»Die Guerilla wird sich nicht zurückziehen«

Krieg und Frieden

Cemil Bayık im Interview

Erdal Er sprach für Mednuce TV mit Cemil Bayık, Kovorsitzender des Exekutivrates der Gemeinschaft der Gesellschaften Kurdistans (KCK). Das Interview wurde am 11.08.2015 ausgestrahlt und am 12.08. bei ANF veröffentlicht.

Wer hat den Krieg begonnen?

Es ist eine Tatsache, dass der Waffenstillstand von Recep Tayyip Erdoğan und der AKP beendet wurde. Niemand kann behaupten, dass ihn die PKK beendet und den Krieg begonnen habe. Für ihre politischen Ziele wollen Erdoğan und die AKP einen Krieg entfachen. Gegen diesen inszenierten Krieg nehmen wir unser natürliches Recht auf Selbstverteidigung wahr. In der UN-Charta ist verankert, dass ein Volk, das Angriffen ausgesetzt ist, sich verteidigen kann. Das ist das, was wir tun. Selbst ein Tier wehrt sich, wenn es zur Schlachtbank geführt wird.

Haben Sie eine Entscheidung für den Krieg getroffen?

Nein, die PKK macht Gebrauch von legitimer Selbstverteidigung. Wenn wir vorgehabt hätten, einen Krieg zu beginnen, hätten wir das in der Wahlkampfphase gemacht.

Warum erwähnen Sie, dass Sie den Krieg »während des Wahlkampfs« begonnen hätten?

Weil die AKP und Erdoğan in dieser Phase eine sehr provokante Politik betrieben haben. Um den Boden für einen Krieg zu bereiten, haben sie uns provoziert. Trotz alldem handelten wir mit gesundem Menschenverstand und haben keinen Krieg begonnen. Wir haben uns große Mühe gegeben, damit die Wahl reibungslos verläuft. Was sagte Erdoğan im Wahlkampf? »Es gibt kein Kurden-Problem«, »es gibt keinen Dolmabahçe-Konsens«, »ein Beobachtungskomitee kann es nicht geben«, »es gibt keinen Verhandlungstisch«, »es gibt keine Verhandlungspartner«. Das alles hat er öffentlich geäußert. Seit dem 5.4.2015 besteht kein Kontakt mehr zum Vorsitzenden Abdullah Öcalan. Mit all diesen Ereignissen haben sie den Waffenstillstand aufgehoben und den Friedensprozess beendet. Das bedeutet, dass sie den Krieg begonnen haben.
Erdoğans Annäherungsweise an den Prozess hatte dazu geführt, dass die Guerilla in Agirî (Ağrı) angegriffen wurde. Um eine Auseinandersetzung zu verhindern, ging die Bevölkerung dazwischen. Dort sind Zivilisten und Guerillakämpfer gefallen und verletzt worden. Auf die Büros der Demokratischen Partei der Völker (HDP) in Adana und Mersin wurden Bombenanschläge verübt. In Amed (Diyarbakır) fand ein großes Massaker statt. Nach der Wahl gab es Massaker in Kobanê und Pîrsûs (Suruç). Wer hat das alles gemacht? Die PKK wohl eher nicht ...

Weshalb finden Ihrer Meinung nach diese Anschläge statt?

Sie wurden von Kräften verübt, die die Weiterentwicklung der kurdischen Freiheitsbewegung in der Türkei, den Wahlerfolg der HDP und den Einzug demokratischer Kräfte in das Parlament nicht verkraften. Können all diese Angriffe als etwas anderes als eine Kriegsvorbereitung verstanden werden? Nach diesen Angriffen hat die PKK einen Selbstverteidigungskrieg begonnen.

Sie sagen Selbstverteidigungskrieg. Bedeutet das, dass die Guerilla-Einheiten noch nicht eingeschritten sind?

Ja. Die Guerilla führte nach den Angriffen auf die Bevölkerung und auf demokratische Kräfte einige Vergeltungsaktionen durch. Sie hat immer noch keine Kriegsentscheidung getroffen, sie beteiligt sich immer noch nicht mit allen Kräften am Krieg. Dessen sollte sich die Öffentlichkeit bewusst sein.

Wie bewerten Sie die Luftangriffe? Als Kontinuität der erwähnten Anschläge? Haben Sie damit gerechnet?

Der 24. Juli ist ein sonderbares Datum.

Warum?

Weil es das Datum der Unterzeichnung des Vertrags von Lausanne ist. Es ist bemerkenswert, dass die Luftangriffe auf die kurdische Freiheitsbewegung an diesem Datum stattfanden. In Lausanne wurden die Kurden ausgestoßen. An demselben Datum wurde ein großer Angriff auf die Kurden gestartet.

Kann das kein Zufall sein?

