3. Band der Biografie von Sakine Cansız erscheint auf Deutsch

Mein ganzes Leben war ein Kampf – Guerilla

Anja Flach

mein ganzes leben ist ein kampf  – 3. band | GuerillaIn den 1990er Jahren hatte der Vorsitzende der Arbeiter*innenpartei Kurdistan (PKK), Abdullah Öcalan, Sakine Cansız aufgefordert, ihre Lebensgeschichte aufzuschreiben, denn ihm war bewusst, welch bedeutende Rolle sie im Befreiungskampf, insbesondere im Gefängniswiderstand gespielt hatte. Wie unerträglich der Verlust dieser bedeutenden Kämpferin ist, so ist es doch ein Segen, dass sie diese, von ihr teilweise ungeliebte, Aufgabe tatsächlich übernommen hatte. Das Buch wurde zwischen 1996 und 1997 geschrieben und in der Parteiakademie erstmalig gedruckt.

Während sich Sakine Cansız ab Ende der 1990er Jahre in Europa aufhielt, fanden viele Gespräche mit ihren Genoss*innen über dieses Buch statt. Schreibt man Ereignisse mit wenig zeitlichem Abstand nieder, spielen Emotionen oft noch eine große Rolle. Mit größerem Abstand sieht man die Dinge abgeklärter. Sakine sprach davon, das Buch neu zu überarbeiten. »Sollte ich die Gelegenheit dazu haben ...«, sagte sie. Doch nie war genug Zeit.

Im ersten Band von Sakines Biographie ging es um ihre Kindheit, ihre Familie, ihren Geburtsort Dersim, ihre erste Bekanntschaft mit dem Befreiungskampf, ihre revolutionäre Arbeit und schließlich um ihre Verhaftung. Der zweite Band beschreibt ihre Gefängnisjahre. Sakine Cansız wurde als eine Frau der PKK durch ihren Widerstand im Kerker von Diyarbakır zu einer Legende. Sie war bekannt dafür, sich niemals zu beugen.

Der neu ins Deutsche übersetzte dritte Band behandelt ihre Entlassung aus dem Gefängnis, ihren Aufenthalt im Libanon und in Syrien sowie ihre Zeit in den Bergen Kurdistans. Sie beschreibt die Erfüllung ihrer größten Sehnsüchte: den Vorsitzenden der PKK, Abdullah Öcalan, wiederzusehen und als Guerillakämpferin in die Berge zu gehen. Viel Zeit verbringt sie in der Parteischule der PKK in Damaskus. Hier steht die ständige Weiterentwicklung der Persönlichkeit im Mittelpunkt der Bemühungen. Jedes Verharren und Zementieren falscher Vorstellungen und Praxis soll überwunden werden. Sakine beschreibt diesen schwierigen Prozess: »Im letzten Buch habe ich beschrieben, wie ich durch meine unausgereifte Kampfweise in einen Konflikt mit der Partei geriet, obwohl die PKK den Sinn meines Lebens darstellte. Ich war mit allen im Streit, ein Zustand des ständigen Aufstands. Ich verkannte die aktuelle Realität, ließ mich von langjährig gewohnten Reflexen leiten und urteilte nur nach meinen eigenen Wertmaßstäben (…) Kein anderer Kampf beinhaltet einen derartigen Reichtum. In keiner anderen Revolution haben in den einzelnen Menschen derartig lange, schmerzhafte, aber erfolgreiche Revolutionen stattgefunden. Genau darin liegt die Garantie für den Sieg. In diesem hohen Kampf kristallisieren sich der Eifer, der Einsatz und die Geduld heraus, den Sozialismus zu verinnerlichen und in jeder einzelnen Zelle zu konkretisieren. Aus diesem Grund ist unser Kampf wunderbar, anziehend und zusammenführend. Ich bin verliebt in diesen Kampf. Mein Herz, mein Bewusstsein und meine gesamte Kraft widme ich dem Siegeskampf ...«, schreibt sie selbst im Nachwort des 3. Bandes.

Dass fast jeder Mensch, der sich an einer Revolution beteiligt, innerhalb des herrschenden Systems sozialisiert worden ist, ist ein Punkt, der insbesondere in den Kämpfen im Westen oft vernachlässigt wird. Für die PKK steht er jedoch im Zentrum. Dazu gehört nicht nur die eigene Persönlichkeitsanalyse, sondern die permanente Auseinandersetzung mit alten Gewohnheiten, Umgangsweisen, Wertvorstellungen und den daraus resultierenden Bedürfnissen. Zweifellos hat Sakine Cansız diesen Kampf gewonnen und bleibt im Gedächtnis als eine der stärksten Symbolfiguren des kurdischen Befreiungskampfes und der kurdischen Frauenbewegung. 


sakine cansız
mein ganzes leben war ein kampf
3. band | guerilla
1. Auflage, Januar 2018
ISBN: 978-3945326-46-6
Herausgeber: Mezopotamien Verlag und Vertrieb GmbH


 Kurdistan Report 195 | Januar/Februar 2018