Die Freiheitsbewegung Kurdistans zum G20-Gipfel im Juli in Hamburg

Gegen die Kriege, die sie führen, den Frieden organisieren!

NAV-DEM – Demokratisches Gesellschaftszentrum der KurdInnen in Deutschland

NAV-DEMIm Juli treffen sich die 19 wirtschaftsstärksten Nationalstaaten und die EU zum sogenannten G20-Gipfel in Hamburg (07./08.07.2017). Bereits seit Monaten bereiten linke bis demokratische Organisationen und soziale Bewegungen Proteste gegen das Treffen vor.
Auch die Freiheitsbewegung Kurdistans hat den Gipfel auf ihre Tagesordnung gesetzt. In einem gemeinsamen Aufruf stellen NAV-DEM, Cenî, YXK, ISKU und die Kampagne TATORT Kurdistan ihre Perspektive dar; u. a. heißt es:

»Für uns steht fest, dass die Nationalstaaten keine Bezugspunkte für uns sein können und ihre Regierungen nicht unsere Repräsentantinnen. Darum wollen wir zu den G20-Protesten keine weiteren Forderungen mehr an sie richten. Stattdessen werden wir ... mit den sozialen und politischen Bewegungen und Aktivist*innen sowie Menschen aus den Gesellschaften unsere Ideen und Hoffnungen teilen und diskutieren. Gegen die Unterdrückung der Herrschenden sowie die Hegemonie der Kapitalistischen Moderne kann es nur eine Antwort geben: sich organisieren und einen tagtäglichen Widerstand gegen das System leisten. Einem System, aufbauend auf Patriarchat, Staat, Macht und Gewalt, stellen wir unsere Ideen eines geschlechterbefreiten, selbstbestimmten und freien Lebens entgegen, den Demokratischen Konföderalismus.«

Eine so klare Positionierung der Bewegung zu einem Treffen von Regierungen in Europa hat es in den letzten Jahren nicht gegeben.

Den Aufrufenden ist es wichtig, in den vielfältigen Protesten mit einer erkennbaren Politik und eigenen Inhalten aufzutreten. Die eigenen Perspektiven werden sichtbar gemacht und zur Diskussion gestellt. Viele Begrifflichkeiten aus den Diskursen und Theorien der Bewegung finden Verwendung und regen zum Nachfragen an.

G20 wird nicht als Event begriffen, das nur einmal im Jahr stattfindet. G20 ist ein Ausdruck der Politik und des Systems der herrschenden kapitalistischen Moderne. Aktuell forcieren die G20 eine Politik, mit der die Krise des Kapitalismus auf Kosten der Gesellschaften ausgetragen wird. Der Ausnahmezustand soll zur Normalität der Gesellschaften werden.

Die Situation in Kurdistan und der Türkei ist dafür nicht nur ein Beispiel, sondern geradezu Modell. Dem AKP-Regime wird bei seinem Krieg gegen die Gesellschaften der Region nicht nur freie Hand gelassen, es wird sogar durch die westlichen kapitalistischen Staaten dabei unterstützt. Deutlicher Ausdruck ist die erneute faktische Ausweitung des PKK-Verbots in der BRD, durch die jetzt auch Symbole der YPJ/YPG, die am effektivsten gegen den IS kämpfen, auf Versammlungen verboten werden. Die Zusammenarbeit ist eng, besteht schon weit länger als der EU-Türkei-Deal und richtet sich direkt gegen die Gesellschaften. Diesen wird ein permanenter Kriegszustand aufgezwungen.

Da die Regierungen der Nationalstaaten diejenigen sind, die die kapitalistische Moderne gestalten und von ihr profitieren, sind sie Teil der Probleme der Gesellschaften und nicht Teil ihrer Lösungen.