Nein, es ist kein Zufall. Der 24. Juli wurde bewusst gewählt. Warum gerade der und kein anderes Datum? Weil in Lausanne Kurdistan aufgeteilt und grünes Licht für die Ablehnungs- und Vernichtungspolitik gegeben worden war, die seitdem praktiziert wird. Am 24. Juli wurden die Verteidigungsbasen mit Hunderten von Bomben angegriffen. Gemäß Davutoğlus Worten wurden in einer Nacht 400 Bomben auf die Guerilla abgeworfen. Und wieder wurden Hunderte von Menschen verhaftet und inhaftiert. Das ist eine Kriegserklärung, die sich an alle Kurden richtet. Es ist ein Krieg, der den Willen der Kurden brechen soll. In deren Gestalt sollen dadurch linke Kräfte, Völker und Kulturen in die Knie gezwungen werden werden.Demonstration in Şirnex gegen den Terror der AKP-Regierung

Versucht Erdoğan das, was er vor der Wahl mit Ihnen nicht machen konnte, durch eine Kriegserklärung nachher zu schaffen?

Allerdings. Nachdem sie vorher gescheitert sind, versuchen sie ihre Ziele durch eine Postwahltaktik zu erreichen. Vor der Wahl wollten sie ihre Ziele durch die Verhinderung des Einzugs der HDP und demokratischer Kräfte ins Parlament verwirklichen. Nachdem ihnen das nicht gelungen ist, versuchen sie die HDP im Parlament zu schwächen, indem sie sie diffamieren und als Teil der Gewalteskalation darstellen. Eigentlich ist das Ziel der Luftangriffe und Verhaftungen, die HDP unter die Zehnprozenthürde zu drücken.

Ziel ist es, die HDP unter die Zehnprozenthürde zu drücken

Ist es eine Art Wegbereitung vor der Wahl?

Ja, weil Erdoğan Neuwahlen im November anstrebt. Dafür verhindert und vereitelt er die Bildung einer Koalitionsregierung. Er gewinnt durch taktische Manöver Zeit und will Neuwahlen für die Türkei. Sein einziges Ziel ist es, die HDP gesellschaftlich und die PKK international und im Mittleren Osten zu diskreditieren. Durch den Kampf gegen den Islamischen Staat (IS) hat die PKK bei den Kurden, im Mittleren Osten wie auch international an Prestige gewonnen. Sie hat die Wahrnehmung verändert und neue Wahrnehmungen geschaffen. Sie hat Zuspruch bei weiten Kreisen gefunden. Die PKK hat durch den Kampf gegen den IS nicht nur die Kurden, die Völker des Mittleren Ostens, die Religionen oder Kulturen beschützt, sie hat die Menschheit und deren Werte beschützt. Daher hat sie großen Eindruck hinterlassen. Erdoğan und die AKP können das nicht verkraften und planen deren Zerstörung. Deshalb greifen sie an. Sie stellen PKK und IS gleich. Sie wollen das Prestige der PKK zerstören.

Die Türkei hat dem IS nicht den Krieg erklärt

Die Türkei behauptet, sie habe dem IS den Krieg erklärt. Wie bewerten Sie diese Aussage?

Das stimmt nicht. Die Türkei wurde durch ihre Beziehungen zum IS bloßgestellt und war mit internationalem Druck konfrontiert. Erdoğan geriet innen- wie außenpolitisch in eine Sackgasse. Um da herauszukommen, musste er eine Gegenposition zum IS einnehmen. Davor hatte er so nicht Stellung bezogen. Wann hat er diese Gegenposition eingenommen? Nach den Massakern in Kobanê und Pîrsûs musste er eine solche Stellung beziehen. Hätte er seine frühere Position zum IS beibehalten, würde das für ihn und die AKP äußerst gefährlich werden. Um sich von dem internationalen Druck zu befreien und der Bloßstellung durch ihre Beziehungen zum IS entgegenzuwirken, haben sie einen solchen taktischen Schritt unternommen. Währenddessen haben sie auch die Angriffe auf die PKK aufgenommen. Sie haben PKK und IS in einen Topf zu werfen versucht. Das ist ein kalkulierter Schachzug. Die AKP-Regierung behauptet, sie seien Teil der internationalen Anti-IS-Koalition. Wenn das stimmt, sollten sie sich bewusst sein, dass der erfolgreichste Kampf gegen den IS von der PKK und ihr nahestehenden Kräften geführt wird. Die Türkei sollte sie nicht angreifen. Ganz im Gegenteil, sie muss mit ihnen, mit der internationalen Koalition zusammen gegen den IS kämpfen. Paradoxerweise kämpft sie unter dem Deckmantel des »Krieges gegen IS« in Wahrheit gegen die PKK. Sie versucht die kurdischen Guerillas weitgehend zu schwächen. Sie kämpft gegen die HDP und die demokratischen Kräfte, die in dieser vertreten sind und auf legaler Ebene eine Politik der demokratischen Nation verkörpern. Sie versucht sie weitgehend zu schwächen. Welche Angriffe hat die Türkei bisher gegen den IS unternommen? Es fand keiner statt. Sie greift die PKK, YPG und HDP an und führt Verhaftungen in der Bevölkerung durch. Sie haben ihren gesamten Kriegsapparat gegen die kurdische Freiheitsbewegung mobilisiert. Das führt international zur Verwirrung. Manche fühlen sich sogar zu einer Erklärung verpflichtet, die Türkei solle sich um den IS kümmern, sie hätten nicht unter dem Deckmantel des Kampfes gegen den IS in einen Krieg gegen die Kurden eingewilligt. Sie äußern dadurch ihren Unmut. Sie implizieren aber damit auch, dass sie hintergangen wurden.

