Widerstand in der Hölle

Juli 14

Filmbesprechung von Diljin

Man nannte es auch »die Hölle von Diyarbakır« oder »Hölle Nr. 5«: Das Gefängnis in Amed (Diyarbakır), auf Türkisch Diyarbakır Cezaevi, auf Kurdisch Zîndana Amedê, ist der Dreh- und Angelpunkt des Films »Juli 14«, wo die brutalen Foltermethoden gegen die kurdischen politischen Insassen im Jahr 1982 Anwendung fanden. Im Zuge dessen begann das sogenannte »Todesfasten« der Häftlinge, die in Form eines Hungerstreiks gegen die unmenschlichen Haftbedingungen protestierten und Widerstand leisteten.14. Juli | 14 Temmuz

»Jeder, der kurdisch spricht, wird bestraft. Jeder, der sich der kurdischen Identität annimmt, wird bestraft. Wir werden euch noch von Kopf bis Fuß zu richtigen Türken machen!«, in etwa so klingt in diesem Film die Begrüßung der neuen Häftlinge durch die Wärter in den Gefängnistrakten Ameds. Nach dem Militärputsch 1980 weht ein grausamer Sturm der Unterdrückung und Verfolgung durch die Türkei und unzählige Kurden, die noch immer für ihr Recht auf Leben und Freiheit revoltieren, werden festgenommen. Sie werden Zeugen einer Reihe barbarischer und erbarmungsloser Abläufe an Gewalt, Torturen, Misshandlungen und Erniedrigungen, um sie systematisch ihrer kurdischen Ideologie und Gesinnung zu entwurzeln, ihren unermesslichen Kampf um die Bewahrung ihrer ethnischen Identität zu zerschlagen und sie mit zwangs­assimilierenden Maßnahmen wie dem Verbot ihrer Sprache nach türkischem Nationalbild zu formen. Viele geben auf, aber einige wehren sich, so zum Beispiel die Gefangenen Mazlum Doğan, Kemal Pir, Mehmet Hayri Durmuş, Ali Çiçek und Akif Yılmaz. Vor dem türkischen Gericht scheitern sie mit ihren Erklärungen und Bedingungen und so entscheiden sie sich am 14. Juli 1982 für einen Hungerstreik, nicht nur, um die Zustände in den Gefängnissen anzuprangern, sondern auch, um ein revolutionäres Zeichen zu setzen an die Dörfer, die Städte und über das ganze Land und die linken Bewegungen und Massen aufs Neue zum Kampf gegen das Unterdrückungsregime der Türkei anzufeuern.

Das Filmbild ist sehr düster gehalten, grau-dunkelgrün. Die Nahperspektive der Wärter versetzt den Zuschauer in die Position eines Häftlings, wie er bedroht, beleidigt, angebrüllt oder sogar auch geschlagen wird. Der Film ist ebenfalls sehr realitätsnah und wirkt thematisch nicht gespreizt oder gekünstelt. Man hat nicht das Gefühl, es spiele ein klischeehafter Hollywood-Streifen, der sich bewusst nur an die Emotionen und Empfindungen des Zuschauers richtet. In der Tat ist der Film äußerst nervenzerreißend, schon fast »unerträglich anzusehen«, weil die Brutalität nicht zensiert oder verharmlost wird. Sie löst häufig Trauer aus und die Tränen sind nur schwer zurückzuhalten. Auch die beinahe realitätsgetreue Darstellung der Protagonisten in den Gefängnistrakten erweitert die bis dato nur entferntesten Vorstellungen von den Geschehnissen im Gefängnis von Amed.

Zeitlich passender hätte der Film nicht produziert und fertiggestellt werden können: Gerade in dieser schweren Phase, in der die in der Türkei lebenden Minderheiten wie die Kurden in ihren Heimstätten erneut gewaltsame Repressalien durch das AKP-Regime erleiden und der revolutionäre Geist dadurch immer wieder bedroht scheint zu erliegen, sendet uns »Juli 14« eine bedeutende und wichtige Botschaft. Dass der Aufstand nämlich nicht ausbleiben darf, solange der Zustand anhält. Und in Zusammenhang mit der immer weiter voranschreitenden Entdemokratisierung des Staates, hin zum Wandel zu einer Diktatur Recep Tayyip Erdoğans, und der Verfolgung und Unterdrückung der Minderheiten in der Türkei stellen wir fest, dass sich auch nach diesen Ereignissen vom 14. Juli 1982 nicht viel verändert hat, im Gegenteil: Es wird schlimmer.

Orginaltitel: 14 Temmuz (14 Tirmeh)
Regie: Haşim Aydemir;
Drehbuch: Metin Ewr, İlham Bakır, Mehmet Emin Engizek;
Produktion: Multimedia, Yapim 13, Türkei/Kurdistan 2017, 140 min, mit Untertiteln