Vertuschung, Geheimhaltung, Desinformation nach den Pariser Morden

Der Prozess in Paris – den Schleier lüften!

Selma Akkaya, Journalistin

Seit der Ermordung von Sakine Cansız (Gründungsmitglied der PKK), Fidan Doğan (Mitglied des Nationalkongresses Kurdistan KNK) und Leyla Şaylemez (Mitglied der kurdischen Jugendbewegung) am 9. Januar 2013 sind bereits vier Jahre vergangen. Vom 23. Januar bis zum 23. Februar 2017 wird in Paris der Strafprozess gegen Ömer Güney, den mutmaßlichen Mörder der drei Frauen, stattfinden. Die drei Jahre andauernden Ermittlungen wurden im Mai 2016 von der zuständigen Ermittlungsrichterin Jeanne Duyé abgeschlossen. Die einhundert Seiten umfassende Ermittlungsakte liegt der zuständigen Richterin nun vor. Nach dem Abschluss der Ermittlungen wurde die Geheimhaltungsklausel für die Dokumente im Mai 2016 aufgehoben. Die Prozessakte umfasst u. a.: Untersuchungsberichte des Tatorts, Expert_innenberichte, die Tatwaffe betreffende Untersuchungen, Berichte der Gerichtsmedizin, Erkenntnisse europäischer Geheimdienste über die drei kurdischen Revolutionärinnen Sakine Cansız, Fidan Doğan und Leyla Şaylemez, eine chronologische Darstellung der Geschichte der PKK sowie der Friedensverhandlungen und der politischen Entwicklungen in der Türkei in den letzten Jahren, Ergebnisse der in Deutschland, den Niederlanden und Frankreich durchgeführten Ermittlungen, Zeug_innenaussagen, Auszüge aus den Aussagen des mutmaßlichen Mörders, Auszüge aus der Medienberichterstattung, Auszüge aus den im Internet aufgetauchten Informationen des türkischen Geheimdienstes MIT, eine auf YouTube erschienene und Ömer Güney zuzuordnende Sprachaufzeichnung, Informationen von Güneys Freund Ruhi Semen über einen Fluchtplan aus dem Gefängnis, Auswertung der Beziehung des türkischen Geheimdienstes zu Ömer Güney sowie Telefongespräche, die im Hinblick auf die Morde Aufmerksamkeit erregen.Der Prozess in Paris ... | Foto: ANF

Verdacht fällt auf den MIT

Das Gericht beschuldigt Ömer Güney, in Beziehung zu einer Terrororganisation zu stehen und Morde begangen zu haben. Aus diesem Grund wird der mutmaßliche Mörder nach dem Anti-Terror-Gesetz angeklagt. Auch wenn der mutmaßliche Mörder die Vorwürfe bis zu seiner letzten Vernehmung bestritt, geht die Richterin auf Grundlage der Indizien davon aus, dass der Mord an den drei Frauen nicht aus persönlichen Gründen begangen wurde. Die in den ersten sechs Monaten nach dem Mord an den drei Revolutionärinnen durchgeführten Ermittlungen basierten auf der These einer »Abrechnung innerhalb der PKK«. In den Ausführungen der Prozessakte ist jedoch zu erkennen, dass es dafür keinerlei Beweise gibt.

Es ist klar, dass Ömer Güney gute Kontakte zu einer Terrororganisation hatte. Auch wenn nicht ganz klar ist, um welche Organisation genau es sich handelt, gibt es laut Prozessakte Indizien dafür, dass es der türkische Geheimdienst war. Aufgrund der geführten Telefonate und der aufgetauchten Informationen, die eine Beziehung belegen, wird die Möglichkeit der Beteiligung des türkischen Geheimdienstes an den begangenen politischen Morden nicht ausgeschlossen. Inwieweit er jedoch daran beteiligt war, ist noch nicht geklärt. Die Türkei weigert sich, Informationen an das Gericht weiterzuleiten. Es wird zudem auf eine Ansprache Recep Tayyip Erdoğans verwiesen, der darin erklärte, die Morde gingen möglicherweise auf das Konto von Gruppen des sogenannten »tiefen Staates« innerhalb der Türkei, die den Friedensprozess aufhalten wollten.