Denken Sie, dass während der Incirlik-Verhandlungen die USA und die Türkei eine gegen Sie gerichtete Vereinbarung getroffen haben? Obama erklärte, ihre Priorität sei der IS und nicht die PKK; das führte zu Behauptungen, die Türkei handle nicht vereinbarungsgemäß.

Wir sind uns bewusst, dass die Angriffe auf die PKK, die Guerilla und die kurdische Freiheitsbewegung nach dieser Vereinbarung stark zugenommen haben. Wenn es kein Abkommen zur Bekämpfung der PKK gibt, wenn dieser Angriff gegen die PKK nicht Teil des Abkommens zwischen den USA und der Türkei ist, dann dürfte die Türkei diese Angriffe nicht führen. Wenn sie dennoch stattfinden, weist das zumindest darauf hin, dass grünes Licht dafür gegeben wurde. Wäre dem nicht so, könnte die Türkei nicht derartig breite Angriffe unternehmen. Es ist offensichtlich, dass im Gegenzug zur Incirlik-Airbase eine Vereinbarung getroffen wurde, die den Angriff auf die PKK billigt. Die Türkei hat auf dieser Basis einen derart umfangreichen Angriff begonnen. Eine andere Erklärung gibt es dafür nicht. Ich hoffe, dass durch das Incirlik-Abkommen eine solche Vereinbarung nicht getroffen wurde. Aus Obamas Äußerungen können wir heraushören, dass er sich verpflichtet fühlt, die Türkei zu ermahnen, weil die sich nicht an die Vereinbarung hält. Das ist positiv.

Wie bewerten Sie das »Zergelê-Massaker«? Die AKP-Regierung behauptet, Zergelê sei ein PKK-Lager, in dem Dorf lebten keine Zivilisten und die Ermordeten seien keine Zivilisten, sondern PKKler.

Jeder weiß, dass Zergelê kein PKK-Lager, sondern ein Dorf ist. Die Presse war auch dort und hat es gesehen. Wir haben der türkischen Presse und türkischen Politikern garantiert, für ihre Sicherheit zu sorgen, und sie eingeladen, herzukommen und sich ein eigenes Bild von der Situation zu machen. Aber sie sind nicht gekommen, sie konnten nicht kommen. Das, was angerichtet wurde, ist ein Massaker, eine Grausamkeit. Sie haben Zergelê bewusst bombardiert, das war kein Versehen. Versehen kommen in Kriegen vor. Es kommt vor, dass Ziele verfehlt werden. Aber Zergelê war kein Ort, der versehentlich angegriffen wurde. Dort gibt es auch keine Guerilla-Einheiten. Es ist ein Dorf und besteht vollständig aus Dorfbewohnern. In diesem Dorf gibt es sogar einige Peschmerga, die an der Front gegen den IS kämpfen. Die Türkei hat dieses Dorf bewusst ausgewählt. Sie hat es bewusst attackiert.Dies war einmal das Dorf Zergelê

Wieso, denken Sie, wurde das Dorf bewusst angegriffen?

Mit dem Angriff auf Zergelê werden mehrere Ziele verfolgt. Erstens sollen dadurch die Dorfbewohner eingeschüchtert werden. Ihnen soll die Botschaft vermittelt werden: »Unterstützt nicht die PKK, betrachtet die PKK nicht als Befreiungsbewegung. Wenn Ihr Euch mit der PKK verbündet, werden wir Euch töten.« Im Grunde wollten sie die Dorfbewohner einschüchtern, verängstigen und aus dem Gebiet vertreiben. Sie wollten im Dorf verbreiten, dass sie erschossen werden, weil sie sich innerhalb eines PKK-Gebiets befinden, mit der PKK zusammen agieren und sie unterstützen. Sie wollten den Dorfbewohnern vermitteln, dass sie sich gegen die PKK stellen müssen, wenn sie nicht erschossen werden wollen. Sie wollen das Zusammenkommen von PKK und Bevölkerung verhindern, die Unterstützung unterbinden. Sie wollen, dass sich die Bevölkerung gegen die PKK wendet, die PKK aus der Region vertrieben wird. Mit diesen Zielen haben sie Zergelê bombardiert, die Dorfbewohner massakriert. Für ihre politischen Ziele nehmen sie die Massakrierung der Bevölkerung in Kauf. Sie denken, dass sie dadurch in der Türkei wie auch in der Region ihre politischen Ziele erreichen können. Das ist eine äußerst barbarische Politik. Es übertrifft sogar den Begriff vom schmutzigen Krieg.

Aber das ist nichts Neues, denken Sie, dass das Problem mit Massakern behoben werden kann?

