Der Bundestag fordert ein Verbot der rechtsextremen »Grauen Wölfe« – wirklich?

Wer sind denn diese »Grauen Wölfe«?

Dîlan Karacadag, Journalistin

Der Bundestag spricht sich für ihr Verbot aus: Die »Grauen Wölfe« (türk. »Ülkücü«) – gibt es sie überhaupt? Als eingetragenen Verein gibt es sie jedenfalls nicht. Wer also ist mit den »Grauen Wölfen« gemeint? Oder ist das eine bloße Symbolpolitik des Parlaments?

In der Türkei entstand die Ülkücü-Bewegung Mitte des 20. Jahrhunderts aus der schon älteren turanistischen Bewegung und fußt wie diese auf einer rassistischen rechtsextremen Ideologie. Diese sieht die türkische Nation sowohl politisch-territorial als auch ethnisch-kulturell »als höchsten Wert« an. Diese Denkweise kann ich aus eigener Erfahrung bestätigten. Ich wurde selbst Zeugin, wie im Türkischunterricht von »Wir sind bis nach Wien gekommen« gesprochen wurde. Damals hatte ich keinen blassen Schimmer, was das zu bedeuten hat. Heute weiß ich es: türkischer Rechtsextremismus.

Laut Verfassungsschutzbericht für das Jahr 2019 soll die »Föderation der Türkisch-Demokratischen Idealistenvereine in Deutschland e.V.« (ADÜTDF) der größte »Ülkücü«-Dachverband in Deutschland sein. Diesem gehören rund 170 lokale Vereine an, mit etwa 7.000 Mitgliedern – dies sind offizielle Angaben.

Wer oder was genau soll verboten werden

Mit einem interfraktionellen Antrag forderten SPD, CDU/CSU, FDP und Grüne die Bundesregierung unter anderem auf, den Einfluss der »Ülkücü«-Bewegung zurückzudrängen und gegen die Vereine dieser Bewegung Organisationsverbote zu prüfen. Dieser Antrag wurde angenommen, und so startet der Prozess für ein Überprüfungsverfahren. Große Teile dieser Bewegung organisieren sich in der ADÜTDF. Nun lässt sich fragen, was genau verboten werden soll. Der Dachverband ADÜTDF oder die »Grauen Wölfe«? Welcher Verein oder welche Parteien sind damit gemeint? Da es keinen »Graue  Wölfe e. V.« gibt, bleibt der Wunsch wohl unerfüllt. Eine bloße Symbolpolitik? Eine Geste für Recep Tayyip Erdoğan? Eine neofaschistische Bewegung, welche seit Jahren ein Beobachtungsobjekt des Verfassungsschutzes ist und die immer wieder zu (Mord-)Drohungen, gewalttätigen Angriffen und Hassreden greift, ist ein Teil der deutsch-türkischen Interessenpolitik. Schweigen, Weggucken, Weghören – das kann die Bundesregierung perfekt.

Die Anhängerinnen und Anhänger der »Grauen Wölfe« sind faschistisch, rassistisch, antisemitisch, sexistisch; deren Feindbilder alle Linken, Sozialist:innen, Kommunist:innen, Armenier:innen, Kurd:innen, Jüd:innen, Êzîd:innen, Alevit:innen, Christ:innen und Queers, insbesondere auch Frauenbewegungen. Ihr jahrzehntelang anhaltender Hass führt bis zum Tod. Diese Anhängerinnen und Anhänger sind verantwortlich für Tausende politischer Morde in Nordkurdistan, in der Türkei, aber auch für Morde sowohl in anderen Teilen Kurdistans als auch in Deutschland. Allein während des Bürgerkrieges der 70er Jahre starben 5.000 Menschen, meistens Linke und Alevit:innen.

Nicht nur der »Wolfsgruß« und die Anhänger:innen

Das bekannte Erkennungszeichen der »Grauen Wölfe« ist der »Wolfsgruß«. Doch das Zeigen des »Wolfsgrußes« oder das Verwenden der »Üç Hilal« (»drei Halbmonde«) kommt nicht nur von Anhänger:innen der »Grauen Wölfe«. Auch der Vorsitzende der kemalistischen Partei CHP, Kemal Kılıçdaroğlu, zeigte diesen »Wolfsgruß«. Ohnehin ist es bekannt, dass die CHP prinzipiell kein Problem mit den Rechtsextremen hat. Mehrmals sind parlamentarische Entscheidungen mit Hilfe der CHP durchgegangen. So verteidigte Kılıçdaroğlu die Aufhebung der Immunität. Mit seiner Partei hatte er damals im Parlament für die Aufhebung der Immunität der HDP-Abgeordneten gestimmt, die heute seit mehr als vier Jahren in Haft sind. Auch der CHP-Bürgermeister von Ankara, Mansur Yavaş, gilt selbst als Anhänger der »Grauen Wölfe« und gehörte lange deren Mutterpartei MHP an. Die Relevanz dieser Diversität innerhalb der »Grauen Wölfe«-Struktur zeigt, dass es weder um sie, noch um den Dachverband geht. Der effektive Kampf gegen türkischen Rechtsextremismus wäre das Beenden der Kollaboration, des Waffenhandels und eine klare Haltung gegenüber der türkischen Regierung. Aber auch damit wäre die Existenz dieser Strukturen nicht bekämpft. Neben den ganzen Institutionen, Vereinen und Verbänden gibt es eine vor allem über soziale Medien verbundene Hate Speech-Aktion (digitale Gewalt). Tagtäglich werden Oppositionelle, u. a. kurdische Aktivist:innen, mit dem Tode bedroht. Des Weiteren gibt es noch die geheimdienstlichen Aktivitäten bundesweit. Auf eine Kleine Anfrage der Linksfraktion antwortete die Bundesregierung, der türkische Geheimdienst nutze die »Grauen Wölfe«, »um nachrichtendienstliche Belange zu fördern«. Also gehen wir hier auch vom freien Agieren des türkischen Geheimdienstes MİT in Deutschland aus. Es braucht nun einen gemeinsamen Kampf und gesellschaftlichen Druck, um der Bundesregierung und der regierungsmitverantwortlichen SPD klar zu machen, dass sie unter dem Vorwand »Wir wollen ein Verbot der »Grauen Wölfe« erlassen« nur Symbolpolitik betreiben. Effektiv ist es, vor diesem Verbot jedwede Zusammenarbeit mit der faschistischen türkischen Regierung zu beenden.


 Kurdistan Report 213 | Januar/Februar 2021