Deshalb wurden die Gespräche in Oslo und Imralı intensiv verfolgt

In der Prozessakte merkt die Richterin an, dass »es in dem vorliegenden Verfahren viele Elemente gibt, die den Verdacht erwecken, dass der türkische Geheimdienst an der Anstiftung und Vorbereitung der Morde beteiligt ist«. In der Anklageschrift wird nachweislich darauf verwiesen, dass der mutmaßliche Mörder Ömer Güney als Spion tätig gewesen sei und mehrmals an geheimen Treffen in der Türkei teilgenommen habe. Die Frage, ob die Agent_innen des MIT auf Befehl ihrer Vorgesetzten handelten oder ob sie mit ihrer Tat die Friedensverhandlungen torpedieren wollten, konnte laut Anklageschrift nicht geklärt werden. Dass Ömer Güney nach seiner Verhaftung darum bat, die türkische Botschaft in Paris über seine Verhaftung zu informieren, verstärkt den Verdacht einer Beziehung zwischen Güney und dem türkischen Staat.

25 politische Morde

Es ist das erste Mal in der französischen Geschichte, dass der Verdacht für einen Mord auf den türkischen Geheimdienst fällt.

Bis heute sind in Frankreich von verschiedenen Geheimdiensten aus unterschiedlichen Ländern 25 politische Morde begangen worden. In diesem Zusammenhang ist es bis jetzt nicht vorgekommen, dass ein Geheimdienst gerichtlich so offen benannt und verdächtigt wurde. Bei den anderen politischen Morden wurde der Mörder stets an das jeweilige Land ausgeliefert. Zum ersten Mal benennt ein französisches Gericht so offen die Beteiligung eines fremden Landes an einem politischen Mord. Eine große Rolle für die Offenheit des Gerichts spielten die Informationen, die in diesem Fall im Internet aufgetaucht waren. Drei Tage nach dem ersten Jahrestag der Morde tauchte am 12.01.2014 im Internet eine Sprachaufnahme des mutmaßlichen Mörders auf. Darin führt er ein Gespräch mit zwei Agenten des türkischen Geheimdienstes über die Mordpläne in Paris. Zwei weitere Tage später tauchte im Internet ein Dokument auf, in dem der Befehl zur Ermordung von Sakine Cansız festgehalten ist. Dieses Dokument trägt die Unterschriften von Befehlshabern des türkischen Geheimdienstes und deren Untergebenen: O. Yüret, U. K. Ayık, S. Asal und H. Özcan. In dem am 18. November 2012 ausgestellten Dokument wird angegeben, dass im Zusammenhang mit dem Mordauftrag Ausgaben in Höhe von 6 000 Euro getätigt worden seien.

Türkischer Geheimdienst bestreitet Existenz des Dokuments

Nach den Geschehnissen in Paris wurde die Türkei von der französischen Richterin schriftlich ersucht, den Fall betreffende Dokumente zur Verfügung zu stellen. Aber Ankara übermittelte der französischen Staatsanwaltschaft kein einziges den Verdächtigen betreffendes Dokument.

Auch wenn die Ermittlungen abgeschlossen wurden und der türkische Geheimdienst klar in Verdacht geriet, bleiben viele Fragen unbeantwortet.

Was verheimlicht der französische Geheimdienst?

Die Anwält_innen der Familien der drei Revolutionärinnen verlangten, dass die französischen Sicherheitsdienste alle ihnen zur Verfügung stehenden Informationen über die drei kurdischen revolutionären Frauen und deren mutmaßlichen Mörder Ömer Güney der Richterin überlassen sollten. Im April 2015 wurde ein Teil der bisher geheim gehaltenen Dokumente der französischen Geheimdienste der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt. Sie waren jedoch zu 90 % zensiert. Die lesbaren Teile der Dokumente enthielten nur Informationen, die zuvor bereits bekannt gewesen waren (z. B. Geburtsjahr von Sakine Cansız, welche Tätigkeiten sie ausgeübt hatte und weitere bereits aus Presseberichten bekannte Informationen über ihre Person). Die Frage, was sich hinter den zensierten Angaben des französischen Geheimdienstes verbirgt, ist bis heute unbeantwortet.