Es ist offensichtlich, dass diese Politik zu nichts führt. Mit derartigen Massakern tragen sie dazu bei, dass die Wut der kurdischen Bevölkerung zunimmt, dass sie noch enger mit der PKK zusammenwächst. Die Komplotte gegen die PKK werden niemals Früchte tragen, weil sie und das kurdische Volk zusammengewachsen sind, weil sie nicht mehr voneinander zu trennen sind. Zergelê ist nicht das erste Massaker. In Südkurdistan, Qandîl, Xakûrkê, Gare und Haftanin waren zuvor schon Dörfer, Hirten, Kinder und Frauen angegriffen, die Berge und Wälder niedergebrannt worden. Es wurde großer Schaden angerichtet. Ihr einziges vermeintliches Ziel ist es, die Bevölkerung von der PKK fernzuhalten und gegen sie zu mobilisieren. Sie wollten die PKK dadurch vernichten, aber jeder Angriff hat Bevölkerung und PKK noch enger zusammengeschweißt. Die Sympathie der südkurdischen Bevölkerung für die PKK ist noch mehr gewachsen.

Wie bewerten Sie die Reaktionen der Presse und der internationalen Öffentlichkeit auf das Zergelê-Massaker?

Obwohl die Medien sehr wohl Bescheid wussten, haben sie nicht berichtet, weil es in der Türkei keine Pressefreiheit gibt. Wenn Erdoğan und der AKP eine Meldung nicht passt, wenn nicht nach ihren Vorstellungen berichtet wird, werden Journalisten entlassen. Die Pressearbeiter der Türkei sind sich dessen bewusst, daher lastet auf der Presse ein gewaltiger Druck. Ohne Pressefreiheit kann sie auch nicht wahrheitsgetreu berichten, deshalb wurde auch nicht von Zergelê berichtet. Die Situation ähnelt derjenigen in der Çiller-Ära. Es mussten die offiziellen Regierungserklärungen wiedergegeben werden. Der Fall Zergelê wurde nicht in seinen verschiedenen Dimensionen dargestellt. In Roboskî war es damals ähnlich zugegangen, der Fall verdeckt worden. Es wurde verhindert, dass die Öffentlichkeit die Wahrheit erfährt, ihr sollte eher die offizielle Meinung indoktriniert werden. Die internationalen Mächte haben von den Ereignissen teilweise berichtet und sie teilweise kritisiert, aber das war nicht ausreichend. Sie hätten mehr und wahrheitsgetreu über das Massaker der Türkei berichten müssen. Die Arbeit der Presse war dementsprechend unzureichend.

Der türkische Generalstab behauptet, während der Luftangriffe hätten 390 PKKler ihr Leben verloren und 400 Guerillas seien verletzt worden, davon 100 schwer, und Sie und Herr Karayılan hätten die Medya-Verteidigungsgebiete verlassen.

Diese Gerüchte sind Teil der psychologischen Kriegsführung. Wir können der Öffentlichkeit mitteilen, dass durch die Angriffe elf Guerillas gefallen und neun verletzt worden sind. Andere Informationen sind nicht wahr. Dann gibt es noch die Verluste, die die Bevölkerung erlitten hat, Gefallene und Verletzte. Tiere, Bäume, Gärten und Natur haben große Schäden davongetragen. Die veröffentlichten Zahlen spiegeln nicht die Wahrheit wider. Es sind Gerüchte im Rahmen der psychologischen Kriegsführung zur Manipulation der internationalen und türkischen Öffentlichkeit. Mit Gerüchten wie »wir haben ihre Heroin- und militärischen Depots zerstört« oder »wir haben ihnen große Verluste zugefügt, sie zerschmettert« soll eine Sphäre des Sieges über die PKK geschaffen werden. Das ist nichts Neues, sie verbreiten diese Art von Gerüchten seit Jahren. Sie suggerierten der Öffentlichkeit immer wieder, sie seien kurz davor, die PKK auszulöschen. Die Öffentlichkeit hatte diesen Behauptungen bis zu einem gewissen Zeitpunkt Glauben geschenkt, jetzt nicht mehr, weil widersprüchliche Informationen preisgegeben werden. Wie soll die Öffentlichkeit auch daran glauben? Natürlich wird sie dem nicht mehr trauen.

Wir müssen eigene Problemlösungen entwickeln

In Ihren aktuellen Erklärungen sprechen Sie immer wieder von der Notwendigkeit der Selbstverteidigung. Können Sie das etwas erläutern?

Schauen wir uns dazu einfach mal an, was in der jüngsten Zeit vorgefallen ist. In Gever stürmen Spezialeinsatzkräfte eine Fabrik, fesseln die Mitarbeiter und zwingen sie bäuchlings auf den Boden. Die dazugehörigen Bilder sind durch die Medien gegangen. Der Einsatzleiter schreit die Arbeiter auf dem Boden an: »Ihr werdet die Macht des Türken zu spüren bekommen! Wir kennen euch alle und ihr werdet das bekommen, was ihr verdient.« Er bedroht sie ganz offen. Diese Worte sind nicht nur an die Arbeiter der Fabrik, sondern an alle Kurden gerichtet.

Dann tauchen Bilder aus Silopi in den Medien auf, die denen aus der Zeit des Militärputsches vom 12. September [1980] in nichts nachstehen. Es brennen Häuser, Menschen werden ermordet und verletzt. Selbst Verletzte auf dem Weg ins Krankenhaus werden noch im Krankenwagen verprügelt. In Silopi wurde großer Schaden angerichtet.

Außerdem brennt es überall in Kurdistan. Die Wälder werden bewusst in Brand gesetzt. Wer zu löschen versucht, wird daran gehindert. In Kurdistan wird bewusst die Natur zerstört.

