nur online | Ein Kommentar zum 39. Jahr des Bestehens der PKK

Die ins 39. Jahr eintretende PKK verfügt über eine unbesiegbare Linie

Mustafa Karasu, Mitglied des Exekutivrats der Gemeinschaft der Gesellschaften Kurdistans KCK

Am Jahrestag der Gründung der PKK möchte ich zuallererst in den Personen Haki Karer, Hayri Durmuş, Kemal Pir, Sakine Cansız, Akif Yılmaz, Ali Çiçek, Ferhat Kurtay und Mahsum Korkmaz mit Verbundenheit und Respekt all unserer Märtyrer gedenken.

Seit der offiziellen Gründung, dem ersten Kongress der PKK sind 38 Jahre vergangen. Die apoistische Gruppe entstand im Jahr 1973 mit dem Treffen am Staudamm Çubuk (in Ankara). Nicht nur die jüngere Geschichte Kurdistans, auch die der Türkei und des Mittleren Ostens ist vom Auftritt der PKK auf der Bühne der Geschichte und ihren 43-jährigen Kampf bestimmt. Die PKK bestimmt weiterhin die Entwicklungen in Kurdistan, der Türkei und im Mittleren Osten.

We are all PKK | Demonstration in Stockholm am 28.11.2016 | Foto: ANFIn einer Geographie wie dem Mittlerem Osten, wo die ersten Staaten und Ausbeuterklassen entstanden waren, die Frau zum ersten Mal versklavt worden war und sich die ersten Ausbeuterherrschaften realisiert hatten, trat die PKK als umfassendste historische Tendenz zur Freiheit auf die Bühne der Geschichte. So wie hier die ersten Staaten, die ersten Ausbeuterklassen, die erste Unterdrückung der Frau und die erste Kolonialisierung aufgetreten waren, so realisierten sich hier auch die erste und längste Gesellschaftlichkeit, das systematisierteste Leben ohne Ausbeutung und Unterdrückung, die Gesellschaftlichkeit mit der Dominanz der Frau und die ersten Widerstände gegen die Kolonialherrschaft. Der Apoismus und der Schritt der PKK auf die Bühne der Geschichte entwickelten sich aus der Gesellschaftlichkeit, die von der Frau geprägt wurde, sowie gegen Unterdrückung und Kolonialismus, es sind die Wurzeln des Widerstands, den die Völker seit dem Anfang der Geschichte gegen Kolonialherrschaft führen. In den historischen Wurzeln der PKK sind die gesellschaftlichen Werte der ersten Sklavenaufstände der Mazdakiten, Churramiten, Qarmaten, Ismailiten, der Babai und aller Glaubensrichtungen und Religionen wie Recht, Gerechtigkeit, Gleichheit, Freiheit und Unabhängigkeit enthalten. Die PKK ist auf die Bühne der Geschichte getreten über die Konkretisierung der moralischen, ethischen und gesellschaftlichen Werte all dieser gesellschaftlichen Bewegungen in sich selbst. An diesem großen Durchbruch hatten die intensiv gelebte Gesellschaftlichkeit in der Geschichte Kurdistans und die dadurch geschaffenen Werte großen Anteil. Die PKK ist eine aus den Werten aller Völker und Gesellschaften des Mittleren Ostens geschaffene gesellschaftliche Freiheitstendenz. Auch wenn sie bei ihrem Erscheinen in der Geschichte ohne Zweifel von dem in den 1970ern aufsteigenden Stern, dem Realsozialismus, beeinflusst wurde und dieser sozialistischen Tendenz bedeutende Werte entnommen hat, wurde die Gesellschaftlichkeit, also der sozialistische Charakter der PKK, tatsächlich von den gesellschaftlichen und widerständischen Werten des Mittleren Ostens und den Werten des sozialistischen Widerstands der kurdischen Gesellschaft bestimmt. Sicher ist, dass der Apoismus und die PKK eine revolutionäre Bewegung sind, die aus allen im Mittleren Osten existierenden gesellschaftlichen Werten hervorgegangen ist. Gegen die Fülle der despotischen Tradition im Mittleren Osten ist sie, gestützt auf die Kraft der gelebten Gesellschaftlichkeit in diesem Umfeld, zur Vertreterin der Freiheitssehnsüchte der Völker des Mittleren Ostens geworden, die diese seit Anbeginn der Geschichte hegen. Konkreter, die PKK ist die Vertreterin der Sehnsucht nach Freiheit, Demokratie und Sozialismus eines Volkes geworden, das historisch mit Unterdrückung und Besatzung konfrontiert ist und in den 1970ern mit einem Genozid ausradiert werden sollte.