Ömer Güney lebte bis kurz vor den Morden von Paris in Deutschland. Ein weiteres wichtiges Thema sind daher die Informationen des deutschen Bundesnachrichtendienstes BND über ihn, die mit hoher Wahrscheinlichkeit existieren. Angesichts der Operationen Deutschlands im letzten Jahr, mit denen die Aktivitäten des MIT hierzulande verfolgt wurden, kann davon ausgegangen werden, dass das Personal des MIT sehr ausführlich beobachtet wird.

Der Tatverdächtige Güney lebte bis Ende 2011 in Deutschland. Auch die Personen, mit denen er sich traf, reisten aus Deutschland an. Ebenso wurden die im Internet veröffentlichten MIT-Dokumente und Tonbandaufnahmen von Deutschland aus online gestellt. All diese Informationen befinden sich in den Ermittlungsakten. Diesbezüglich zeigt sich, dass Frankreich während der Ermittlungen bei den deutschen Behörden gegen eine Mauer lief und nicht die gewünschten Informationen erhalten konnte. Medienberichte der letzten Monate über einen Prozess gegen MIT-Angestellte in Deutschland besagen, dass Deutschland in den letzten Jahren die Telefone hierzulande tätiger MIT-Mitarbeiter_innen abhörte. Warum also stellt Deutschland vorhandene Dokumente nicht zur Verfügung?

Der Ruhi-Faktor

Eine zweite entscheidende Frage an die deutschen Geheimdienste stellt sich im Zusammenhang mit Ömer Güneys 55-jährigem Freund Ruhi Semen. Während nicht einmal Güneys eigene Familie ihn während des ersten Jahres der Ermittlungen besucht, reist Semen von Deutschland aus zu Besuchen im Gefängnis an. Seine Besuche bei Güney werden im Rahmen der Untersuchungen abgehört und aufgezeichnet. Während eines Besuchs Semens Ende 2013 ereignet sich etwas Außergewöhnliches. Güney gibt seinem Besucher eine Notiz und bittet ihn, sie seiner Mutter zu übergeben. Obwohl die Anti-Terror-Einheiten der Polizei diesen Vorfall mitbekommen, fordern sie Semen nicht dazu auf, ihnen die Notiz auszuhändigen. Er wird auch nicht festgenommen. Nachdem er nach Deutschland zurückgekehrt ist, wird auf Grundlage einer Entscheidung in Frankreich eine Hausdurchsuchung in seiner Wohnung durchgeführt. Daraufhin wird deutlich, dass er die Notiz Güneys mit seinem Telefon fotografiert und dann vernichtet hatte. Laut der Notiz auf Semens Telefon forderte Güney Waffen, Sprengstoff und Geld. Es zeigt sich deutlich, dass Ruhi Semen keine gewöhnliche Person ist und während Güneys Aufenthalt in Deutschland dessen engster Freund war. Es stellt sich also weiterhin die wichtige Frage, warum die deutschen Behörden Semen schützen.

Besonders fällt auf, dass seit Beginn der Ermittlungen zu den Morden in Paris die verantwortlichen Anti-Terror-Einheiten insbesondere in den Ermittlungsakten immer wieder Beweismittel zensieren. Wie z. B. bei dem Vorfall im Gefängnis, als Ruhi Semen eine Notiz erhält und ihm diese nicht abgenommen wird. Oder als der Mordverdächtige Güney kurz nach der Tat seine Kleidung bei einer Reinigung abgibt und dies den französischen Anti-Terror-Einheiten angeblich nicht auffällt. Und das, obwohl im Auto des Mordverdächtigen bei seiner Festnahme eine Rechnung der Reinigung sichergestellt wurde. Aus den Ermittlungsakten wird auch ersichtlich, dass die zuvor erwähnten Kleidungsstücke von einer anderen Person aus der Reinigung abgeholt wurden, während der Verdächtige in Haft saß.

Damit endet die Nachlässigkeit jedoch nicht. Sehr wahrscheinlich wurde zwei Tage nach den Morden, zwischen dem 12. und dem 13. Januar 2013, von irgendjemand der Tatort betreten. Wer das war, geht allerdings aus keinem Dokument hervor.

Hinzu kommt, dass während der Hausdurchsuchungen in der Wohnung des Mordverdächtigen nicht einmal seine Telefone beschlagnahmt wurden. Nach der ersten oberflächlichen Durchsuchung wird die Wohnung drei weitere Male durchsucht.

