Zur Verbreitung von »Women Defend Rojava«

Rojava zu verteidigen bedeutet, die Frauenrevolution zu verteidigen und zu verbreiten – weltweit!

»Women Defend Rojava«-Komitee Deutschland


Rojava zu verteidigen bedeutet, die Frauenrevolution zu verteidigen und zu verbreiten – weltweit!Seit dem 9. Oktober greift der türkische Staat gemeinsam mit seinen dschihadistischen Verbündeten Nord- und Ostsyrien an. Innerhalb von sieben Jahren wurde dort im Zuge der demokratischen und sozialen Revolution Rojavas ein basisdemokratisches Gesellschaftsmodell aufgebaut, das auf der Selbstbestimmung und Vielfalt der verschiedenen Bevölkerungsgruppen basiert, die Natur schützt und ihre Ausbeutung als einen Angriff auf das Leben versteht und deren Basis der freie Wille der Frau ist. Der momentane Angriffskrieg ist Ausdruck einer tiefen Krise des patriarchalen und kapitalistischen Systems. Frauen und die Perspektive der Frauenbefreiung werden gezielt vom türkischen Staat und seinen Dschihadisten angegriffen und somit wird der Frauenrevolution ein zutiefst patriarchales Gewaltsystem gegenübergestellt. Dies zeigt sich in den durch den türkischen Staat besetzten Gebieten Efrîns, wo Frauen mit der gleichen patriarchalen Mentalität und Gewalt des sogenannten Islamischen Staates konfrontiert sind. Die Einführung der »Scharia-Gesetze«, Zwangsheirat, Vergewaltigung und Verschleppung sind Ausdruck dieses zutiefst frauenverachtenden Systems, das dort etabliert wurde. Dieses System soll nun auch in weiteren von der Türkei besetzten Gebieten etabliert werden.

Seit Beginn des brutalen Angriffskrieges der Türkei gegen Nord- und Ostsyrien waren es am 24. November bereits 120 Frauen, die ermordet wurden, 420 Frauen wurden verletzt und weitere 270 durch die türkische Armee verhaftet. Die Verstümmelung des Leichnams der Kämpferin der Frauenverteidigungseinheiten (YPJ) Amara Renas durch islamistische Banden, die Hinrichtung der Generalsekretärin der Zukunftspartei Syriens Hevrîn Xelefs und der Mord an Eqîde Eli Osman, die bei der Bombardierung eines zivilen Konvois durch die türkische Luftwaffe ermordet wurde, verdeutlichen, dass die Angriffe gegen Frauen System haben und ein wesentliches Ziel des Angriffskrieges sind.

Frauendemo in BerlinWomen Defend Rojava

»Women Defend Rojava« ist eine Kampagne, die im August 2019 von Kongra Star, der Dachorganisation der kurdischen Frauenbewegung in Rojava, ins Leben gerufen wurde. Ihr Ziel ist es, dass Frauen ihre Stimme erheben und die weltweiten Widerstände von Frauen* gegen die Gefahren des türkischen Besatzungskrieges und seiner Attacken auf die Frauenrevolution in Rojava vereint werden. Es gilt, ein öffentliches Bewusstsein dafür zu schaffen, dass der Krieg gegen Rojava und dessen System des demokratischen Konföderalismus ein Krieg gegen alle Menschen und insbesondere gegen Frauen ist, die ein Leben in Frieden und Würde suchen. Denn die Werte, die in Rojava aufgebaut und verteidigt werden, sind universelle Werte und Gegenstand feministischer Widerstände weltweit. Selbstbestimmung, ein friedliches und kollektives Leben, freie Bildung, Gesundheit und Gerechtigkeit, kommunale und ökologische Formen des Lebens und Wirtschaftens sowie das Bewusstsein von Frauen auf der Basis von Jineolojî sind die Basis einer Alternative zum globalen kapitalistischen Patriarchat. Um diese zu schützen, ist ein gut organisierter, nachhaltiger und langfristiger Kampf notwendig.

In allen vier Teilen Kurdistans organisierten Frauen ihren Widerstand gegen die Angriffe und Besetzungsbestrebungen des türkischen Staates. Vom Kämpfen an der Front bis hin zur Heilung von Verwundeten; von medizinischer Behandlung bis zur Aufnahme von Vertriebenen; vom Organisieren, Mobilisieren und Informieren der Gesellschaft bis hin zur Schaffung von Bündnissen, um den Krieg zu stoppen – die Frauenbewegung ist immer Teil dieses Widerstandes.

