Südkurdistan: PDK überfällt REPAK-Zentrum in Hewlêr

Wir werden unsere Arbeit in Zukunft noch stärker fortführen ...

Erklärung des Kurdischen Zentrums für Frauenangelegenheiten (REPAK)

Am Morgen des 5. Juni 2016 gegen 9 Uhr wurde eine Razzia in den Räumlichkeiten des Kurdischen Zentrums für Frauenangelegenheiten (REPAK) in Hewlêr (Erbil) – Başûr (Südkurdistan/Nordirak) – durch Polizeieinheiten durchgeführt. Den dort arbeitenden Frauen sowie der Vorsitzenden wurden umgehend Ausweispapiere und Mobiltelefone abgenommen, so dass niemand außerhalb des Gebäudes informiert werden konnte. Die schwerbewaffneten Sicherheitskräfte und mittlerweile anwesenden Geheimdienstmitarbeiter gaben weder eine Begründung zu der Razzia ab, noch legten sie ein Beschlussdokument vor, das die Hausdurchsuchung rechtlich legitimieren würde. Resultat der Aktion war die Schließung der REPAK-Räumlichkeiten sowie die Ausweisung der dort arbeitenden Frauen aus der Stadt. Außerhalb der Stadt wurden die Aktivistinnen mitten auf einer Straße ausgesetzt, sie bekamen ihre Papiere und Mobiltelefone zurück und ihnen wurde erklärt, dass es ihnen von nun an untersagt sei, die Stadt jemals wieder zu betreten. All dies geschah gegen jegliches bestehendes Recht.

Kurdischen Zentrums für Frauenangelegenheiten (REPAK) Das REPAK-Zentrum wurde im März 2014 in Hewlêr als NGO (Nichtregierungsorganisation) gegründet. Das Hauptziel des REPAK war es das Band und die Zusammenarbeit zwischen verschiedenen kurdischen Frauenorganisationen zu stärken. Gleichzeitig arbeitet das REPAK mit einer großen Anzahl an Frauen, Zivil- und Menschenrechtsorganisationen sowohl in Kurdistan als auch auf internationaler Ebene zusammen, um die Situation kurdischer Frauen und deren Kampf bekannter zu machen. Gerade durch die Angriffe des Islamischen Staats (IS) in Südkurdistan wurde das REPAK zu einer der zentrale Anlaufstellen für Frauendelegationen nach Kurdistan, um die Situation und den Kampf kurdischer Frauen kennenzulernen und zu dokumentieren. Vertreterinnen des REPAK nahmen an dutzenden internationalen Konferenzen und Seminaren teil und teilten die Erfahrungen über die Situation der Êzîdinnen, die vom IS entführt und versklavt wurden, aber auch über den enormen Widerstand kurdischer Frauen und ihren Kampf um Freiheit. Zudem ist das REPAK Teil internationaler Frauenorganisationen und Strukturen und zentrale Koordination im Mittleren Osten, wie beispielsweise für die Weltfrauenkonferenz.

Die Razzia und De-facto-Schließung eines Zentrums einer Frauenorganisation wie des REPAK in Zeiten, in denen die Angriffe des IS gegen Südkurdistan anhalten, verdeutlicht ein ernsthaftes Problem der lokalen Regierungsstrukturen und hinterlässt ein großes Fragezeichen.

Während sich das Sykes-Picot-Abkommen zum 100. Mal jährt, das die Grundlage für die Teilung Kurdistans auf vier Nationen darstellt, während unzählige Erklärungen zur Unsinnigkeit dieser künstlichen Grenzziehung abgegeben worden sind, versucht eine politische Partei dennoch neue Grenzen in Südkurdistan zu ziehen, indem sie Aktivist*innen und Politiker*innen von »ihrem« Territorium vertreibt. In einer Zeit, in der die Einheit der Kurd*innen wichtiger ist als jemals zuvor, betreibt die PDK (Demokratische Partei Kurdistan) mehr und mehr eine Politik der Teilung und Zersplitterung Südkurdistans.

Während also einerseits ein klares Hindernis für ein einheitliches Zusammen entsteht, zeigt sich auf der anderen Seite die deutliche Einstellung der südkurdischen Regierung unter Barzanî gegenüber der Frauenbewegung. Somit ist klar, dass das REPAK nicht zufällig zum Ziel dieser massiven Repression wurde. Innerhalb der letzten Monate wurden wiederholt explizit weibliche Aktivistinnen von PDK-Kräften in Städten wie Hewlêr, Zaxo und Duhok festgenommen. Eines der wohl bekannteren Beispiele stellt die Festnahme der êzîdischen Journalistin Aysel Avesta dar, sie wurde über eine Woche im Gefängnis festgehalten und erst nach starkem innerkurdischen und internationalen Druck freigelassen. Die Schließung des REPAK-Zentrums sowie die Ausweisung der dort arbeitenden Aktivistinnen ist nicht einfach nur ein Angriff auf die betroffenen Frauen, sondern ein Angriff auf den Frauenbefreiungskampf. Die PDK handelt nach der allgegenwärtigen männlichen Mentalität, der männlichen Vorherrschaft, die die Frauen als Menschen zweiter Klasse unterdrückt halten, und versucht die Entwicklung und Bewusstwerdung der Frauenbefreiung, die Demokratisierung der Politik und eine insgesamt umfassende Veränderung zu verhindern, die die strukturellen Probleme Südkurdistans lösen könnte.

Wir als REPAK werden die Schließung unseres Zentrums nicht hinnehmen, wir werden uns der patriarchalen Mentalität nicht ergeben, auf deren Grundlage versucht wird, neue Grenzen zu ziehen. Wir werden unsere Arbeit in Zukunft noch stärker fortführen und eine öffentliche Stimme des kurdischen Frauenwiderstandes innerhalb und außerhalb Kurdistans sein. Wir werden den Widerstand der kurdischen Frauen für ein freies Leben noch stärker und effektiver repräsentieren, dieser Widerstand, der ohne Frage eine große Bewunderung auf sich gezogen hat und zu einer enormen Inspiration für Frauen weltweit wurde.

Wir rufen alle Frauen- und Menschenrechtsorganisationen und alle Aktivist*innen auf, gegen den Angriff auf das REPAK und somit gegen den Angriff auf den Frauenbefreiungskampf zu protestieren. Getroffen hat es das REPAK, doch gezielt wurde und wird auf uns alle. Lasst uns gemeinsam unsere Stimmen erheben – für die Freiheit der Frau, gegen die patriarchale Mentalität.

5. Juni 2016
REPAK Vorstand