Zum Beispiel wird erst nach der zweiten Hausdurchsuchung eine Schneemaske beschlagnahmt, die dem Mordverdächtigen gehörte. Ein Computer, den er zuvor intensiv genutzt hatte, wird allerdings nicht mehr gefunden.

Der verlorene Computer der Richterin

Wie aus den Gerichtsakten ersichtlich wird, haben die Geheimdienste Frankreichs, der Türkei, der Niederlande sowie Deutschlands der Justiz während der dreijährigen Ermittlungen keine Informationen gegeben.

Dass der Laptop der die Ermittlungen leitenden Richterin Duyé bei einem Einbruch in ihrem Haus gestohlen wurde, zeigt das Ausmaß des Drucks auf sie während des ersten Jahres der Ermittlungen. Trotz dieses enormen Drucks sah sich das französische Gericht gezwungen, auf Grundlage der verfügbaren Daten, wie Telefondaten, Dokumenten, Notizen, Tonaufnahmen, Passdaten wie zum Beispiel die Aufenthalte des mutmaßlichen Mörders in der Türkei, auf die Rolle des türkischen Geheimdienstes MIT bei den Morden zu verweisen.

Französische Regierung hörte Kurd_innen nicht an

Vom 23. Januar bis zum 23. Februar 2017 wird der Mordprozess in Paris stattfinden. Während der gesamten Ermittlungsphase hat der französische Staat die Kurd_innen nicht beachtet. Die Forderungen der Familien und kurdischer Institutionen nach Gesprächen wurden jedes Mal zurückgewiesen.

Der damalige französische Innenminister und spätere Premierminister Manuel Valls traf zwei Tage nach den Morden die Vertreter_innen des türkischen Geheimdienstes, versprach den Kampf gegen die PKK zu verstärken und beschuldigte bereits vor Beginn der Ermittlungen die PKK. Wir wissen, dass ein klarer Zusammenhang zwischen dieser politischen Haltung des französischen Staates und seinen wirtschaftlichen Beziehungen zur Türkei besteht. Aber aus den Ermittlungsakten geht klar hervor, dass die Kurd_innen trotz allem bis heute ihren starken Widerstandswillen gezeigt und während des Ermittlungsprozesses eine positive Rolle gespielt haben.

Heute ist es besonders wichtig, dass das Verfahren von internationalen Delegationen verfolgt wird. Es ist wichtig zu zeigen, dass dieser Vorfall keine normalen Morde, sondern ein politisches Massaker im Kontext der kurdischen Frage waren. Alle uns vorliegenden Tatsachen, wie die internationale Dimension dieser Morde, die schweigsame Rolle der Geheimdienste und die wenig unabhängige Haltung der französischen Justiz, machen die Bedeutung internationaler Aufmerksamkeit für dieses Verfahren deutlich. Nur so kann der Schleier, den bestimmte Kreise über die Mordfälle vom 9. Januar 2013 zu legen versuchen, gelüftet werden!


Zum Tod von Ömer Güney: Gemeinsame Erklärung der Angehörigen von Sakine Cansız, Fidan Doğan und Leyla Şaylemez

»Am Freitag, den 16.12.2016, wurde uns durch unsere Anwälte mitgeteilt, dass Ömer Güney, der dringend Tatverdächtige im Mordfall von Sakine, Fidan und Leyla, schwer erkrankt sei und sein Anwalt deswegen seine vorzeitige Haftentlassung fordere. Die Forderung des Anwalts werde am Montag, den 19.12. vom zuständigen Gericht geprüft. Wir, als die Angehörigen der Opfer, wollten gerade zu Beratungen über diese neue Situation zusammenkommen, als wir von der Nachricht, dass Ömer Güney mittlerweile verstorben sei, überrascht wurden.

