Presseinformation vom 16.02.2015

Ilisu-Staudamm-Baustelle militarisiert

Ercan Ayboğa, Initiative zur Rettung Hasankeyfs

Mit der Wiederaufnahme der Arbeiten am Ilisu-Staudamm und dem Wasserkraftwerk am Tigris-Flusslauf im Dezember 2014 wurde die Baustelle intensiv militarisiert. Diese alarmierende Entwicklung führt zu weiteren gravierenden politischen Spannungen und Menschenrechtsverletzungen, zusätzlich zu den sowieso schon zu erwartenden dramatischen sozialen, kulturellen und ökologischen Folgen des Bauprojekts für die betroffenen Regionen.

Von August bis Dezember 2014 waren die Bauarbeiten unterbrochen, nachdem alle Arbeiter geschlossen gekündigt hatten. Dies war eine Reaktion auf die Festnahme zweier führender Subunternehmer durch die Guerilla-Kräfte der Volksverteidigungskräfte (HPG). Zu diesem Zeitpunkt war der Bauvorgang zu etwa 80 % abgeschlossen, wobei insbesondere das Wasserkraftwerk noch gebaut werden musste.Bauarbeiten am Ilisustaudamm

Anfang Dezember 2014 engagierten neue Subunternehmer hunderte Arbeiter aus nichtkurdischen Regionen der Türkei, um die Arbeiten wieder aufzunehmen. Die lokale Bevölkerung weigert sich inzwischen, sich an den Bauarbeiten zu beteiligen, da sie den Staudamm zunehmend als Gefahr für ihre eigene Lebensgrundlage erkennt.

Die Baustelle wird nun von 600 Soldaten zusätzlich zu den bereits eingesetzten 1000 Soldaten »abgesichert«. Diese waren bereits in der Militärstation und auf sechs militärischen Posten auf dem Staudammgelände stationiert. Zudem werden lokale Milizen in diese verschärften Maßnahmen einbezogen. In den letzten Monaten wurden an die 100 Zivilisten aus den vier Dörfern um das Staudammgelände herum vom Staat als Milizionäre rekrutiert. Dies zieht mehr und mehr Menschen in den ungelösten politischen Konflikt in der Region hinein.

Mehrere dutzend Arbeiter, die in 13 Kilometer Entfernung in der Stadt Dargeçit (kurd.: Kerboran) wohnen, werden auf dem Weg zur Arbeit jeden Tag von Panzern eskortiert. Am 3. Februar griffen die HPG einen Konvoi bestehend aus Baumaschinen an, die auf dem Weg zur Baustelle waren. Eine Maschine wurde zerstört und drei Menschen leicht verletzt.

In Dargeçit wurden mehrere dutzend Autos abgebrannt und viele weitere beschädigt. Es ist bisher nicht bekannt, ob hier ein Zusammenhang mit dem Ilisu-Staudamm-Projekt besteht. Dieser Angriff schürte Spannungen zwischen den Menschen.

Diese Entwicklungen bestätigen unsere Vorhersage, dass der Bau des Ilisu-Staudamms das Staudammgelände und die umliegende Region militarisieren und zu Menschenrechtsverletzungen führen werde. Diese sind nicht hinnehmbar. Die Verantwortung liegt bei den staatlichen Institutionen, die darauf bestehen, dieses zerstörerischste aller türkischen Bauprojekte umzusetzen. Gar nicht beachtet werden die ökonomischen und politischen Auswirkungen auf den Irak, der komplett vom Wasser des Tigris abhängig ist. Der andauernde Krieg im Irak zeigt zudem, wie große Wasserinfrastrukturprojekte, wie der Mossul-Staudamm, an der Intensivierung existierender Konflikte beteiligt sind.

In der Zwischenzeit hat sich herausgestellt, dass die historischen Monumente Hasankeyfs nicht in den vorgeschlagenen »archäologischen Park« im zwei Kilometer nördlich des antiken Hasankeyfs gelegenen »neuen Hasankeyf« versetzt werden können. Keine einzige Firma bewarb sich auf die Ausschreibung des türkischen Amts für Wasserwirtschaft (DSI), das Zenel-Bey-Mausoleum bis Ende 2014 zu verlegen. Der Grund ist einfach: Es ist technisch unmöglich, die Monumente zu verlegen, ohne sie zu beschädigen oder zu zerstören. Zudem bleiben wir bei unserer Position, dass die Monumente nicht aus ihrer spezifischen historischen Umgebung herausgerissen werden sollten.

Ausdauernd rufen wir Politiker und die Zivilgesellschaften der Türkei, des Iraks, des Mittleren Ostens und der gesamten Welt dazu auf, gegen die Entscheidung des DSI, dieses zerstörerische Projekt fortzusetzen, zu protestieren. Während wir in den letzten Jahren vor allem auf die sozialen, kulturellen und ökologischen Folgen verwiesen, zeigen die aktuellen Entwicklungen, wie der Ilisu-Staudamm bestehende politische und soziale Konflikte in Nordkurdistan entscheidend verschärfen kann. Wir brauchen den politischen Druck auf die Türkei jetzt mehr als je zuvor.

Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein. | www.hasankeyfgirisimi.net