Diesem Widerstand schlossen sich innerhalb weniger Tage nach Beginn des Angriffskrieges unzählige Frauen*, Lesben, Trans-, Inter- und nichtbinäre Personen auf der ganzen Welt an. Sie bündelten ihre Kraft, gaben ihr als »Women Defend Rojava« einen gemeinsamen Ausdruck und nahmen in vielen Momenten eine führende Rolle bei der Verteidigung der Revolution in Rojava ein.

Es wurden kreative Aktionsformen entwickelt, um die Komplizenschaft von Staaten, Unternehmen und internationalen Institutionen mit der faschistischen türkischen Regierung aufzudecken. Durch soziale Medien, persönliche Kontakte und durch die Verbreitung der Erklärungen der Frauenbewegung Rojavas gelang es, eine breite Öffentlichkeit über die Realität des Krieges und unsere dringenden Forderungen zu informieren:

  • Das bedingungslose und sofortige Ende der türkischen Invasion, des Genozids und der Besatzung in Nord- und Ostsyrien.
  • Die Schließung des Luftraums über Nord- und Ostsyrien gegenüber der türkischen Luftwaffe, einschließlich Drohnen, und die Sicherung der Grenze gegen weitere türkische Angriffe durch eine »dritte« von den Vereinten Nationen oder der EU bereitgestellte Kraft.
  • Die Sicherstellung der Repräsentation von Frauen und legitimer Repräsentant*innen aller nationalen, kulturellen und religiösen Gemeinschaften in Syrien in der Genfer »Verfassungskommission für Syrien«.

All dies waren wichtige Schritte, um unseren Widerstand sichtbar zu machen und ein öffentliches Bewusstsein zu schaffen. Der weltweite Widerstand hat verdeutlicht, dass die Revolution in Rojava wie eine Blume ist, die längst auf der ganzen Welt ihre Samen gestreut hat, und dass der Widerstand der Frauen in Rojava zu einem Vorbild für feministische Kämpfe weltweit geworden ist. Dieser Frühling ist nicht aufzuhalten.

»Women Defend Rojava«-Komitees – Organisierung bedeutet Selbstverteidigung (Auswertung der Arbeiten)

Bereits wenige Tage nach Beginn der Angriffe auf Nord- und Ostsyrien gründeten sich in vielen Ländern und Städten Komitees unter dem Namen »Women Defend Rojava«. Die ersten Schritte wurden in west- und südeuropäischen Ländern gemacht. Mittlerweile gibt es in verschiedenen Städten in Italien, Finnland, Griechenland, Dänemark, Deutschland, England, Katalonien, dem Baskenland und anderen Teilen des spanischen Staates solche »Women Defend Rojava«-Komitees. Frauen* und feministische Personen schließen sich zusammen und verwandeln ihre Trauer und ihre Wut gemeinsam in einen kraftvollen Widerstand. Die Verteidigung der Revolution in Rojava hat längst einen globalen Charakter angenommen.

Die autonome Organisierung von Frauen* und feministischen Personen als »Women Defend Rojava« ist dabei ein wichtiges Mittel, um patriarchale Angriffe abzuwehren, gemeinsam für eine Alternative zum kapitalistischen Patriarchat zu kämpfen und lokale Selbstorganisierung mit einer globalen Perspektive zu verknüpfen. Dabei können wir von den Erfahrungen und dem Wissen der kurdischen Frauenbewegung lernen. Denn Rojava zu verteidigen bedeutet nicht nur, Aktionen zu machen und Öffentlichkeit zu schaffen, sondern die Revolution fängt im Kleinen und bei uns selbst an. Es gilt Erfahrungen zu sammeln, wie wir uns als Frauen* und feministische Personen selbst organisieren können, und so unseren eigenen Willen zum Ausdruck zu bringen. Jedes »Women Defend Rojava«-Komitee organisiert sich lokal, mit eigenen Farben. Wir sind ein Mosaik aus tausenden Farben, wenn wir uns zusammenschließen und unsere Kämpfe miteinander verbinden.

