse ihren Ausgang. Eines wurde im Rahmen der Wahlen vom 12. Mai dieses Jahres ganz deutlich: Der Irak lässt sich nicht mehr wie früher regieren. Dass die Macht bei nur einer Partei und konfessionellen Gruppe liegt, lässt sich nur noch schwer durchsetzen. Daher ist es für den Irak und die gesamte Region wichtig, dass im neu gewählten Parlament alle Völker, Ethnien, Minderheiten und Glaubensrichtungen repräsentiert werden. Als Bewegung bewerten wir es als wichtig, dass sich viele Parteien und Bündnisse an den Wahlen beteiligt haben. Nichtsdestotrotz muss in den Bewertungen auch berücksichtigt werden, dass die Wahlbeteiligung sehr gering ausfiel. Wir hoffen vor allem, dass die neu zu gründende Regierung eine konstruktive Rolle spielt und auf diesem Weg dem Wahlergebnis gerecht wird.
Die Demokratisierung des Irak ist aus Sicht der Kurdinnen und Kurden ausschlaggebend, dafür trägt insbesondere die Regierung der Autonomen Region Kurdistan eine hohe Verantwortung. Doch in dieser Hinsicht bestehen noch große Unzulänglichkeiten. Die Kurdinnen und Kurden in Südkurdistan haben selbst Probleme mit dem Aufbau eines demokratischen Systems und der Schaffung einer einheitlichen Position untereinander.
Was hat sich im Irak seit den Wahlen verändert?
Es ist wichtig, die Position des irakischen Staates und der bis heute andauernden Art und Weise seiner Führung umfassend zu verstehen und zu analysieren. Wie allseits bekannt, gelangte Saddam Hussein durch einen Putsch an die Macht. Diese Phase, in der der Irak diktatorisch regiert wurde, dauerte 23 Jahre. Die Diktatur sorgte vielleicht dafür, dass die Menschen satt wurden, doch im Namen der Menschlichkeit unternahm sie nichts. Insbesondere Kurden und Schiiten litten sehr unter ihr.
Während seiner gesamten Regierungszeit verwickelte Saddam Hussein die Iraker in Kriege. Auf den acht Jahre dauernden Krieg gegen den Iran folgte 1991 die Besatzung Kuwaits, die sieben Monate dauerte. Durch diese Kriege brachte er die Menschen im Irak in eine sehr schwierige Lage und sorgte damit dafür, dass ihr Unmut wuchs. Durch Krieg und Unterdrückung hielt er sein Regime am Leben. Das hielt bis zur Intervention der USA im Jahr 2003 an. Während seiner Regierungsjahre gewann Saddam mit seiner Baath-Partei alle Wahlen mit teilweise bis zu 100 Prozent der Wählerstimmen. Der Sieg einer anderen Partei war unvorstellbar. Kurz gefasst: Von den Umayyaden bis zu Saddam lag die Macht stets ausschließlich in den Händen der Sunniten.
Trotz des hohen schiitischen und kurdischen Anteils an der Bevölkerung des Irak gestatteten die Sunniten ihnen keine Teilhabe an der Macht. Im Gegenteil, sie versuchten ihre eigene Macht durch kontinuierlichen Druck und durch Massaker zu sichern. Zusätzlich leben auch Turkmenen, Assyrer, Êzîden und die Schabak im Irak. Doch die Autorität und Macht lagen stets in den Händen der Baath-Partei und der Sunniten.
Nach der US-amerikanischen Invasion im Jahr 2003 wurde eine neue Verfassung erarbeitet, auf deren Grundlage zukünftig gewählt wurde. Darin wird der Demokratie viel Wert beigemessen, doch die Krise und Instabilität im Land ließen ihre praktische Umsetzung nicht zu. Mit den aktuellen Wahlen wurde nun das fünfte Parlament seit der US-Intervention gewählt. Die 329 Sitze werden an alle Parteien und Minderheiten vergeben. Unter Berücksichtigung der Situation im Irak ist vorgesehen, dass der Präsident kurdisch, der Ministerpräsident schiitisch und der Parlamentspräsident sunnitisch sein muss. Die Umsetzung all dessen ist bedeutend für die Repräsentation der im Irak lebenden Volksgruppen und Glaubensrichtungen sowie die Demokratisierung des Landes und ist somit notwendig für die Gewährleistung von Stabilität.
