Interview mit Asya Abdullah, Kovorsitzende der PYD

»Wir sind dabei, ein neues soziales System zu etablieren ...«

Kamal Chomani im Gespräch mit Asya Abdullah

Asya Abdullah, Kovorsitzende der PYDAsya Abdullah, die Kovorsitzende der PYD, beantwortete die Fragen am 42. Tag des Widerstandes in Kobanê manchmal sanft manchmal diplomatisch. Während des Interviews ertönten mehrfach die Explosionen von Mörsergranaten und das Mündungsfeuer von Gewehren im Hintergrund. Dieser Lärm brachte sie nicht aus der Fassung. Selbst Telefongespräche mit GenossInnen, die sie über intensive Gefechte informierten, brachten sie nicht aus der Contenance.

Wenn Sie zustimmen, würde ich gerne mit der aktuellen Situation am 42. Tag des Widerstandes in Kobanê beginnen. Wir hören Flugzeuge und Mörsergranaten. Wie ist die generelle Lage in Kobanê?

Heute sprechen verschiedene Menschen über Kobanê auf verschiedene Art. Eigentlich blockiert der IS Kobanê schon seit über einem Jahr. Die aktuellen Angriffe begannen vor zwei Monaten und Kobanê leistet jetzt seit über 40 Tagen Widerstand. Dieses Mal hat der IS seine gesamte Macht aufgeboten. Sie verlegen Truppen nach Kobanê aus Städten wie Raqqah, Manbij, Jarabulus usw. Sie sind mit verschiedenen Arten schwerer Waffen ausgerüstet. Trotz alledem leisten die Volksverteidigungskräfte (YPG) und Frauenverteidigungskräfte (YPJ) Widerstand gegen den IS und dieser Widerstand wird andauern. Der Widerstand ist in regionalen wie internationalen Medien zum Nachrichtenthema geworden, und das ist herzerwärmend für die VerteidigerInnen Kobanês.

Plakate hochhalten und Parolen rufen mögen hoffnungsvolle Symbole sein, aber reichen nicht aus. Gab es bisher konsequente militärische Unterstützung?

Das kann aus mehreren Blickwinkeln erörtert werden. Erstens, es wurde die Einheit der kurdischen Gebiete im Norden, Süden und Osten gestärkt. Viele KurdInnen schlossen sich dem Widerstand an, vor allem aus Nordkurdistan. Es hat zudem zu ideeller Unterstützung aus dem Ausland geführt und dazu, dass die Öffentlichkeit über die Situation in Kobanê informiert wurde. Das hatte einen positiven Einfluss auf den Widerstand und die Moral der VerteidigerInnen. Mehrere Länder haben offiziell auf den Widerstand reagiert. Die USA, europäische Länder, verschiedene politische Parteien und NGOs haben offiziell ihre Unterstützung erklärt und das wird in Folge einen positiven Einfluss auf unser Projekt des Aufbaus eines demokratischen Syriens haben.

Lassen Sie uns hier bitte kurz unterbrechen und näher auf diese Frage eingehen. Würden Sie die demokratische Selbstverwaltung näher erläutern? Ist die Überwindung und Ablehnung von Staatlichkeit nicht zukünftig ein Problem für Sie in diplomatischen Auseinandersetzungen? Wie Sie wissen, ist die gesamte Welt derzeit nach diesem Modell organisiert, und es abzulehnen bedeutet, sich gegen das gesamte System zu stellen.

Lassen Sie mich ein Beispiel geben. Uns ist bewusst, dass Syrien ein multinationales, multikulturelles Land ist. Wir leben alle friedlich zusammen. Die Fortführung dieses Systems ist möglich durch das demokratische politische Projekt, nicht durch zentralisierte Systeme. Zentralistische Modelle sind veraltet und können Syrien in Zukunft nicht mehr helfen. Dieses Projekt [die demokratische Selbstverwaltung] ist nicht nur für KurdInnen oder eine spezielle politische Partei, alle Menschen können unter diesem System ein angenehmes Leben führen. Schauen Sie sich nur das friedliche Miteinander der verschiedenen Menschen in den Kantonen an, Interaktion zwischen den Kulturen, Fusionierung und eine Stimmung der Toleranz können beobachtet werden. Im System der demokratischen Selbstverwaltung entscheidet »das Volk«. Alle Angelegenheiten des Systems werden durch Wahlen entschieden. Verschiedenste Parteien sind in das System eingegliedert. Zum Beispiel: Im Kanton Cizîrê, auf Grund der ethnischen und religiösen Vielfalt, ist eine der beiden stellvertretenden MinisterpräsidentInnen eine syrisch-christliche Frau namens Elizabeth Gawrie, der andere Stellvertreter ist Dr. Hussein Taza Al Azam, ein Araber. Als wir dieses System vorschlugen, haben wir zunächst ihre Meinungen eingeholt. Das dauerte drei Monate und als Resultat haben wir den derzeitigen Meinungskonsens.