Der 25. November, der Internationale Tag gegen Gewalt an Frauen, war Ausdruck dieser gemeinsamen Kraft, die sich aus der Diversität und den verschiedenen Farben unseres Widerstandes ergibt. Die Gewalt, die unsere Freundinnen in Rojava durch die Angriffe des türkischen Staates erfahren haben, wird nie vergeben und nie vergessen werden. Überall auf der Welt wurde ihr Widerstand aufgegriffen. Bilder von Amara Renas, Hevrîn Xelef und Eqîde Eli Osman waren auf den Plätzen und in den Straßen sichtbar und wurden neben den Bildern der Schwestern Mirabal, von Daniela Carrasco, Marielle Franco, Berta Cáceres und vielen anderen emporgehalten. Mit jedem Mord an einer von uns wächst die Klarheit darüber, dass ein Angriff auf eine ein Angriff auf alle ist, wird die Entschlossenheit stärker, uns gegenseitig zu verteidigen, werden die Stimmen des Widerstands lauter. Die Parole »Jin, Jiyan, Azadî« war dieses Jahr von nahezu allen Plätzen dieser Welt, an denen Frauen gegen Gewalt und Feminizide protestierten, zu hören!

Women Defend Life! (Perspektive)

Kundgebung in Hamburg von Women Defend RojavaNach den starken und vielfältigen Aktionen nach Beginn des Angriffskrieges am 9. Oktober und nach dem 25. November stehen wir nun gemeinsam vor der Aufgabe, den Widerstand auf eine neue Stufe zu heben. Wir haben gesehen, dass die Hegemonialmächte nicht mit einem so großen Widerstand gegen die Besatzung rechneten. Auch die Aufstände der Bevölkerung in Iran und Irak machen ihnen einen Strich durch ihre Rechnung – ihren patriarchalen Köpfen entsprungenen Plan. Auch in Europa braucht es ein klares Zeichen der Zivilgesellschaften, nicht weiter Teil der Kriegsmaschinerie sein zu wollen, sondern nach demokratischen Lösungen für eine Welt der Vielen zu suchen – in Syrien als auch in einem Europa, das immer stärker nach nationalistischen Lösungen sucht. Auch in Prozessen der Demokratisierung Europas haben Frauen schon immer eine Vorreiterinnenrolle gespielt. Doch aktuell sind sie durch vielfältige Angriffe des Patriarchats vor allem damit beschäftigt, ihr individuelles Leben zu schützen und in der Flut der an sie gestellten Anforderungen nicht unterzugehen. Sie merken oftmals gar nicht, wie ihre schaffende Kraft, ihre Zeit, ihre Weisheit für die Aufrechterhaltung eines Systems ausgebeutet wird, das in anderen Teilen der Welt für unzählige Frauen tödlich ist.

Darum wollen wir in der nächsten Phase des Widerstands gegen die Besatzung den Schwerpunkt auf Organisierung und Bildung legen. Durch Bewusstseinsbildung können Frauen – und zwar alle Frauen der Gesellschaft – lernen, wieder eine bedeutsame Rolle in der Gesellschaft zu spielen, anstatt das Feld der Politik den patriarchalen Vollidioten zu überlassen. Sie können nachhaltige Verbindungen mit anderen auf vielfältige Art und Weise kämpfenden Frauen schaffen und die Kraft des gemeinsamen Kampfes erfahren. Langfristig gesehen können so aus den »Women Defend Rojava«-Komitees »Women Defend Life«-Komitees entstehen. Wenn Frauen in Europa ihre Kraft wiederentdecken und sich organisieren, können auch sie die Welt verändern!

Liebe Freund*innen und Genoss*innen, lasst uns die Solidarität stärken und die Frauenrevolution weltweit verteidigen! Wir wollen uns mit den Kämpfen von Frauen und freiheitsliebenden Menschen auf der ganzen Welt verbinden. Wir kämpfen gegen einen gemeinsamen Feind – das patriarchale, kapitalistische System! Wo immer wir sind, lasst uns unsere Stimmen für ein würdevolles und freies Leben erheben! In all unseren verschiedenen Farben, aber gemeinsam in unseren Zielen werden wir den Krieg des türkischen Staates gegen Frauen, Demokratie und Freiheit beenden.


 Kurdistan Report 207 | Januar/Februar 2020