Inwiefern unterscheiden sich die Wahlen am 12. Mai von vorangegangenen Wahlen im Irak?
Der entscheidende Unterschied der Wahlen vom 12. Mai sind die Angriffe des Islamischen Staates (IS), die im Jahr 2014 einen massiven Schock und eine tiefgreifende Krise im Irak auslösten. Einer der Gründe für diese Angriffe war die Unfähigkeit der entscheidenden Akteure, das Land zu regieren. Sie konnten stattfinden, da die Politik von konfessionellen Konflikten geprägt war, die sich stetig vertieften. Der IS entstand, indem er von dieser Situation profitierte. Zugleich führten die damaligen Entwicklungen zum Ende der Al-Maliki-Regierung und zur Machtergreifung al-Abadis. Der Kampf gegen den IS ging also mit der Bildung der Al-Abadi-Regierung einher, nach deren Ende Wahlen angesetzt wurden.
Ein entscheidender Unterschied der Wahlen vom 12. Mai ist, dass viele Parteien gemeinsam im Rahmen von Wahlbündnissen antraten. Das ist ein wirkliches Novum. Insgesamt nahmen 25 Parteien und 63 Wahlbündnisse teil. Muqtada al-Sadr, der in weiten Teilen des Irak die meisten Stimmen erhielt, trat gemeinsam mit den Kommunisten an. Der vom Iran unterstützte schiitische Milizionär Hadi al-Amiri wurde an zweiter Stelle gewählt, den dritten Platz belegte Haydar al-Abadi.
Muqtada al-Sadr war gut auf die Wahlen vorbereitet und erhielt insbesondere Unterstützung aus den Kreisen schiitisch-arabischer Nationalisten. Einige Monate vor den Wahlen hatte sich al-Sadr mit dem saudischen Prinzen getroffen. Dieses Treffen spricht für Unterstützung von Seiten der Arabischen Union, die wiederum von den USA aufgebaut wurde. Den Sieg al-Sadrs als etwas Gewöhnliches zu bewerten, wäre falsch. Richtiger wäre es, ihn als ein Konzept für den Irak zu verstehen. Im Rahmen der Wahlen fand kein Kampf zwischen Schiiten und Sunniten bzw. zwischen Schiiten, Sunniten und Kurden statt. Vielmehr kam es zu Konflikten zwischen den schiitischen Kräften.
Ein weiterer beachtenswerter Punkt ist das hohe Interesse der westlichen Mächte und der regionalen Akteure. Sowohl die USA und England als auch Saudi-Arabien und der Iran zeigten großes Interesse an den Wahlen.
Gegen die Wahlergebnisse gab es massiven Widerstand. Besonders intensiv wurde darüber diskutiert, dass zum ersten Mal elektronisch abgestimmt wurde. Es ist beachtlich, dass alle Akteure in den von ihnen kontrollierten Gebieten sehr gute Ergebnisse erzielen konnten, vor allem die Schiiten und Kurden. Einer der Faktoren, welche die Wahlergebnisse besonders stark beeinflussten, war die Wahlbeteiligung. Im gesamten Irak lag die Wahlbeteiligung bei sehr niedrigen 45,2 Prozent. Im Vergleich zu den vorangegangenen Wahlen war sie damit deutlich niedriger. Das muss in den Bewertungen berücksichtigt werden. Nach der US-Intervention konnte keine der Regierungen die Erwartungen und Forderungen der Bevölkerung erfüllen. Das Land befand sich in einem dauerhaften Kriegszustand, der schon zehn Jahre anhält. Jeden Tag sterben Menschen. Die verschiedenen Regierungen fanden keine Lösungen für die ökonomischen und politischen Krisen. Das ist sicherlich auch ein Grund für die niedrige Wahlbeteiligung.
