Wahlampf in NordkurdistanEditorial

Liebe Leserinnen und Leser,
mit den Worten: »Der Frieden ist schwieriger als der Krieg, aber jeder Krieg hat seinen Frieden. Wir haben furchtlos Widerstand geleistet, wir werden auch den Frieden nicht fürchten.«, wandte sich der inhaftierte PKK-Vorsitzende Abdullah Öcalan zum Newroz-Fest in einer Botschaft an die kurdische Bevölkerung. Er mahnte die Freiheitsbewegung nicht nur zur Geduld, sondern rief sie auch auf, sich aktiv in den nun über einjährigen Lösungsprozess einzubringen. Auch an die türkische Regierung war seine Botschaft gerichtet. Das letzte Jahr sei eine Phase gewesen, in der kurdische und türkische Seite einen Dialog geführt und die Forderungen und Empfindlichkeiten der Gegenseite kennengelernt hätten. Eine solche Phase sei notwendig gewesen, doch nun sei es an der Zeit zu verhandeln. Und dafür müsse der türkische Staat den rechtlichen Rahmen schaffen.

Aber von dort kommt wie gewohnt sehr wenig. Zwar wurden in den KCK-Hauptverfahren einige der teilweise fünf Jahre in U-Haft sitzenden Angeklagten erst einmal freigelassen. Doch bleibt ein Großteil von ihnen praktisch als Geiseln des Staates in Haft. Selbst bei solch einem dringlichen Thema wie der Freilassung kranker Gefangener verweigert die AKP Maßnahmen. Und die Forderung nach einem rechtlichen Rahmen für den Lösungsprozess legt die Regierung in ihrem Sinne aus und winkt Mitte April einen Gesetzesvorschlag durch das Parlament, der die Geheimdienstbefugnisse massiv ausweitet. Kurdische Forderungen nach ernsthaften Schritten im Prozess beantwortet die AKP mit dem Vertrösten auf die Zeit nach den Kommunalwahlen vom 30. März, doch was bislang geschah, entspricht bei Weitem nicht dem Geist eines wirklichen Friedensprozesses.

Der BDP gelang es am 30. März, mit einem leichten Ausbau ihrer Stimmenzahl in drei weiteren kurdischen Provinzen die BürgermeisterInnen zu stellen. Allerdings ist in einer dieser Provinzen, in Agirî, nach anhaltenden Beschwerden der AKP und 15-maliger Neuauszählung der Stimmen eine Neuwahl angesetzt worden. Dabei ist Agirî kein Einzelfall, überall in Kurdistan gab es Unregelmäßigkeiten und Beschwerden der BDP.

Aus Westkurdistan/Rojava erreichten uns in letzter Zeit positive Nachrichten. Denn die Volksverteidigungseinheiten YPG vermeldeten die erfolgreiche Abwehr einer mehr als einmonatigen Angriffswelle der islamistischen ISIS gegen den Kanton Kobanê. Doch kaum kann sich die Bevölkerung über diesen Befreiungsschlag freuen, schon steht sie dem nächsten Angriff gegenüber: einer Verschärfung des Embargos durch den Bau von Grenzgräben an den Grenzen Rojavas, angeführt durch die südkurdische PDK Barzanîs.

Sowohl in Rojava als auch in Nordkurdistan sind von den politischen Gegnern keine freiwilligen Schritte in Richtung einer politischen Lösung zu erwarten. Darum heißt es weiterhin, mit aller Kraft das eigene politische System, die Demokratische Autonomie, stärken und der Gegenseite Schritte in Richtung einer nachhaltigen Lösung abringen. Das bleibt die stärkste Waffe der kurdischen Freiheitsbewegung.

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