Hinzu kommt, dass es jeden Tag zu Dutzenden Festnahmen kommt, immer wieder Lynchmobattacken auf kurdische Zivilisten stattfinden und inner- und außerhalb der Gefängnisse gefoltert wird.

Die Bevölkerung ist einfach nicht mehr bereit, diese Angriffe über sich ergehen zu lassen. Sie wollte die Probleme durch die Wahlen lösen. Sie hat bei den Wahlen großartig gearbeitet und es ist ihr gelungen, die Demokratiekräfte in das Parlament zu hieven. Ihr Ziel dabei war es, dadurch unter dem Dach des Parlaments eine Lösung für ihre Probleme finden. Sie hat daran geglaubt, dass im parlamentarischen Rahmen die Frage der Demokratisierung der Türkei und die Lösung der kurdischen Frage vorangetrieben werden könnten.

Aber die AKP-Regierung hat einfach eine Haltung eingenommen, als hätte es diese Wahlergebnisse nie gegeben. Sie hat die Hoffnungen und Erwartungen der Bevölkerung ignoriert und gleichzeitig alle Wege für eine demokratische Politik versperrt. Eine illegitime Regierung hat der kurdischen Freiheitsbewegung und allen Demokratiekräften den Krieg erklärt.

Das alles zusammengenommen bedeutet nichts anderes, als dass derzeit auf dem Wege demokratischer Politik und über das türkische Parlament keine Lösung für die Demokratisierungsfrage gefunden werden kann. Wir bringen große Mühen auf, um die Probleme demokratisch zu lösen. Aber im Gegenzug werden wir ermordet, gefoltert, inhaftiert. So gesehen kann von dieser Regierung, von diesem Staat nicht erwartet werden, unsere Probleme zu lösen. Sie erschweren sie lediglich. Was bleibt uns da anderes übrig, als uns selbst für unsere Probleme und damit für uns selbst verantwortlich zu fühlen? Die Demokratisierung, die in diesem Fall nicht durch das Parlament vorangebracht werden kann, müssen wir selbst voranbringen.

Und wie soll das passieren?

Wir müssen an den Orten, wo wir leben, unsere eigene Selbstverwaltung organisieren und weiterentwickeln, unsere Selbstverteidigung organisieren. Wir müssen unsere eigenen Probleme und Fragen selbst in die Hand nehmen und selbst Lösungen für sie finden. Denn eine Regierung oder einen Staat, die das für uns tun könnten bzw. uns bei der Lösungsfindung und -umsetzung unterstützen könnten, gibt es nicht. Diese Regierung und dieser Staat haben uns den Krieg erklärt. Deshalb hegen wir auch keine Erwartungen an sie. Wir hatten Erwartungen an die HDP, allerdings wird nicht zugelassen, dass sie Politik macht. Es wird versucht, die HDP im Parlament und in der Gesellschaft zu neutralisieren. Dadurch wird der Weg für demokratische Politik und eine demokratische Verfassung vollständig versperrt.

Es ist offensichtlich geworden, dass Regierung und Staat vom Zentrum in Ankara aus diese Städte und Ortschaften in Nordkurdistan nicht weiter regieren können. Die Ortschaften müssen nun ihre Selbstverwaltung aufbauen und ihre eigene Demokratie entwickeln. Sie müssen sich in diesem Rahmen gegen Angriffe von außen selbst verteidigen. Sie müssen das Recht haben, ihre eigenen Gouverneure, ihre eigenen Repräsentanten zu wählen. Und de facto macht das die Bevölkerung derzeit auch. Sie macht von ihren legitimen demokratischen Rechten Gebrauch. Eigentlich hätte das Parlament diesen Weg eröffnen und dieses demokratische Recht legalisieren müssen. Doch den Handlungsmöglichkeiten im Parlament wurden Riegel vorgeschoben. Aus diesem Grund müssen die Lösungen außerparlamentarisch auf lokaler Ebene, vonseiten der Bevölkerung gefunden werden. Die Bevölkerung muss sich selbst gegenüber verantwortlich werden und ihre eigene Politik entwickeln.

Davutoğlu hat Ihnen geantwortet. Er meinte, Sie hätten das Volk zur Bewaffnung aufgerufen. Haben Sie das?

[Ministerpräsident] Davutoğlu hat gelogen. Ich hatte am Jahrestag der Rojava-Revolution eine Rede gehalten. Darin hatte ich darauf hingewiesen, dass sich das Volk von Rojava gegen den IS bewaffnen, organisieren und verteidigen müsse, eine Selbstverteidigung aufbauen, da sie sich ansonsten nicht gegen den IS wehren könnten. Davutoğlu hat mir das Wort im Mund herumgedreht und behauptet, ich hätte das Volk in Nordkurdistan zur Bewaffnung aufgerufen. Es ist reine Propaganda und die Öffentlichkeit sollte solche Entstellungen nicht zulassen.

Die HDP steht unter Druck, sie soll die PKK dazu aufrufen, die Waffen niederzulegen. Würden Sie das im Falle eines solchen Aufrufs tun?

