Was hat die Staaten im Kampf gegen Öcalan und die PKK zusammengebracht?

Ein Komplott mit vielen Akteuren

Ferda Çetin, Journalist

Was hat die Staaten im Kampf gegen Öcalan und die PKK zusammengebracht?Die kurdische Bevölkerung bezeichnet die Zeitspanne vom 9. Oktober 1998 bis zum 15. Februar 1999, die zur Auslieferung des PKK-Vorsitzenden Abdullah Öcalan an die Türkei führte, als »internationales Komplott«. International deshalb, weil viele Staaten Teil dieser Intrige waren. Die Verwicklung der Akteure ist weitgehend offengelegt worden.

Das beste Komplott ist wohl jenes, das als solches nicht erkannt wird. So gesehen, ist das Komplott gegen Abdullah Öcalan kein besonders gelungenes. Denn die Organisatoren und Unterstützer sind weitgehend aufgedeckt worden. Sie alle sind Teil eines rechtswidrigen und völlig unmoralischen internationalen Aktes geworden und werden sich vor der Geschichte rechtfertigen müssen. Darüber hinaus lässt sich an der jeweiligen Verantwortlichkeit dieser Akteure auch deren gegenwärtige (anti-)kurdische Politik besser verstehen. Das gilt insbesondere für die USA und die Staaten der EU. Verwickelt in das Komplott waren neben den USA auch Großbritannien, Israel, Deutschland, die Türkei, Griechenland, Russland und, und, und ... Vor dem Hintergrund dieser Konstellation müssen wir uns die Frage stellen, was diese Palette an Staaten im Kampf gegen Öcalan und die PKK zusammengebracht hat?

Der Masterplan der USA für den Mittleren Osten

Die USA wollten als einzige vorherrschende Macht in das dritte Jahrtausend gehen. Denn der Realsozialismus war gescheitert und der einstige Konkurrent Russland mit sich selbst beschäftigt. Als einzige Störfaktoren blieben antisystemische Volksbewegungen und revolutionär-sozialistische Gruppen, die von den USA allesamt als terroristisch betitelt wurden. Der ehemalige nationale Sicherheitsberater der USA, Zbigniew Brzeziński, hatte bereits 1997 das Szenario für das Vorhaben geschrieben, die 2000er Jahre mit »null Terror« zu begehen. Auf dem Balkan wurde dieses Szenario bereits umgesetzt. Für Kurdistan, Afghanistan und den Mittleren Osten wurden auch schon Pläne geschmiedet. Der Titel des Masterplans lautete Greater Middle East Projekt (GMEP).

Als erster Schritt dieses Plans war zunächst die Intervention im Irak vorgesehen. Mit dem Einmarsch im Irak sollte die Phase der Neugestaltung des Mittleren Ostens aufgenommen werden. Nach dem Irak standen Syrien und der Iran auf der Liste. So sollten die wirtschaftlichen Interessen der USA und der EU in der Region langfristig gesichert werden.
Die (nicht selbst betroffenen) Regionalstaaten hatten sich längst dazu bereit erklärt, ihrer Rolle als Kollaborateure bei diesem Plan gerecht zu werden. Doch da gab es noch einen anderen Akteur, der vielleicht einflussreicher war als manch ein Staat im Mittleren Osten, die PKK. Die Ideologie der PKK, ihre Strategien und ihre Beziehungen zur Gesellschaft hatten einen gänzlich antisystemischen Charakter. Deswegen musste die PKK im Rahmen des GMEP schlichtweg zerschlagen werden.

Druck auf Syrien

Der Kommandant der türkischen Bodenstreitkräfte Atilla Ateş hat am 16. September 1998 mit einer Drohung gegenüber Syrien den Startschuss für die Phase gegeben, die Öcalan als »die Operation der NATO-Gladio« bezeichnet hat. Die Drohung war Teil der geplanten Operation. Am 1. Oktober 1998 wiederholte der damalige türkische Staatspräsident Süleyman Demirel dieselbe Drohung in einer Sitzung des türkischen Parlaments.

Der ehemalige ägyptische Präsident Husni Mubarak führte daraufhin parallel Gespräche mit dem damaligen syrischen Präsidenten Hafiz al-Assad und mit Demirel. Doch im Prinzip hatte Mubarak mit Demirel nichts zu verhandeln, da sie doch beide als treue Gefolgsleute der USA galten. Gegenüber Assad betonte Mubarak allerdings mit Nachdruck die Ernsthaftigkeit der Angelegenheit. Öcalan müsse aus Syrien ausgewiesen werden, sonst werde der internationale Druck auf Damaskus enorm zunehmen. Ein syrischer Verantwortlicher erklärte daraufhin Öcalan und der PKK sofort die Lage.

