Das neue Buch von Karin Leukefeld über geschichtliche und aktuelle Entwicklungen in Syrien

Syrien zwischen Schatten und Licht

Elmar Millich, Kurdistan-Solidaritätskomitee Berlin

In ihrem vor einem Jahr erschienenen Buch »Flächenbrand« analysierte die Journalistin und Autorin Karin Leukefeld ausführlich die aktuelle Entwicklung in Syrien. Darin wurde auf historische Entwicklungen nur insoweit eingegangen, wie es der Autorin zum Verständnis der aktuellen Situation notwendig erschien. Ihr aktuell erschienenes neues Buch »Syrien zwischen Licht und Schatten« macht es umgekehrt und geht vor allem auf die historischen Entwicklungen und das Mit- und Gegeneinander der verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen und politischen Strömungen ein. Beginnend mit dem Ersten Weltkrieg, der erzwungen Neuaufteilung des Mittleren Ostens durch das Sykes-Picot-Abkommen und der Massendeportation der Armenier aus der heutigen Türkei führt die Autorin uns bis in die aktuellen Kriegsauseinandersetzungen, welche die Schlagzeilen über Syrien seit 2012 füllen.

Lebendig wirkt das Buch vor allem durch den Doppelaufbau. Zum Abschluss jedes geschichtlichen Einzelkapitels erfolgen subjektive Schilderungen der Ereignisse von Zeitzeugen, von denen die Autorin viele bei ihren zahlreichen Aufenthalten in Syrien selbst kennengelernt und interviewt hat. Dabei wird vor allem die Vielfalt der syrischen Gesellschaft deutlich, die von christlichen Drusen ebenso geprägt wurde wie von Alaviten, sunnitischen Arabern, Armeniern, palästinensischen Flüchtlingen, Kurden und vielen anderen Gruppen.

Diese Vielfalt scheint durch den Krieg bereits unwiderruflich verloren gegangen zu sein. In Gebieten unter Kontrolle der vom Westen unterstützten islamistischen Milizverbände blieb vor allem den verschiedenen christlichen Bevölkerungsteilen kaum eine andere Wahl, als sich auf die gefährliche Flucht nach Europa zu begeben. Die Stimmen kirchlicher Würdenträger, die schon 2012 vor dieser Entwicklung warnten, wurden im Rahmen der hier einsetzenden hysterischen Stimmungsmache gegen das »Assad-Regime« überhört oder gar diffamiert.

Karin Leukefeld zeigt sich als ausgezeichnete Kennerin der Verhältnisse im Mittleren Osten. Anders als in den ethnisch und religiös weitgehend homogenen europäischen Nationalstaaten bedarf es dort einer Politik, die für einen ständigen Ausgleich zwischen den verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen sorgt, um politische Stabilität sicherzustellen. Dass dabei, wie die Geschichte Syriens zeigt, auch immer wieder autoritäre Regierungen das Ruder übernehmen, ist zum Teil dieser Komplexität und der Intervention ausländischer Mächte geschuldet und hat nichts mit dem in Europa verbreiteten rassistischen Vorurteil zu tun, dass Araber halt keine Demokratie können.

Die Autorin ist nach wie vor der Hoffnung, dass es zu einer Aussöhnung der innersyrischen Kräfte kommen könnte, wenn die Kriegsunterstützung vor allem aus der Türkei, Saudi-Arabien und Katar unterbliebe. Danach sieht es leider nicht aus. Genau diesen Gruppen haben die sogenannten »Freunde Syriens«, zu denen auch Deutschland zählt, das alleinige Verhandlungsmandat bei den Genfer Friedensgesprächen zugesprochen. Das Buch gibt aber vielen eine Stimme, die auch in Syrien nach wie vor an die Humanität glauben.


Syrien zwischen Licht und Schatten
Karin Leukefeld
Rotpunktverlag, Zürich, 2016
334 Seiten,
24 Euro