AKP und MHP (Partei der nationalistischen Bewegung) sind eine Front. Die hält sich für besonders intelligent und alle anderen für dumm. Indem sie den Druck auf die HDP verstärken, wollen sie deren Willen brechen. Sie versuchen damit, deren Wahlerfolg zu ruinieren, den Aufbau einer demokratischen Nation zu verhindern, sich und ihr Regime krampfhaft aus ihrer desolaten Lage zu befreien. Deshalb setzen sie die HDP unter Druck. Sie wissen ganz genau, dass die keinen bewaffneten Widerstand gegen sie leistet. Die HDP will demokratische Politik entwickeln, die demokratische Nation in die Praxis umsetzen und die Türkei demokratisieren. Sie will eine demokratische Verfassung und demokratische Gesetze verabschieden. Sie versucht alle unterdrückten Identitäten und Kulturen zu vertreten und dafür zu sorgen, dass sich jeder mit seiner Identität frei entfalten kann. Zusammengefasst versucht sie, in der Türkei die demokratische Politik zu fördern. Erdoğan, AKP und MHP sind dagegen, gegen die Demokratisierung. Deshalb versuchen sie, wegen der Demokratisierungsbestrebungen Druck auszuüben und sie zu verhindern. Sie sind es eigentlich, die auf der Seite von IS, Terror und Krieg sind. Die Ereignisse vor und nach den Wahlen sind der Öffentlichkeit allseits bekannt. Das alles hat die AKP gemacht. Die MHP hat ohnehin eine dunkle Vergangenheit mit blutigen Händen und voller Massaker. Ironischerweise versuchen diese Parteien, die HDP mit Gewalt zu assoziieren. Sie trachten danach, das gesellschaftliche Interesse an der HDP zu beseitigen, sie in ihren Bestrebungen, eine Partei der Türkei zu werden, einzugrenzen und sie wieder als kurdische Partei hinzustellen, sie gar komplett zum Schweigen zu bringen. Die HDP verfolgt eine richtige Politik und sollte damit weitermachen. Die demokratischen Kräfte, Muslime, Êzîden, Aleviten und Linken, kurz: alle Marginalisierten, müssen ihre Verbindung und Solidarität mit der HDP stärken. Wenn sich diese Kräfte entschlossen der AKP- und MHP-Politik entgegenstellen, wird der Druck auf die HDP wirkungslos. In den möglichen Neuwahlen wird die HDP dann gestärkt ins Parlament ziehen. Nur die HDP birgt das Potenzial, die Feindschaften in der Türkei zu überwinden. Die einzige Lösung ist eine noch stärkere HDP im Parlament.

Kann sich aus der Konstellation demokratischer Kräfte, zu denen auch CHP und HDP gehören, eine Wahlkoalition bilden?

Das kann ich nicht wissen, das müssen sie selbst entscheiden. Wenn sich aber AKP und MHP in Zukunft weiterhin gegenseitig stärken, müssen die demokratischen Kräfte auch eine Koalition bilden und ihre Kräfte vereinigen. Sie müssen die gesellschaftlichen Erwartungen erfüllen. Die Mehrheit der türkischen Gesellschaft will eine Demokratisierung, dass die Probleme, allen voran das »kurdische Problem«, gelöst werden. Sie wollen keinen Krieg und keine bewaffneten Auseinandersetzungen. In der Türkei gibt es nicht nur ein »Kurdenproblem«. Aleviten, Tscherkessen, Lasen, Roma, Unterdrückte, Frauen, Jugendliche; viele Volksgruppen und Kulturen haben Probleme. Die Gesellschaft hat sehr ernste politische, wirtschaftliche und soziale Probleme. Die verschlimmern sich mit der Zeit. Es liegt in der historischen Verantwortung aller demokratischen Kräfte, sich zu verbünden und Problemlösungen zu entwickeln.

Was wollen Sie unternehmen bei erneuten Massakern wie in Silopi und Zergelê und wenn die Guerilla weiter angegriffen wird?

Wir werden natürlich von unserem Widerstandsrecht Gebrauch machen. Wie bereits erwähnt, die Guerilla hat bisher nur Vergeltungsaktionen durchgeführt, eine Kriegsentscheidung liegt noch nicht vor. Wenn die Angriffe und Verhaftungen zunehmen, die Guerilla weiterhin Luft- und Bodenangriffen ausgesetzt ist, es erneut zu Massakern wie in Silopi, Roboskî, Gever (Yüksekova) und Zergelê kommt, kann niemand von uns erwarten, keinen Widerstand zu leisten. Gegen all das Widerstand zu leisten, ist unser natürliches Recht.

Welche Schritte müssen unternommen werden, damit die Auseinandersetzungen ein Ende finden und die Verhandlungen wieder aufgenommen werden? Was sind ihre »Jas« und »Neins«?

Wenn der türkische Staat, Erdoğan und die AKP die politischen Gefangenen freilassen, die Operationen des politischen Genozids und die militärischen Operationen inklusive der Luftangriffe beenden und akzeptieren, dass das »Kurdenproblem« gelöst werden muss und dies auch öffentlich bekannt geben. Außerdem müssen sie einen stabilen Waffenstillstand akzeptieren, die Haftbedingungen unseres Vorsitzenden Abdullah Öcalan verbessern, Freiheitsstandards schaffen, auf deren Basis die Verhandlungen fortgesetzt werden, und anerkennen, dass Apo der Hauptverhandlungspartner ist. Für den Waffenstillstand muss eine Beobachtungskommission eingerichtet werden und auch die Friedensverhandlungen müssen unter der Beobachtung Dritter geführt werden. Wenn diese Bedingungen erfüllt werden, sind wir bereit, sofort einen Waffenstillstand auszurufen.