Es gibt einen weiteren wichtigen Aspekt, der sich bei den Wahlen sehr deutlich gezeigt hat: In Südkurdistan (Nordirak) spielen nicht mehr nur zwei Parteien eine Rolle. Betrachtet man die Anzahl und Besonderheiten der Parteien, die zusätzlich zur PDK (Demokratische Partei Kurdistans) und YNK (Patriotische Union Kurdistans) antraten, wird deutlich, dass sich ihr Kampf fortsetzen wird. Allein in Südkurdistan nahmen acht Parteien und politische Bewegungen teil. Das ist ein Novum in der Geschichte des Irak und Südkurdistans. Das wird den Konkurrenzkampf in Südkurdistan in der kommenden Phase beeinflussen.
Wie lässt sich die Haltung der irakischen Zentralregierung gegenüber den Kurden in der Vergangenheit beschreiben? Wie sieht sie heute aus?
Bereits in der Vergangenheit stand die irakische Zentralregierung in Kontakt mit den Kurden. Sie verfolgte stets eine andere Politik als die der Türkei, Syriens oder des Iran, die Kurdistan besetzt halten. Doch sie sprach den Kurden nie ihre verfassungsgemäßen Rechte zu und verweigerte ihnen auch die Anerkennung als eigenständiges Volk, das eine spezifische Region bevölkert. Dadurch wurden den Kurden ihre grundlegendsten Rechte vorenthalten. Die aktuellen Fortschritte, die wir in Südkurdistan sehen, wurden alle unter dem Einsatz großer Mühen und Opfer erkämpft. Massaker wie in Helebce (Halabdscha) sind Teil der südkurdischen Geschichte und wurden nie vergessen. Hunderte Dörfer wurden abgebrannt und entvölkert, Tausende Menschen umgebracht. Mit der US-Intervention im Irak wurde auch die föderalistische Struktur Südkurdistans anerkannt. Doch die irakische Regierung ist nicht zu Schritten bereit, die darüber hinausgehen.
Im Zuge der Angriffe des IS ergaben sich enorme Möglichkeiten in Südkurdistan. Doch der Regierung der Autonomen Region Kurdistan gelang es in dieser Phase weder, ihrer Führungsaufgabe gerecht zu werden, noch die erzielten Gewinne umfassend zu sichern. Aufgrund der anhaltenden Unklarheiten in den »umstrittenen Gebieten« [Anm.: die für ein Referendum über die künftige Zugehörigkeit vorgesehenen Gebiete] gingen die gewonnenen Regionen, insbesondere Kerkûk, kurz nach dem Unabhängigkeitsreferendum vom 25. September 2017 wieder verloren. Diese Wahlen sind für die Regionalregierung nicht nur heute, sondern bereits in der Phase des Referendums vom 25. September bis zum 16. Oktober verlorene Wahlen. Das Ausschlaggebende in dieser Situation ist weder der Gewinn noch der Verlust einiger Abgeordnetensitze, sondern der allgemeine Verlust des politischen Einflusses und der eigenen Position. Die Regierung der Region wurde ihrer Rolle nicht gerecht, da sie falsche und zeitlich unpassende Maßnahmen ergriff. Die irakische Zentralregierung nimmt gegenüber Südkurdistan in etwa die Position ein: »Ja, ihr seid akzeptiert, mit Rechten und Gesetzen, aber mehr geht nicht. Alles, was ihr tut, darf nur so weit gehen, wie wir es wollen.« Das war die Botschaft hinter der Schließung der Flughäfen in Silêmanî und Hewlêr (Erbil) und der Grenzübergänge.
Sind nur äußere Kräfte für die Krise und das Chaos im Irak verantwortlich? Welche Rolle spielen dabei die Regierungen des Irak und der Autonomen Region Kurdistan?
Es gibt viele verschiedene Gründe für die derzeitige Krise im Irak. Doch die entscheidende Verantwortung liegt definitiv bei der Regierung, also den Machthabern. Ein gut regierter Ort wird niemals von einer Krise erfasst. Selbst wenn, dann haben die Folgen nicht derart dramatische Ausmaße wie im Irak. Die geografische Lage des Landes, die Vielfalt seiner Völker und Konfessionen und seine natürlichen Ressourcen bieten zwangsläufig den Nährboden für die Einmischung verschiedenster Akteure. Daher sehen wir immer wieder umfangreiche Interventionen und politische Machtkämpfe von außen und innen. All diese Probleme lassen sich einzig und allein durch ein demokratisches System lösen. Genau hier tut sich der Irak schwer, obwohl er so dringend einer richtigen Umsetzung demokratischer Prinzipien bedarf. Wenn die Demokratie auf der Grundlage der irakischen Verfassung umgesetzt wird, werden auch die Krise und das Chaos im Land enden. Ein demokratisches System wird das Ende der Korruption und die Entwicklung von Gerechtigkeit, Recht und Gesetz bedeuten, wodurch sich viele Probleme auflösen werden.