Idee, Ideologie und Glaube

In der Geschichte des Mittleren Ostens hat es immer Völker und Bewegungen gegeben, die sich mit ihren Werten des Rechts, der Gerechtigkeit, Gleichheit und Freiheit gegen den Despotismus und die Tyrannei erhoben und kämpften. Doch die PKK demonstriert seit ihrem Erscheinen, dass sie ganz anders ist. Insbesondere die Persönlichkeit, die Verhaltensweise und die Art des Anführers Apo haben das Ausmaß der Andersartigkeit dieser Bewegung verdeutlicht. Dass sich der volkstümliche und der revolutionäre Charakter dieser Bewegung auf höchstem Niveau vereinigen, ist bei dieser Führung erkennbar. Diese Führung hat die Grausamkeit und Ungerechtigkeit dieser Welt und die damit einhergehende Gesellschaftlichkeit und Persönlichkeit von Anfang an abgelehnt. Sie hat sich als dazu gegensätzliche Persönlichkeit und Bewegung herausgebildet.

Bei ihrem ersten Auftreten zogen die Apoisten mit ihrer Haltung gegen den genozidalen kolonialistischen türkischen Staat die politische Aufmerksamkeit auf sich und die Gesellschaft versammelte sich in kürzester Zeit um diese Bewegung, die sie als eine andersartige, ihr nahestehende Gruppe betrachtete. Die unerwartet schnelle Entwicklung der PKK in Kurdistan vollzog sich vor allem aufgrund ihres volkstümlichen Charakters. Die Gesellschaft schaute mehr darauf, wie deren Mitglieder lebten und was sie taten, als darauf, was sie sagten. Die PKK hat vor allem wegen ihres der sozialistischen Mentalität angemessenen gesellschaftlichen Lebens gewonnen. Dieser Charakter zeigte gleichzeitig, dass eine dem Mittleren Osten entsprechende politische Bewegung entstanden war. Das Wichtigste, das die PKK bei ihrem Auftreten deutlich machte, war die Betonung der Idee, der Ideologie und des Glaubens als entscheidende Kriterien. Wenn dabei nicht gewonnen werde, gäbe es keinen Erfolg. Der Anführer Apo betonte, dass die Kurden immer einer Herrschaft unterstanden hätten, weil sie keine Vorstellungen von der historischen und politischen Situation gehabt hätten. Deshalb erläuterte er mit seinen historisch fundierten Gesellschaftsanalysen, dass es einen ideologischen Ansatz und eine Denkstruktur brauche, welche die Kurden zu einem freien und demokratischen Leben führe.

Während der Anführer Apo die Tiefe des Denkens in Kurdistan und den entsprechenden Erfolg erörterte, stellte er fest: »Grundlegende Essenz meines theoretischen Ansatzes ist mein Verständnis von einem System außerhalb staatlicher Macht, das ich als demokratische und ökologische Gesellschaft zu entwickeln versuche. Es ist die Essenz meiner theoretischen Perspektive, nicht nur außerhalb des Machtverständnisses des kapitalistischen Systems, sondern außerhalb klassischer hierarchischer und staatlicher Mächte aller staatlichen Gesellschaften nach einer Lösung zu suchen. Ich sehe es als bedeutendste Errungenschaft meines Kampfes, dass dieser Ansatz nicht utopisch ist, sondern ein der gesellschaftlichen Realität äußerst verbundener theoretischer Ansatz. Neben der Rolle meiner persönlichen und gesellschaftlichen Grundlagen zum Erreichen dieser theoretischen Kraft ist der Hauptfaktor dafür mein Verstehen der historischen Gesellschaft innerhalb ihrer gesamten systematischen Struktur. Meinem Verständnis liegen wiederum die Besonderheiten meines erlebten Kampfes zugrunde und mein Erfolg, Verantwortung zu tragen.«

Die Realität der Genossenschaft

Die PKK entstand nicht nur als eine Partei mit politischem Programm. Zuallererst ist sie eine Gemeinschaft geworden, die sich für ein Ziel vereint hat. Eine parteiliche Gesellschaftlichkeit, basierend auf der Realität der Genossenschaft, ist die Hauptkraft der PKK geworden. Die kurdische Führungspersönlichkeit, die die entstandene Beziehung zwischen Kadern als Beziehung von Wahrheit wertet, betrachtet das Parteibewusstsein, die Genossenschaftsbeziehung und das darauf basierende Parteileben als enorm wichtig. Deshalb sagt er: »Mit allem kann man spielen, aber ich lasse nicht zu, dass ihr mit der Partei spielt!«, und er betont den Wert, den er einer auf Organisierung der Gedanken und Wahrheit basierenden Partei beimisst. Das ist gleichzeitig die bestechendste Konkretisierung des existierenden Charakters aller gesellschaftlichen und politischen Institutionen in der Geschichte des Mittleren Ostens in der Realität der PKK geworden.

