Nur digital | Ist EUTELSAT Europa-Vertreter des türkischen Staates?

EUTELSAT ist ein hungriger Konzern ...

Ferda Çetin, Yeni Özgür Politika, 17.10.2016

Im September 2014 ließ die AKP-Regierung das Staatssekretariat für innere Sicherheit eine »Kriegssimulation« bzw. einen »Aktionsplan« erarbeiten. Beteiligt an der Erstellung waren die Armee, der türkische Geheimdienst MIT, die Polizeidirektion und die AKP.

Der Plan sah vor, Städte in Kurdistan, in denen das Bewusstsein über die kurdische Identität besonders verankert ist, in Kriegsschauplätze zu verwandeln. Die Bevölkerung sollte mit massiven Bombardierungen und Zerstörung der Infrastruktur vertrieben und in den so entvölkerten Gebieten Flüchtlinge aus Syrien und dem Irak, in erster Linie »Auslandstürken«, angesiedelt werden. Die demographische Zusammensetzung Kurdistans sollte so verändert werden.

Weitere Teile des Plans betrafen Strategien der Assimilation und Verleugnung. Um diese Ziele umzusetzen, musste entsprechend der Parole »eine Nation, eine Sprache, eine Religion, eine Fahne« die Vielfalt der Medienlandschaft ausgeschaltet werden. So wurden unabhängige, liberale und oppositionelle Medien verboten, Journalistinnen und Journalisten verhaftet.

Neben der Schließung von Medienorganen wie Özgür Gündem, Evrensel, DİHA, İMC, Hayat TV und TV 10, die in der Türkei erschienen, war auch die Schließung kurdischer TV-Sender, die im Ausland senden, beschlossener Teil des Plans. Damit sollte eine Berichterstattung über das brutale Vorgehen des türkischen Staates verhindert werden.JournalistInnen von MedNûçe protestieren vor Eutelsat. | Foto: ANF

Vom türkischen Rundfunk- und Fernsehrat RTÜK wurde am 17. Mai 2016 ein Schreiben nach Norwegen, Schweden und Italien gesendet, also an Länder, in denen kurdische TV-Sender lizensiert sind. Mit der Begründung, diese Sender unterstützten den Terrorismus, wurde die Schließung von MedNûçe, Newroz TV, Sterk TV und Ronahi TV verlangt.

Zur selben Zeit äußerte auch der türkische Parlamentspräsident İsmail Kahraman die »Bitte« an seine Amtskollegen in europäischen Ländern, kurdischen TV-Sendern die dortigen Lizenzen entziehen zu lassen. Einer der europäischen Parlamentsvorsitzenden antwortete ihm lediglich: »In unserem Land ist es nicht so einfach wie in Ihrem Land, TV-Sender zu schließen.«

Auch die Medienkontrollorgane der angeschriebenen Länder antworteten auf die Anfrage des RTÜK, es gebe keine Probleme mit den inkriminierten Fernsehsendern, daher komme auch eine Schließung nicht in Betracht.

Die in der Türkei vollzogene Gleichschaltung der Medien wurde durch die fortgesetzte Berichterstattung der kurdischen Medien im Ausland empfindlich gestört. Dem faschistischen AKP-Regime blieb somit nur die Möglichkeit, mit willkürlichen und juristisch nicht zu rechtfertigenden Methoden die Ausstrahlung der TV-Sender in Europa zu unterbinden. Dafür brauchte es jedoch eine Institution, die ebenso willkürlich und ungesetzlich die Forderung des RTÜK umsetzen würde. Offenbar war es nicht schwierig, diese zu finden: EUTELSAT.

EUTELSAT ist ein hungriger Konzern mit Milliardengewinnen, der neben gigantischen Investitionen in der Türkei in Zusammenarbeit mit türkischen Partnern auch auf die Märkte im Mittleren Osten, in Asien und Afrika drängt. Daher ist er in der Lage, Gesetzlosigkeit und Skandale zu riskieren.

Letztendlich wurde die von europäischen Medienkontrollorganen zurückgewiesene Forderung des RTÜK von EUTELSAT liebend gerne umgesetzt. Das tiefe Schweigen französischer Medienorgane und der französischen Regierung zu diesem internationalen Skandal steht in Zusammenhang mit der dahinterstehenden politischen Dimension.

EUTELSAT bietet dem IS im Irak und in Syrien Telefon- und Internetdienste über Satellit an. Mit der Lüge, die kurdischen TV-Sender würden den Terrorismus unterstützen, will der Konzern sich reinwaschen.

Für die kurdische Bevölkerung und die ZuschauerInnen der Kanäle, deren Sendungen unterbrochen wurden, gilt nunmehr, von ihrer zögerlichen Erwartungshaltung in Bezug auf die Neueröffnung eines kurdischen Senders abzusehen und auf demokratische Weise gegen EUTELSAT zu protestieren. Andernfalls wird der Konzern EUTELSAT, der an allen Satelliten in Europa beteiligt ist, seine Zusammenarbeit mit dem türkischen Faschismus fortsetzen und die gleichen Methoden gegen die noch bestehenden TV-Kanäle oder neue Satelliten einsetzen.