Und was ist, wenn sie nicht erfüllt werden?

Die Türkei hat bisher alles abgelehnt. Obwohl Yalçın Akdoğan [Vizepremier im Kabinett Davutoğlu, Verhandlungsführer der Regierung im Lösungsprozess] weiß, dass die Dolmabahçe-Vereinbarung der ganzen Welt mitgeteilt wurde, lehnt er die Vereinbarung ab. Wie sollen wir dem Staat denn noch Glauben schenken und einen Waffenstillstand ausrufen? Es wird nie wieder wie früher werden. Die Umstände haben sich geändert. Die Dialoge werden nicht mehr geführt wie früher. Es werden nicht mehr einseitige Schritte unternommen wie früher. Wie bereits gesagt, wenn die nötigen Schritte eingeleitet werden, werden wir einen Waffenstillstand ausrufen und die Verhandlungen fortsetzen.

Ist das Ihre Botschaft an diejenigen, die Sie zum Waffenstillstand aufrufen?

All diejenigen, die einen solchen Aufruf gemacht haben, sollten ihre Bemühungen in diese Richtung lenken. Wenn sie sich bemühen, wird die Türkei einwilligen müssen. Es gibt nämlich keinen anderen Weg. Die Intellektuellen sind das Gewissen eines Volkes. Sie haben Wertvolles geleistet. Sie wissen am besten, was im Land geschieht. Wir erwarten, dass die Intellektuellen sich entschiedener und mutiger gegen die AKP und Erdoğan stellen und Widerstand leisten.

Haben Sie einen Aufruf an die türkische Öffentlichkeit? Regierung und Öffentlichkeit behaupten, sie hätten nicht angegriffen, Frieden und eine Lösung seien möglich, aber die PKK habe dazwischengefunkt. Was sagen Sie dazu?

Die türkische Öffentlichkeit sollte wissen, dass der Waffenstillstand von der Türkei gebrochen wurde und dass die Türkei mit den Angriffen begonnen hat. Wir haben den Krieg nicht begonnen, wir schützen uns vor ihm.

Dieser Krieg ist nicht der Krieg des Volkes in der Türkei. Dieser Krieg ist auch kein Krieg zum Schutz der türkischen Nation oder ein Krieg, der die Türkei vor Gefahren bewahren soll. Es ist ein Krieg, den Erdoğan und die AKP mit dem Ziel ihrer Regierungsübernahme angefangen haben. Das ganze Volk wird für diese Machtgelüste geopfert. Es muss sich dem entgegenstellen. Es muss dieses Machtspiel beenden und seine Aufgaben erfüllen. Wir wollen mit der Gesellschaft der Türkei wahren Frieden schließen. Wenn diese Gesellschaft ihrer Verantwortung gerecht wird, müssen die Regierung und Erdoğan den Frieden akzeptieren. Sie müssen die Verhandlungen und Problemlösungen akzeptieren. Einen anderen Weg gibt es nicht.

Das Militär sollte nicht für Erdoğans Zwecke instrumentalisiert werden

Wie bewerten Sie die Reaktionen der Familienangehörigen türkischer [gefallener]Soldaten auf die Regierung?

Die Familien der Soldaten sollten ihre Kinder nicht für Erdoğans Krieg zum Militär schicken. Soldaten sind meist Teil der armen Bevölkerung. Wir wollen nicht gegen sie kämpfen. Sie sollen nicht zum Militär, das ist nicht ihr Krieg. Es ist Erdoğans Krieg. Erdoğan und die AKPler schicken ihre eigenen Kinder nicht zum Militär, sie werden ausgesondert und leben nun in ihren Villen. Die Familien müssen sagen können: »Erdoğan, wir haben keine Kinder, die für Deine Herrschaft, Deinen Palast und Deine Villen sterben müssen.« Und wenn sie dennoch dazu gezwungen werden zu kämpfen, dann sollen sie nicht an vorderster Front kämpfen.

Machen Sie Unterschiede zwischen Soldaten und Erdoğan?

Natürlich, Soldaten kommen meist aus armen Familien. Warum sollen sie sterben? Erdoğan benutzt sie. Dieser Krieg ist auch nicht der Krieg des Militärs, es sollte sich dessen bewusst sein. Es ist wichtig, dass es sich nicht von Erdoğan fehlleiten lässt, er will es auch für seine Ziele instrumentalisieren. Sein Machtspiel muss beendet werden, weil die Ziele der Türkei nicht die Ziele Erdoğans sind, sondern Frieden und Demokratie.

Kılıçdaroğlu meinte, für die Lösung des grundlegendsten Problems in der Türkei, des Kurdenproblems, sollten alle zuständigen Akteure zusammenkommen und Problemlösungen entwickeln.