Großbritannien als aktiver Part des Komplotts

Die Führung der PKK macht neben den USA besonders Großbritannien mitverantwortlich für das Komplott. Wie wird diese Behauptung begründet? Öcalan hatte bereits in den Tagen, als der Druck zunahm, auf die Rolle Großbritanniens aufmerksam gemacht. Am 9. Oktober 1998 wollte er im kurdischen Fernsehsender MED TV per Liveschaltung begründen, wie er zu dieser Annahme kam. Die Sendung wurde angekündigt, aber nie ausgestrahlt, weil MED TV einfach vom Netz genommen wurde.

Der erste und damals einzige kurdische Fernsehsender MED TV hatte 1995 seine Ausstrahlungslizenz in Großbritannien erhalten. Am 9. Oktober hat die Independent Television Commission (ITC) diese Lizenz zurückgezogen. Wie »independent« (unabhängig) diese Anstalt tatsächlich war, offenbarte sich mit diesem Vorgehen. Robin Biggam war als leitender Koordinator der ITC hauptverantwortlich für diesen Beschluss. Eben derselbe Robin Biggam verfügte über einen hochrangigen Posten im Management des Rüstungskonzerns British Aerospace (BAe). Und (wen wunderts?!) das Unternehmen lieferte auch Waffen an die Türkei. Monate später sollten britische Zeitungen diesen Skandal an die Öffentlichkeit bringen.1

Die britische Regierung war natürlich über den Plan, der Öcalan aus Syrien locken und zu seiner Verhaftung führen sollte, informiert. Sie wusste auch sehr gut, dass die kurdische Bevölkerung über ihren Fernsehsender Minute für Minute die aktuellen Entwicklungen mitverfolgte. Deshalb haben sie die Ausstrahlung von MED TV gekappt – eine politische Entscheidung.

Großbritannien ist als engster Verbündeter der USA ohnehin ein Aktivposten bei der Umsetzung des GMEP gewesen. Bereits Henry John Temple, auch bekannt als Lord Palmertson, der Mitte des 19. Jahrhunderts Premierminister Großbritanniens war, brachte die bis heute gültige Haltung seines Staates passend zum Ausdruck: »Wir haben keine ewigen Verbündeten, und wir haben keine ewigen Feinde. Unsere Interessen sind ewig und fortwährend, und es ist unsere Pflicht, diesen Interessen zu folgen.« Eine Organisation wie die PKK, die vor allem auf ihre Dynamik und Unabhängigkeit von fremden Kräften setzt, ist da nicht unbedingt ein tauglicher Partner, wenn Großbritannien seinen Interessen im Mittleren Osten folgen will.

Zur Rolle von Israel, Russland und Griechenland

»Israel hat über Umwege aber mit Nachdruck mitteilen lassen, dass ich Syrien verlassen müsse«, erklärte Öcalan. Die geheimdienstlichen Aufgaben und die Verfolgung beim Komplott waren der Aufgabenbereich des israelischen Staates.

Griechenland kommt ebenfalls eine zentrale Rolle zu. Als 1997 Öcalan noch in Syrien war, unterzeichneten 175 griechische Parlamentarier*innen (aus einem Parlament mit 300 Abgeordneten!) einen Aufruf, mit dem der PKK-Vorsitzende nach Griechenland eingeladen wurde. Als Öcalan dann am 9. Oktober 1998 Syrien verließ, folgte er dieser Einladung und beantragte Asyl in Griechenland. Der damalige stellvertretende griechische Parlamentspräsident Ziguridis soll den Asylantrag höchstpersönlich zerrissen haben. Das war Öcalans erster Aufenthalt in Griechenland. Als er am 29. Januar 1999 erneut in Griechenland einreiste, widerfuhr ihm ein ähnliches Schicksal.

Als Öcalan von Griechenland aus anschließend die Reise nach Russland antrat, wurde in der Duma über die heikle Angelegenheit beraten. 298 Abgeordnete stimmten für die Aufnahme Öcalans, nur eine Person enthielt sich. Doch der damalige russische Staatschef Boris Jelzin akzeptierte den Beschluss seines Parlaments nicht. Nach 33 Tagen musste Öcalan deshalb auch Russland verlassen.

