Die Bundesrepublik Deutschland hält unvermindert an der Strafverfolgung kurdischer, linker und revolutionärer Organisationen aus der Türkei fest

Vorreiterrolle der BRD-Justiz in Europa bei der Kriminalisierung fortschrittlicher Organisationen

Frank Jasenski, Rechtsanwalt

Mitte April 2015 wurden in einer europaweit koordinierten Aktion auf der Grundlage von Haftbefehlen des Bundesgerichtshofs elf Personen unter dem Vorwurf der Mitgliedschaft bzw. Rädelsführerschaft in »der ausländischen terroristischen Vereinigung TKP/ML« (§ 129 b StGB) verhaftet, davon sieben in der BRD, zwei in Griechenland und je einer in der Schweiz und Frankreich. In einem Fall hat die griechische Justiz die von der BRD beantragte Auslieferung in die BRD abgelehnt und den Betroffenen freigelassen. Alle anderen befinden sich seitdem in Haft in der BRD unter Isolationshaftbedingungen einschließlich Trennscheibe bei Verteidigergesprächen und Kontrolle der Verteidigerpost.

freiheit fur alle politischen gefangenenNach den Ausführungen des BGH in den Haftbefehlen habe sich die TKP/ML zum Ziel gesetzt, die »derzeitige Staats- und Gesellschaftsordnung in der Türkei ... zu beseitigen und durch eine demokratische Volksrevolution den Sozialismus unter der Diktatur des Proletariats und eine kommunistische Gesellschaftsordnung einzuführen.« Neben dem Vorwurf bewaffneter Aktionen in der Türkei werden an mehreren Stellen in den Haftbefehlen gemeinsame bewaffnete Aktionen mit Kräften der HPG vor Erklärung des Waffenstillstands sowie angebliche »strategische Gespräche« u. a. mit Vertretern der PKK hervorgehoben, beispielsweise auf politischer Ebene bei den Kommunalwahlen in der Türkei. In der BRD werden den Inhaftierten die Beschaffung von Finanzmitteln durch Spendensammlungen, die Durchführung von Veranstaltungen und die Rekrutierung neuer Kader zum Vorwurf gemacht.

Mit dieser Verhaftungswelle hat die deutsche Justiz die Strafverfolgung nach § 129 b StGB nach der DHKP-C und der PKK auf eine dritte Organisation ausgeweitet und damit ihre Vorreiterrolle in Europa bei der Kriminalisierung kurdischer und fortschrittlicher, linker und revolutionärer Organisationen aus der Türkei ein weiteres Mal bestätigt. Auf dieser Linie liegen auch das Verbot der – selbst in der Türkei legal erscheinenden – Zeitung »Yürüyüş« durch das Bundesinnenministerium, die Verhaftung eines weiteren kurdischen Politikers, Ahmet C., am 18.07.2015 unter dem Vorwurf der Mitgliedschaft in der PKK sowie die in letzter Zeit verhängten drastischen Strafen von bis zu sechs Jahren Haft in Verfahren gegen kurdische und türkische Oppositionelle vor den Oberlandesgerichten in Düsseldorf und Stuttgart.

Voraussetzung für die Strafverfolgung einer Organisation als »terroristische Vereinigung im Ausland« gemäß § 129 b StGB für Organisationen in Ländern außerhalb der Europäischen Union ist die ausdrückliche Ermächtigung durch das Bundesministerium für Justiz und damit letztlich eine politische Entscheidung der Bundesregierung. Die oben dargestellten Strafverfolgungsmaßnahmen der letzten Monate erfolgen in einer Zeit, in der sich insbesondere die PKK und linke politische Kräfte in der Türkei als entschiedenste und wirksamste Kraft im Kampf gegen die faschistischen Mörderbanden des IS oder der Al-Nusra-Front erwiesen haben. Gerade diese Kräfte werden durch die unvermindert fortgesetzte Strafverfolgung in der BRD und Kriminalisierung nach den »Anti-Terror-Paragraphen« 129 a und 129 b StGB geschwächt und in den Augen der Öffentlichkeit als »Terroristen« diffamiert, während die Luftangriffe der türkischen Armee auf angebliche Stellungen der PKK im Nordirak mit zahlreichen zivilen Opfern seitens der Bundesregierung kein Wort der Kritik finden.

An dieser Praxis muss sich die Bundesregierung messen lassen. Umso wichtiger ist es, nach wie vor die längst überfällige Aufhebung des PKK-Verbots in der BRD zu fordern, ebenso wie die Aufhebung der §§ 129 a und 129 b StGB und die Einstellung aller Verfahren gegen alle unter dem Vorwurf der Zugehörigkeit zu kurdischen, linken und revolutionären Organisationen aus der Türkei Inhaftierten und deren sofortige Freilassung.