Kurz nach dem schrecklichen Mord vom 9. Januar 2013  hatten die französischen Behörden die Untersuchungen eingeleitet. Diese hielten mehr als zwei Jahre an und wurden erst im Mai 2015 abgeschlossen und das Ergebnis am 9. Juli 2015 dem Gericht übermittelt. Obwohl die Untersuchungen Mitte 2015 beendet wurden, ist uns lange nicht mitgeteilt worden, wann das Gerichtsverfahren aufgenommen wird. Nach einer weiteren langen Pause wurde schließlich erklärt, dass die Verfahrenseröffnung vor dem Pariser Strafgericht am 5. Dezember 2016 eröffnet werden sollte. Doch dann wurde ohne Begründung im Juni 2016 verkündet, dass die Verfahrenseröffnung abermals verschoben werden soll, und die Prozesstermine wurden zwischen dem 23. Januar und dem 21. Februar 2017 datiert. Bis zu diesem Zeitpunkt taten wir diese Verschiebungen als die gewöhnliche Trägheit der französischen Justizbehörden ab.

Vor dem Hintergrund der neuen Situation möchten wir, als die Familienangehörigen der drei Opfer, allerdings folgende Frage stellen:

Warum wurde das Verfahren gegen Ömer Güney bis heute nicht eröffnet, obwohl bereits seit seiner Festnahme klar war, dass dieser über gesundheitliche Probleme klagt und Güney regelmäßig von Ärzten untersucht wurde?

Weshalb wurde der Zeitraum der Untersuchungen gegen Ömer Güney sechs Monate weiter hinausgezögert, wenn doch nach den ersten zwei Jahren der Untersuchung, außer einigen wenigen offiziellen Dokumenten, keine weitere Erkenntnisse zu der Untersuchungsakte hinzugefügt wurden und die Gesundheitsprobleme des Tatverdächtigen bekannt waren?

Weshalb wurde der Prozessbeginn auf den Januar 2017 datiert, wenn bereits Mitte 2015 die offiziellen Untersuchungen abgeschlossen wurden? Weshalb kam es zu der letzten Verschiebung des Prozessbeginns vom 5. Dezember 2016 auf den 23. Januar 2017?

In den Untersuchungsakten und der Anklageschrift wird dargelegt, dass es sich bei dem Mord um eine organisierte Tat handelt, hinter der nicht nur eine Einzelperson steht, sondern der türkische Geheimdienst MIT. Vor diesem Hintergrund stellen wir die Frage, weshalb kein anderer Täter ausfindig gemacht wurde und das Verfahren auf die Einzelperson von Ömer Güney beschränkt werden sollte?

Wir, als die Angehörigen der Opfer, erwarten Antworten auf diese Fragen.

Wir haben stets gefordert, dass die Kräfte hinter dem Mord ans Tageslicht gebracht werden sollen. Unzählige Mal haben die kurdische Bevölkerung und wir, die Familienangehörigen, auf demokratischen Protestkundgebungen die französische Justiz zur Gerechtigkeit und Aufklärung aufgerufen. Wir haben bei jeder Gelegenheit die politischen Institutionen in Frankreich aufgefordert, aufgrund von politischen und wirtschaftlichen Interessen, die tatsächlichen Kräfte hinter dem Mord nicht zu decken. Mindestens genauso oft haben wir gewarnt, dass der mutmaßliche Mörder unter Umständen aus dem Weg geschafft werden könnte. Und trotz unserer unzähligen Warnungen behielten wir letzten Endes leider doch Recht.

Es sieht danach aus, dass ein bereits seit langer Zeit niedergeschriebenes Drehbuch nun in die Tat umgesetzt wurde. Denn wenn es zu dem Verfahren gekommen wäre, dann wäre nicht nur Ömer Güney vor Gericht gestellt worden. Auch der türkische Staat, der türkische Geheimdienst MIT und die türkische Regierung wären mit ihm vor Gericht gestellt und verurteilt worden. Ömer Güney war eine Spielfigur und mit seiner Beseitigung wurde der türkische Staat geschützt.

Verantwortlich für diese Situation sind die französischen Behörden.

Wir, als die Angehörigen der Opfer, werden die Akte und diesen Fall weiter verfolgen. Der Täter war nicht alleine. Die übrigen Täter müssen gefunden und vor Gericht gestellt werden. Nur weil ein Verdächtiger beseitigt wurde, darf die Akte nicht geschlossen werden und der türkische Staat einem Prozess nicht entkommen.

Wir möchten die Öffentlichkeit informieren und bitten alle um Hilfe, die Gerechtigkeit wollen.

Metin Cansız, Bruder von Sakine Cansız
Hasan Doğan, Vater von Fidan Doğans
Cumali Şaylemez, Vater von Leyla Şaylemez
17.12.2016«