Die Suche nach einer juristischen Lösung

Am 12. November 1998 reiste Öcalan in Italien ein. Ein Gericht in Rom stellte daraufhin den PKK-Vorsitzenden unter polizeiliche Aufsicht. Die italienische Justiz stützte die Festnahme auf den Haftbefehl der Bundesstaatsanwaltschaft in Karlsruhe vom 12. Januar 1990. Deutschland hat den Haftbefehl im Juni desselben Jahres an Interpol und an alle Länder weitergeleitet. Damit tat der italienische Staat lediglich das, was das internationale Recht von ihm verlangte. Öcalan durfte das Land nun nicht mehr verlassen. Dem italienischen Staat blieben hingegen drei Optionen: Öcalan wird an Deutschland ausgeliefert, Öcalan wird vor ein internationales Gericht gestellt oder Italien selbst stellt Öcalan vor Gericht.

Die italienische Regierung war sich der schwierigen Situation bewusst und wollte mit ihren europäischen Partnern über den Umgang mit der Lage diskutieren. Aus diesem Grund hat der italienische Ministerpräsident Massimo D’Alema in kurzer zeitlicher Abfolge mit seinem deutschen Amtskollegen Gerhard Schröder, mit dem Präsidenten der Europäischen Kommission Jacques Santer, mit dem französischen Präsidenten Jacques Chirac und dem spanischen Ministerpräsidenten José María Aznar Gespräche über den Umgang mit Öcalan geführt.

D’Alema und Schröder kamen am 27. November 1998 in Bonn zusammen. Nach dem zweistündigen Gespräch erklärten beide, dass die EU sich für eine friedliche Lösung der kurdischen Frage einsetzen werde. An die Außenministerien beider Länder sei bereits ein entsprechender Auftrag gegangen. Am 28. November 1998, also einen Tag später, erklärte der Nationale Sicherheitsberater der USA, Sandy Berger, Italien gegenüber, dass Öcalan keineswegs vor ein internationales Gericht gestellt werden könne. Er müsse an die Türkei ausgeliefert werden.

USA blockiert eine europäische Lösungsinitiative

Trotz dieses Statements aus den USA kamen der italienische Außenminister Lamberto Dini und sein deutscher Amtskollege Joschka Fischer am 29. November 1998 in Rom zusammen. Nach ihrem Treffen erklärten sie gegenüber der Presse, dass eine europäische Initiative zur Lösung der kurdischen Frage in die Wege geleitet worden sei. Im Falle von Öcalan herrsche zwischen ihnen Einigkeit darüber, dass er vor ein internationales Gericht, das noch zu errichten sei, gestellt werden müsse. Eine Expertenkommission aus Italien und Deutschland werde noch in der laufenden Woche die Arbeit für die Gründung und die Funktionsweise einer solchen Gerichtsbarkeit aufnehmen.

Zwischen den USA auf der einen und Deutschland und Italien auf der anderen Seite zeichnete sich in den Tagen vom 27. bis zum 29. November eine ernstzunehmende diplomatische Auseinandersetzung ab. Denn die europäischen Staaten zeigten sich nicht bereit, auf die Forderungen der USA einzugehen und verlangten eine europäische Initiative zum Umgang mit Öcalan und der kurdischen Frage.

Am 3. Dezember fand eine Zusammenkunft der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) statt. Am Ende der Konferenz trat der deutsche Außenminister Fischer vor die Presse und erklärte, Deutschland und Italien könnten allein kein internationales Gericht gründen. Damit machte der deutsche Außenminister deutlich, dass er von seinen Aussagen vom 29. November abgerückt war.

Frankreich schaltet sich ein

Am 7. Dezember ereignete sich plötzlich ein außergewöhnlicher Vorfall. Der französische Staatsanwalt Jean François Richard ordnete eine grenzübergreifende Operation an, woraufhin es zur Durchsuchung der Wohnung kam, in der sich Öcalan in Rom aufhielt. Öcalan sollte außerdem vernommen werden, doch er lehnte ab. Zweck dieses Vorgehens war wohl, deutlich zu machen, dass Öcalan in Frankreich nicht erwünscht war. Wollte er also Italien verlassen, durfte er Frankreich nicht als Reiseziel wählen.

Am selben Tag reiste Philip Robins, ein britischer Berater des italienischen Ministerpräsidenten D’Alema, nach London, wo er mit dem britischen Premierminister Tony Blair zusammenkam. Robins erklärte nach diesem Besuch, seine Gesprächspartner aus Großbritannien hätten ihm deutlich gemacht, dass sie Öcalans Aufenthalt in Europa nicht dulden.