Auch die Regierung der Autonomen Region Kurdistan spielt eine wichtige und entscheidende Rolle in dem andauernden Chaos und der Krise. Die kurdische Region ist seit langem praktisch führungslos. Das Parlament wurde geradezu beschlagnahmt, arbeitet nicht und auch die Regierung ist nicht funktionsfähig. An einem Ort, an dem das Parlament, also die Mindestanforderung an ein demokratisches System, nicht funktioniert, werden zwangsläufig Chaos und Krisen entstehen. In dieser führungslosen Region gelang es den Machthabern nur, ihre eigenen Kreise zu organisieren und sich materielle Vorteile zu sichern. Dem Volk und der Demokratie leisteten sie jedoch keinerlei Dienste. Zusammen mit grundlegend falschen politischen und zeitlich unpassenden Entscheidungen (z. B. die Beziehungen zur Türkei und das Referendum) kam es zwangsläufig zum Chaos.
Ein weiterer wichtiger Grund für die Krise und das Chaos im Irak ist, dass die Regierung das Land stets in eine Situation versetzte, in der es sehr anfällig für Interventionen und Drohungen von außen war. Das führte an einigen Orten sogar zur Besetzung von Teilen des Irak. Die türkischen Militärbasen innerhalb irakischer Grenzen und in Südkurdistan sind dafür ein Beispiel. Weder die irakische Zentralregierung noch die Regierung der Autonomen Region Kurdistan nehmen zu dieser und ähnlichen Situationen eine entschiedene Haltung ein. Dadurch erwecken sie den Eindruck, der Besatzung praktisch zuzustimmen. Das führt auf Seiten der Völker des Irak verständlicherweise zu Unzufriedenheit. Um die Probleme eines besetzten Landes schnell lösen zu können, müssen erst einmal die Besatzer vertrieben werden.
Was erwartet den Irak nach den Wahlen? Erwarten Sie tiefgreifende Veränderungen?
Als Ergebnis dieser Wahlen erwartet den Irak mit großer Wahrscheinlichkeit eine breit aufgestellte Koalition. Es bleibt abzuwarten, inwieweit die Politik der neuen Regierung der politischen Linie der vorangegangenen Regierung entspricht und welchen politischen Ansatz sie grundsätzlich verfolgen wird. Doch die Partei al-Sadrs, die als stärkste Kraft aus den Wahlen hervorging, verfolgt für den Irak und insbesondere für das Schiitentum mit seinem Zentrum in Nadschaf eine besondere Mission. Sie verfügt über eine eigene Miliz mit ca. 20.000 bewaffneten Kräften. In der Vergangenheit stürmten die Anhänger al-Sadrs viele Male das Parlament, um gegen die grassierende Korruption im Land zu protestieren. Die Beziehungen zu den Nachbarländern des Irak, insbesondere zum Iran und zur Türkei, sind auch ein wichtiges Thema. Wenn wir uns jedoch die Herangehensweise der äußeren Kräfte anschauen, sehen wir, dass jede versucht, eine Regierung nach ihrem Format zu stärken. Insbesondere Vertreter der USA und des Iran trafen sich kurz nach den Wahlen mit vielen politischen Parteien und Gruppen.
Es wäre unrealistisch davon auszugehen, dass die neue Regierung alle Probleme auf einmal lösen wird. Am geschwächtesten gehen die sunnitischen Gruppen aus den Wahlen hervor. Es ist wichtig anzuerkennen, welche Gefahren die unzureichende Repräsentierung der Sunniten im irakischen Parlament für das Land bedeuten kann. Dieses Thema beschäftigt viele Beobachter. Aus Sicht der Kurden ist derzeit fraglich, wie sie in der neuen Regierung und im Parlament vertreten sein werden und ob sie oder eine andere Partei den Präsidenten stellen werden.