Mit diesem Bewusstsein wollen NAV-DEM, die Jugend- und die Frauenbewegung die Proteste gegen den G20-Gipfel als Plattform für Begegnung und Austausch mit anderen Bewegungen, Organisationen und AktivistInnen nutzen. Die Konferenz »Kapitalistische Moderne herausfordern III«, die vom 14. bis 16.04.2017 in Hamburg stattgefunden hat (http://networkaq.net/), verstanden die VeranstalterInnen ebenso als einen Ort des Zusammenkommens wie den Alternativgipfel, die Protest-Camps und die Aktionen auf den Straßen im Juli.

Der sogenannte Alternativgipfel »Gipfel für globale Solidarität« wird in den Tagen vor dem Treffen der G20 stattfinden (05./06.07.2017, http://solidarity-summit.org). Salîh Muslîm, Kovorsitzender der Partei der Demokratischen Einheit PYD aus Syrien, wird auf dem Podium der zentralen Abendveranstaltung zum Thema »Alternativen zur Politik der G20-Regierungen auf der lokalen, nationalen, europäischen und globalen Ebene« mitdiskutieren. Verschiedene Themen rund um die kurdische Frage und Perspektiven der Freiheitsbewegung Kurdistans werden in mehreren Workshops und Ausstellungen behandelt werden.

Die Jugendbewegung Kurdistans plant auf einem der Protest-Camps ein eigenes Barrio zu organisieren: das Camp Şehîd Dilsoz; benannt nach Dilsoz Bahar, einem am 06.07.2015 in Rojava gefallenen internationalistischen Jugendlichen aus Karlsruhe. Das Camp soll ebenfalls ein Ort der Begegnung werden, an dem ein kommunales Leben mit Kollektivität, revolutionärer Kultur und inhaltlicher Auseinandersetzung gelebt werden soll. Während die Jugendbewegung eine internationale Jugend-Resolution gegen G20 vorbereitet, ist sie in Hamburg vor Ort Teil des Bündnisses »Jugend gegen G20«, das u. a. einen lokalen Schul- und Uni-Streik während der G20-Proteste plant.

Gängeviertel in Hamburg grüßt DemonstrationDie Proteste enden mit der internationalen Großdemonstration »Grenzenlose Solidarität statt G20« am Samstag (08.07.2017, http://g20-demo.de). Auf deren Abschlusskundgebung wird erneut Salîh Muslîm einen Redebeitrag halten. NAV-DEM hat sich vorgenommen, die eigenen Strukturen zu mobilisieren und mit der Jugend- und der Frauenbewegung auf der Demonstration den Demoblock »Berxwedan jiyane!« (»Widerstand ist Leben!«) zu stellen. Alle solidarischen Organisationen und AktivistInnen sind eingeladen, gemeinsam in diesem Block zu laufen.

Wird der Aufruf der Bewegung allerdings ernst genommen, beschränkt er sich nicht auf die G20-Proteste im Juli:

»Wir wollen die Alternative zur Kapitalistischen Moderne, die Demokratische Moderne, selbst sein: mit unseren Protesten gegen G20, mit unseren Konferenzen und eigenen Gipfeln, mit unserem Aufbau der Demokratischen Autonomie – einer langfristigen lokalen, regionalen und globalen Organisierung, die über das Zusammenkommen zu einem Event weit hinausgeht.«

Alle solidarischen Menschen werden eingeladen, Teil von diesem Aufbruch zu sein. Er beginnt bereits heute, nicht nur in Kurdistan, sondern auch in den zahlreichen Vereinen, Organisationen und Volks-, Frauen- oder Jugendräten in den einzelnen Städten Europas. Zahlreiche Büros und Institutionen, aber auch Solidaritätsstrukturen sind ansprechbar und offen für Fragen, falls es noch schwerfällt, immer den richtigen Kontakt vor Ort herzustellen.

Weil der Widerstand gegen die G20 und ihre kapitalistische Moderne nur gemeinsam geführt werden kann, weil der Aufbau der Demokratischen Autonomie und die Entfaltung der Demokratischen Moderne nur gemeinsam gelingen kann, liegt es an den Bewegungen und AktivistInnen, aufeinander zuzugehen und sich die Orte der Begegnung zu schaffen.