Russische Wirtschaftsinteressen

Der diplomatische Verkehr in Sachen Öcalan nahm kein Ende. Nun reiste der italienische Außenminister Dini nach Russland, um sich mit seinem Amtskollegen Igor Iwanow zu besprechen. Dini machte Iwanow ein Angebot: Nehmt Öcalan auf, und wir streichen eure Schulden in Höhe von acht Milliarden Dollar. Über dieses Angebot wurde später in der Tageszeitung Il Giornale berichtet. Natürlich zeigte dieses Gespräch auch, dass Italien nun Öcalan loswerden wollte. Doch Russland arbeitete gerade mit Ankara den Blue-Stream-Pipeline-Deal für den Erdgastransport aus. Und andererseits gab es da noch den politischen Druck aus Washington. In Moskau schien damals entscheidend zu sein, welche Option die Kassen am meisten klingeln lassen würden.

Öcalan wird aus Europa geschafft

Die angeblich europäische Initiative zur Lösung der kurdischen Frage, angestoßen durch Deutschland und Italien, war somit binnen nur zehn Tagen Geschichte. Die USA hatte den Druck, den sie zuvor auf Griechenland ausgeübt hatte, nun auf Italien gerichtet. Russland hingegen wurde zur Kooperation in der Angelegenheit aufgerufen. Großbritannien hatte ohnehin klargemacht, dass es Öcalan nicht in Europa haben wolle. Die Regierung in London ging aber noch weiter und forderte gemeinsam mit den USA die Auslieferung Öcalans an die Türkei. Und Frankreich wiederum hatte mit der angeordneten Durchsuchung von Öcalans Unterkunft in Rom seine Position deutlich gemacht.

Die Situation um Öcalan hatte zu einer regelrechten Krise in Europa geführt. Der Europarat setzte Öcalan auf die Tagesordnung, ging jedoch ohne gemeinsamen Bescluss wieder auseinander. Die Angelegenheit wurde dem eigentlich mit eher technischen Fragen betrauten European Committee on Crime Problems (kurz: CDPC) überlassen. Doch auch hier wurde bis zum Zeitpunkt, an dem Öcalan Rom verließ, keine Lösung gefunden.

Den europäischen Staaten ist es somit nicht gelungen, in der Angelegenheit um Öcalan und die kurdische Frage eine eigene Initiative zu entwickeln. Sie haben sich letztlich der Politik der USA ergeben und sind somit Teil des Komplotts geworden. Am Ende erklärten die Staaten Europas implizit, dass für Öcalan kein Platz auf dem Kontinent ist.

Deutschland hebt Haftbefehl gegen Öcalan auf

Politisch schien die Angelegenheit nun aus europäischer Sicht geklärt. Doch da gab es noch ein juristisches Problem: der deutsche Haftbefehl gegen Öcalan vom 12. Januar 1990. Der verhängte Hausarrest gegen Öcalan in Rom beruhte letztlich auf diesem internationalen Haftbefehl. Und solange er aufrecht erhalten wurde, durfte Öcalan Italien auch nicht verlassen. Ein Asylantrag Öcalans in Italien blieb unterdessen unbeantwortet. Beauftragte des italienischen Ministerpräsidenten D’Alema erklärten Öcalan, Italien werde von den anderen europäischen Staaten im Stich gelassen und könne die Angelegenheit nicht allein lösen. Am 20. November 1998 kam es zu einer entscheidenden Wendung. Der deutsche Regierungssprecher Uwe-Karsten Heye erklärte auf einer Pressekonferenz, dass das Auslieferungsersuchen aufgrund eines Haftbefehls der Bundesanwaltschaft gegen Öcalan aufgehoben worden sei. Es wurde also ein seit acht Jahren bestehender internationaler Haftbefehl ohne jegliche juristische Grundlage durch eine politische Autorität aufgehoben. Am selben Tag erklärten die italienischen Verantwortlichen, dass Öcalan nun frei sei und sich bewegen könne, wie es ihm beliebe.

In der Hitze der Ereignisse feierte die kurdische Bevölkerung diesen Beschluss. Niemand hegte einen Verdacht. Kurdische Verbände bedankten sich gar bei den deutschen und italienischen Regierungen. Doch diese Entscheidung bedeutete schlussendlich nichts anderes, als die Endphase des Komplotts einzuleiten. Und Deutschland sowie Italien wussten sehr wohl, wozu ihre Entscheidungen führen würden. Denn hätten Deutschland und Italien den Haftbefehl und den Hausarrest gegen Öcalan aufrechterhalten, wäre die Umsetzung des Komplotts so nicht möglich gewesen.