Kurz gefasst: Dem Irak stehen schwere Zeiten bevor. Die bestehenden Probleme können nur durch ein stabiles Parlament und eine breit aufgestellte Regierungskoalition gelöst werden. Da Muqtada al Sadr selbst kein Abgeordneter ist, kann er auch nur schwer Premierminister werden. Sein Bündnis wird nicht nur bei der Bildung einer neuen Regierung, sondern auch im Parlament eine wichtige Rolle bei der Entscheidungsfindung spielen. Es ist wichtig, dass in einer breiten Regierungskoalition alle Gruppen vertreten sind. Für eine stabile Regierung bedarf es 165 Abgeordneter. In der jetzigen Situation ist diese Zahl nur durch eine breit aufgestellte Koalition erreichbar, daher ist davon auszugehen, dass Vertreter aller Gruppen in der neuen Regierung vertreten sein werden. Die neu zu gründende Regierung wird es sich zur Aufgabe machen, im gesamten Irak ihren Einfluss zu sichern. In diesem Zusammenhang besteht somit gleichzeitig auch Potential für große Konflikte.
In der Region tobt ein Krieg, der auch als Dritter Weltkrieg bezeichnet wird. Im Irak und Syrien dauert dieser Krieg noch immer an. Seit dem Amtsantritt von Trump wird auch der Iran zunehmend zum Ziel. Im Falle einer Intervention der USA im Iran wäre auch eine Intensivierung des Krieges und der Krise im Irak unausweichlich. In einem solchen Falle würden sowohl die irakische Zentralregierung als auch die Regierung der Autonomen Region Kurdistan mit großen Problemen konfrontiert werden.
Hat die PKK Vorschläge für die Lösung der Probleme im Irak?
Die PKK kämpft für alle Völker, die im Mittleren Osten leben, und verfolgt die Absicht, mit ihnen gemeinsam einen Kampf für Demokratie zu führen. Der irakische Staat ist ein wichtiger Akteur im Mittleren Osten, auch deshalb unterstützen wir die Verteidigung des föderalen Systems dort. Es ist wichtig anzuerkennen, dass die PKK die wichtigste Kraft war, die gegen die Angriffe des IS im Irak aktiv wurde. In Şengal, Kerkûk und Mexmûr führte die PKK einen entschlossenen und sehr erfolgreichen Kampf, insbesondere wurden die Angriffe auf die Êzîden verhindert. Mit diesem Einsatz verteidigte die PKK nicht nur die Kurden, sondern alle Volksgruppen und Glaubensrichtungen im Irak.
Die irakische Verfassung spricht allen Selbstverwaltungen, autonomen Strukturen und Minderheiten das Recht auf Selbstverteidigung zu. Als Bewegung verfolgen wir ein Projekt, das allen Völkern, Minderheiten und Glaubensrichtungen erlaubt, ihre eigenen Selbstverwaltungssysteme aufzubauen, um sich im Falle eines Angriffes selbst verteidigen zu können. Es geht uns also darum, allen Völkern die Möglichkeit zu bieten, in Freiheit und Demokratie zu leben. Die PKK führt den Kampf für dieses Projekt nicht, um materielle Vorteile daraus zu ziehen. Das bringen die Êzîden offen zur Sprache: »Die PKK kam mit ihren Rucksäcken auf dem Rücken und so ist sie auch wieder gegangen. Nur ihre Gefallenen ließen sie uns zurück.« Es ist sehr wichtig zu verstehen, dass sie nicht für persönliche Profite kamen, sondern um das Volk und die Menschlichkeit zu verteidigen. Aus Sicht der Völker der Region, einschließlich des Irak, ist es unserer Ansicht nach unausweichlich, eine Struktur im Rahmen einer »Demokratischen Konföderation des Mittleren Ostens« aufzubauen, so wie sie von Abdullah Öcalan vorgeschlagen wurde. Dadurch können Stabilität und Ruhe in der gesamten Region geschaffen werden. Alle anderen Lösungsvorschläge wurden ausprobiert, führten jedoch nur zu Chaos und zur derzeitigen Krise.
Kurdistan Report 198 | Juli/August 2018