Noch bevor das historische Manifest unseres Vorsitzenden Abdullah Öcalan an Newroz 2013 verlesen wurde, hatten wir das Parlament aufgerufen, eine solche Funktion wahrzunehmen und einzurichten. Wir hatten aufgerufen, im Parlament ein Komitee zu bilden, das eine Beobachtungsfunktion übernimmt und den Rückzug der Guerilla verfolgt und zur Lösung des Problems beiträgt. Leider hat die Regierung diesen Vorschlag damals abgelehnt. Es ist also nicht das erste Mal, dass wir diesen Aufruf starten. Danach schlug der Vorsitzende Abdullah Öcalan erneut die Bildung eines Komitees im Parlament vor. Er meinte, ein Beobachtungs- und ein weiteres Komitee sollten gebildet werden und zusammen eine Art Wahrheitsfindungskomitee darstellen. Das sollte ihn besuchen und mit ihm sprechen. Aber Erdoğan hat die Etablierung all dieser Mechanismen verhindert. Er hat all diese Bemühungen bewusst ignoriert. Direkt nach der Wahl veröffentlichten wir eine Erklärung, in der wir uns für die Lösung des Problems durch Verhandlungen aussprachen. Wir wollten einen stabilen Waffenstillstand, dass das Parlament sich dieses Problems annimmt und es löst. Daher ist Kemal Kılıçdaroğlus [Vorsitzender der sozialdemokratischen Republikanischen Volkspartei] Vorschlag zu begrüßen, er ist ein richtiger Schritt. Das Kurdenproblem ist ein verfassungsrechtliches, ein Demokratisierungsproblem. Eines, das mit einer demokratischen Verfassung und demokratischen Gesetzen gelöst werden muss. Der Vorsitzende Apo und unsere Bewegung versuchen es seit Jahren zu lösen. Damit das Parlament einen demokratischen Charakter bekommt, haben wir uns bemüht, allen demokratischen Kräften ins Parlament zu verhelfen. Wir wollten die Probleme im Parlament lösen, indem eine demokratische Verfassung und demokratische Gesetze entwickelt werden. Es ist eine positive Entwicklung, dass sich auch Kılıçdaroğlu für eine solche Politik ausspricht. Wir würden uns wünschen, dass die anderen Parteien seinem Aufruf folgen. Das Parlament soll die Verantwortung für die Lösung der kurdischen Frage übernehmen. Zu diesem Zweck soll ein Komitee gegründet werden. Sie sollen sich mit dem Vorsitzenden Apo und mit uns verständigen, mit internationalen Kräften. Sie sollen von allen verlangen, dass die das Parlament bei der Lösung des kurdischen Problems unterstützen. Auf diese Weise würden sie einen Beitrag dazu leisten.

Davutoğlu meinte, sie wünschten sich ein Ende der bewaffneten Auseinandersetzungen und einen Waffenstillstand. Aber dafür müsse die PKK das Land verlassen und die Waffen niederlegen.

Das habe ich bereits mitbekommen. Wir hatten bereits in der Vergangenheit Guerilla-Einheiten zurückgezogen. Es hat zu keiner Lösung beigetragen. Im Gegenteil, es hat sich herausgestellt, dass sie damit die Beseitigung der PKK beabsichtigt hatten. Es kann ab jetzt nicht mehr die Rede davon sein, dass die Guerilla das Land verlässt. Das sind die Bestrebungen derjenigen, die das Problem nicht lösen wollen. Aber wir haben das alles bereits hinter uns. Niemand kann die Guerilla dazu nötigen, sich aus dem Norden zurückzuziehen oder die Waffen niederzulegen. Das wird nicht passieren. Das sind Methoden, die diejenigen entwickeln, die das Problem nicht lösen wollen. Sie wollen den Anschein erwecken, als hätten sie dadurch den Konflikt gelöst. Jeder weiß, dass die Bedingungen für die Einstellung des bewaffneten Widerstands nicht erfüllt wurden. Die gesetzliche Grundlage dafür wurde nicht geschaffen. Wem soll das kurdische Volk vertrauen, um den bewaffneten Widerstand beenden und die Guerilla-Einheiten zurückziehen zu können? Während im Mittleren Osten ein heftiger Krieg tobt und der IS unser Volk, unsere Bewegung und die demokratischen Kräfte zum Ziel seiner grausamen Angriffe erklärt hat, wäre das Niederlegen der Waffen gleichbedeutend mit der Einwilligung zur eigenen Massakrierung. Das kann weder die PKK noch irgendein gewissenhafter Mensch befürworten.

Also geht es nicht um Waffen, sondern um die Lösung des Kurdenproblems.

Selbstverständlich. Es gibt ein Problem. Ohne dass es analysiert wird, die entsprechenden Lösungsmechanismen entwickelt werden und die Angelegenheit einen verfassungsrechtlichen Rahmen und eine gesetzliche Basis erhält, kann es nicht gelöst werden. Es kann nicht auf die Beendigung des bewaffneten Widerstands reduziert werden, es beinhaltet die Frage nach der Freiheit eines Volkes. Es geht um Fragen seiner Existenz, Freiheit und Zukunft. Solange dieses Problem nicht gelöst und verfassungsrechtlich geschützt wird, kann es nicht gelöst werden. Dessen sollten sich alle bewusst werden.