Wenn sich die PKK gegen die heftigsten faschistischen Angriffe in der Türkei behaupten konnte, beruht dies auf dieser Realität. Sonst wäre sie auch in der Phase des 12.-September-Faschismus, im schmutzigen Krieg der 1990er, in der Phase der liquidatorischen Provokation, die ihr nach dem internationalen Komplott 1998/99 aufgezwungen worden war, und angesichts des Spezialkriegs der AKP liquidiert worden. Doch nach jedem Krieg hat sie ihre Entwicklung noch gestärkter fortgesetzt. Das war immer die Kampfdialektik der PKK. Mit dem Standhalten gegen die Angriffe entstanden neue Entwicklungen und Phasen der Stärkung.

Der türkische Spezialkrieg kann so viel Propaganda über eine Schwächung der PKK verbreiten wie er will – sie ist gestärkt aus Angriffen hervorgegangen und hat eine Kraft und Wirkung erreicht, die im gesamten Mittleren Osten politischen Einfluss hat und für die kurdische Gesellschaft in allen Teilen Kurdistans zu einem freien und demokratischen Leben führen wird. Denn die PKK ist eine Partei, die nicht nur für Nordkurdistan oder die Türkei, sondern für die Probleme des gesamten Mittleren Ostens eine passende Lösung vorschlägt. Der Anführer Apo ist heute nicht nur für die kurdische Gesellschaft, sondern für alle Völker des Mittleren Ostens in der Position eines ideologischen und politischen Anführers. Denn alle gesellschaftlichen und politischen Probleme könnten mit der Linie dieser Führung gelöst werden.

Analyse und Lösung

Zweifellos wird die PKK gegen die genozidale Politik des türkischen Staates zum Schutz der kurdischen Existenz und zur Gewährleistung des freien Lebens auch einen bewaffneten Kampf führen. Denn das ist sowohl zum Schutz der Existenz der kurdischen Gesellschaft als auch zur Verteidigung der ideologischen und politischen Organisierung notwendig, die das freie und demokratische Leben der kurdischen Gesellschaft gewährleisten wird. Solange der türkische Staat nicht von seiner genozidalen kolonialistischen Politik abrückt, wird der Guerillakampf zur Selbstverteidigung anhalten. Doch die eigentliche Kraft der PKK sind ihre Ideologie, ihr Parteileben und ihre für die Gesellschaft vorgesehenen Lösungen. Deshalb wird ihre Liquidation trotz so vieler schwerer militärischer Angriffe und so starker Unterdrückung sehr schwer werden. Denn ideologisch und organisatorisch verfügt sie über eine unbesiegbare Linie. Weil sie einen besonders rechtmäßigen Kampf führt wie den für die Freiheit der kurdischen Gesellschaft, ist ihre Chance zu siegen immer sehr groß. So hat sie aufgrund dieses Charakters bislang immer gewonnen.

Mit dem Eintritt in ihr 39. Jahr ist die PKK zu einer grundlegenden ideologischen und politischen Linie im Mittleren Osten geworden. Weder die Kräfte von außerhalb noch die regionalen Kräfte können ein Lösungsfaktor für die Probleme im Mittleren Osten werden. Jede ihrer Interventionen, der Gebrauch von noch größerer militärischer Stärke vertieft die Probleme, anstatt sie zu lösen. Die ideologische und politische Linie der PKK wird überall, wohin sie sich begibt, zu einer Hoffnung für die Gesellschaft. Wenn die PKK angesichts der schweren Angriffe auf sich ihre Existenz schützt, wird diese Hoffnung in kürzester Zeit realisiert und als ideologische und politische Linie für alle Probleme der Gesellschaft eine Lösung finden.

In jeder Phase der Geschichte waren es immer die Gesellschaften mit einer intellektuellen Dominanz, die aufstiegen und der Geschichte ihren Stempel aufdrückten. Heute sind die Kurden im Mittleren Osten mit ihren freien und demokratischen Lebensprojekten und Ideen zu einem aufsteigenden Faktor geworden. Sie werden mit ihrem freiheitlichen Demokratieansatz die aufstrebende Gesellschaft des 21. Jahrhunderts sein. Denn eine mentale Kraft wie die des Anführers Apo und eine organisierte Wahrheitskraft wie die PKK werden die Kurden im Mittleren Osten zu Vorreitern der sozialistischen freiheitlichen Demokratie machen. Auch wenn die AKP-Macht mit ihren Angriffen und ihren Bündnissen mit kollaborierenden Kurden und der regionalen Reaktion den Aufstieg der PKK und der Kurden zu verhindern sucht, wird sie wie immer verlieren – die einen historischen Widerstand leistende PKK und die kurdische Gesellschaft werden gewinnen.


Mustafa Karasu, Mitbegründer der Arbeiterpartei Kurdistan PKK, Mitglied des Exekutivrats der Gemeinschaft der Gesellschaften Kurdistans KCK.