Nun kommt die Türkei ins Spiel – und drei Morde geschehen

Den geringsten Beitrag zum Komplott leistete ohne Zweifel die Türkei. Denn die türkische Regierung hatte allein nicht das politische Gewicht, Druck auf Syrien, Griechenland, Russland oder die EU auszuüben. Als der Druck auf Syrien verstärkt wurde, damit Öcalan des Landes verwiesen werde, stellte sich damals der stellvertretende türkische Ministerpräsident Bülent Ecevit dagegen, weil er mit der Ausreise Öcalans in Richtung Europa befürchtete, dass dies der PKK Legitimität verschaffen und die kurdische Frage internationalisieren würde. Der türkische Staatspräsident Demirel hingegen erklärte, dass dies die Forderung der USA sei und die Türkei sich dem nicht entgegenstellen dürfe.

Während also innerhalb des türkischen Staatsapparates Diskussionen wie diese geführt wurden, kam es zu drei Morden außerhalb des Landes. Am 20. November 1998 wurde in St. Petersburg Galina Wassiljewna Starowoitow vor ihrer Haustür ermordet. Die Abgeordnete und Beraterin des russischen Präsidenten in Minderheitenangelegenheiten gehörte zu den Personen, die sich besonders für einen politischen Status für Öcalan in Russland stark gemacht hatte. Der zweite Mord, ein Doppelmord, ereignete sich am 22. November 1998 im Iran: Der ehemalige iranische Arbeitsminister Dariush Forouhar und seine Ehepartnerin Pervaneh wurden ermordet. Forouhar hatte einige Tage vor seiner Ermordung bei den iranischen Behörden die Anmeldung eines Protests für Öcalan beantragt. Der Iran bestätigte später, dass es eine solche Anmeldung gegeben habe. In den türkischen Zeitungen wurde über diese Morde mit dem Titel »Abschreckung in Richtung Italien« berichtet. Russland und der Iran haben die Morde nicht weiter untersucht. Und hinter den Morden könnte durchaus die Türkei gesteckt haben. Die Morde waren eine massive Drohung, die sich an die Freund*innen Öcalans und des kurdischen Volkes richtete.

Die Vernichtung als Ziel des Komplotts

Zwei Monate nachdem Öcalan durch die Kooperation der USA mit Israel, Deutschland, Großbritannien, Russland und Griechenland aus Kenia an den türkischen Staat ausgeliefert wurde, veröffentlichte das International Institute for Strategic Studies (IISS) einen Bericht. Die Kernaussage darin lautete wie folgt: Nach der Auslieferung Öcalans an die Türkei wird es in der Führung der Organisation zu Auseinandersetzungen kommen. Die Leitung der PKK wird eine Krise erleben. (Dass diese Erwartungen nicht vollständig danebenlagen, wurde in den Jahren 2003 und 2004 deutlich, als einige Personen aus der PKK-Leitung ausstiegen und sich auf die Seite der USA stellten, um die Organisation zu vernichten.) In der darauffolgenden Phase würde sich die Organisierung der Bevölkerung auflösen und die in den letzten 20 Jahren gegründeten kurdischen Vereine, Stiftungen und Büros nacheinander schließen. Das System der staatenlosen, aber gut organisierten Kurd*innen werde somit auseinanderfallen. Die kurdische Bevölkerung, die dadurch der Vernichtung ausgeliefert wäre, würde versuchen, neue Alternativen zur PKK zu schaffen. Der Bericht des IISS war gewissermaßen die schriftliche Ausarbeitung der Ziele des Komplotts.

Es hat nicht funktioniert ...

Das große Komplott gegen Öcalan ist in allen Einzelheiten belegt worden und an die Öffentlichkeit gelangt. Aus Sicht der kurdischen Bevölkerung gibt es keine Geheimnisse mehr. Es ist das rechtlose und unmoralische Werk zahlreicher Machthaber und ihrer gemeinsamen Interessen ...

Dem gegenüber steht eine widerständige, für ihre Freiheit kämpfende und nicht aufgebende Bevölkerung. Dieser Kampf zwischen dem Recht und dem Unrecht dauert auch heute noch an.

Fußnote:

1 - https://www.theguardian.com/uk/1999/apr/28/davidpallister