Neuerscheinung über eine Kriegsregion

Wieland Schneider: »Krieg gegen das Kalifat«

Buchbesprechung von Elmar Millich

Wieland Schneider, Redakteur bei der österreichischen Tageszeitung »Die Presse«, hat mit seinem neu erschienenen »Krieg gegen das Kalifat« ein sehr aktuelles Buch zu den Entwicklungen im Mittleren Osten herausgebracht. Im Zentrum der Ausführungen steht der Aufstieg des »Islamischen Staats (IS)« in Syrien und im Irak. Dazu geht Schneider am Anfang auf die Entwicklungen infolge des Afghanistan-Krieges ein und schildert die politischen und personenbezogenen Auseinandersetzungen innerhalb der Terrororganisation Al-Qaida, die zur Abspaltung des späteren IS führten. Die Unterstützung, die dieser am Anfang vor allem unter der sunnitischen Bevölkerung im Irak erhielt, führt Schneider auf die verfehlte Politik der USA nach dem Golfkrieg zurück, wodurch sich bis in die jüngste Zeit taktische Bündnisse zwischen dem IS und hochrangigen Personen aus der ehemaligen Baath-Partei von Saddam Hussein ergaben. Das Buch ist aber angenehmerweise nicht durchgehend chronologisch und nach Regionen sortiert aufgebaut, sondern setzt die Entwicklungen im gesamten Mittleren Osten – vor allem aber in Syrien und im Irak – zu verschiedenen Zeitpunkten ständig miteinander in Beziehung. Dass es sich um ein durchkonzeptioniertes Buch aus einem Guss handelt, unterscheidet es sehr positiv von anderen Neuerscheinungen zu diesem Thema, in denen oft mehrere Aufsätze einer/s oder verschiedener AutorInnen in Buchform herausgegeben werden.

Krieg gegen das KalifatWie schon der Untertitel – Der Westen, die Kurden und die Bedrohung »Islamischer Staat« – zeigt, stellt die Rolle der KurdInnen beim Kampf gegen den IS einen Schwerpunkt in den Ausführungen dar. Der Autor hatte in den letzten zwei Jahren mehrere Recherchereisen in das von der PKK dominierte Kandil-Gebirge, die êzîdisch geprägte Şengal-(Sindschar-)Region und in den kurdischen Teil Syriens – Rojava – unternommen. Er beschreibt sowohl die militärische Zusammenarbeit der verschiedenen kurdischen Parteien beim Kampf gegen den IS als auch deren politische Zerstrittenheit. Die Ausführungen zeigen eine hohe Kenntnis der Zerwürfnisse in der Region als auch eine große Detailtiefe, etwa wenn er auf die aktuellen politischen Auseinandersetzungen innerhalb der êzîdischen Bevölkerung zwischen PKK- und Barzanî-nahen Kräften eingeht.

Die Interessen des »Westens«, aber auch Russlands und der Regionalmächte analysiert Schneider anhand anerkannter Quellen und vermeidet sowohl Parteinahme als auch Spekulation. Im letzten Kapitel gibt der Autor einen Ausblick auf die Entwicklungen und geht auch auf die neuen Auseinandersetzungen zwischen dem türkischen Staat und der PKK ein. Die Beendigung des Verhandlungsprozesses durch Erdoğan beschreibt er aus dessen Sicht als strategischen Befreiungsschlag, da die PKK zuletzt im Westen durch ihren Kampf gegen den IS zu viel Ansehen gewonnen hatte.
Das Buch von Wieland Schneider zeichnet sich sowohl durch seinen Sprachstil als auch durch die Detailkenntnis aus. Es gibt einen aktuellen Überblick über die Situation in der Region und schildert vorurteilsfrei die Rolle der KurdInnen in den politischen und militärischen Auseinandersetzungen.


Krieg gegen das Kalifat
Der Westen, die Kurden und die Bedrohung »Islamischer Staat«
Wieland Schneider
Braumüller Verlag,
248 S., 21,90 Euro