Wenn ein solches System besteht, wieso gibt es dann die Meinungsverschiedenheiten zwischen Ihnen und anderen kurdischen Parteien in Rojava (Westkurdistan)? Sie sagen, die PYD behindere ihre politische Partizipation.

Von Beginn an wurden alle Parteien dazu aufgerufen, sich an diesem System zu beteiligen. Dieses System soll alle Menschen dieser Region und des zukünftigen Syriens einbinden. Aus unserer Sicht haben wir keinen Konflikt. Derzeit beteiligen sich in Cizîrê elf Parteien aktiv. Dazu kommen viele Nichtregierungsorganisationen wie die Jugendbewegung und die Frauenbewegung, die sich ebenfalls beteiligen, und bisher gab es keine Probleme damit. Wir streben alle danach, einen freien Kanton aufzubauen, wo alle Rechte von KurdInnen und NichtkurdInnen respektiert werden.

Wir sind ZeugInnen des Bombardements und des Lärms der Flugzeuge. Der IS hat die Wasser- und Elektrizitätsversorgung der Stadt unterbrochen, hier herrschen außergewöhnliche Zustände. Es gibt zwei Möglichkeiten. Der Sieg des Widerstandes in Kobanê oder die Niederlage. Was wäre im jeweiligen Fall die Situation? Es sollte auch erwähnt werden, dass viele Länder und Gruppierungen sich eine Niederlage Kobanês wünschen. Was sollte Ihrer Meinung nach getan werden?

Ich bin mir sicher, dass Kobanê sich halten wird. Daher ziehe ich die zweite Möglichkeit nicht in Betracht. Unser Ziel ist es, wieder ein normales Leben und eine normale Zusammenarbeit zu etablieren, und die Verteidigungskräfte haben dieses Ziel mit größtem Mut und heldenhaftem Widerstand verteidigt. Dies werden sie auch weiterhin tun. Da die Idee Kobanês der Aufbau einer gemeinschaftlichen, freien Gesellschaft ist, wird es nie untergehen. Wir zielen darauf ab, das Leben sinnstiftend zu machen, und diejenigen, die ein freies Leben erlebt haben, werden niemals wieder in Sklaverei leben wollen. Solange es den IS gibt, so lange gibt es Widerstand. Wir kämpfen gegen die inhumane Kultur des IS. Unser Hauptziel ist die Menschlichkeit und den Menschen zu verteidigen. Das Leben hat aufgehört, wohin auch immer der IS kam. Sehen Sie nur nach Şengal. Die Verteidigungslinien zu halten hat derzeit größte Priorität. Und natürlich brauchen wir dafür schwere Waffen. Um die Belagerung zu durchbrechen, ist ein Korridor notwendig. Dieser wird dem Widerstand auf jeden Fall helfen. ZivilistInnen können hinaus und Nichtregierungsorganisationen und die freien Medien über die Situation informiert werden. Daraufhin wird die globale Gemeinschaft die Situation in Kobanê verfolgen und humanitäre Hilfe kann durch den Korridor in die Stadt gelangen, und sollte sich jemand den YPG/YPJ anschließen wollen, kann dies auch über den Korridor geschehen.

Kobanê wird von drei Seiten belagert. Wenn Sie über die Einrichtung eines Korridors sprechen, meinen Sie durch Nordkurdistan (Türkei). Haben Sie versucht, mit der Türkei hierüber zu sprechen? Wie war die Reaktion?

Ja, wir hatten Treffen mit der Türkei bezüglich des IS, sowohl auf Parteiebene als auch auf der Ebene der demokratischen Selbstverwaltung. Sie machen verbale Zusagen und Versprechungen, aber in der Praxis ändert sich nichts. Ihrer Meinung nach ist die PYD ein Ableger der PKK.

Lassen Sie uns offener über die Rolle der Türkei sprechen. Vor einigen Tagen sagte Erdoğan, dass aus seiner Sicht kein Unterschied zwischen der PYD und dem IS bestehe, beide seien Terroristen. Es ist auch kein Geheimnis, dass sie ein kurdisches politisches System in Rojava ablehnen. Wie sehen Sie die Situation?

Wir haben mehrfach betont, dass wir kein Problem mit der Türkei haben, und dass sie eines der Länder ist, mit denen wir bereit sind zu verhandeln. Die Türkei ist unser Nachbar und außerdem ist der IS natürlich auch eine große Gefahr für die Menschen in der Türkei. Leider sind solche Aussagen [wie die Erdoğans] ein Angriff auf alles, was die KurdInnen in Rojava erreicht haben. Die Türkei verfolgt diese Politik, indem sie die PYD als Vorwand nutzt. Wir sind eine kurdische Partei, die an ein demokratisches Syrien glaubt und gegen eine Abspaltung von Syrien eintritt. Solch eine Position wäre auch nicht im Interesse der Türkei. Sie muss grundsätzlich ihre Haltung gegenüber Rojava überdenken.

Erhalten Sie Befehle aus Kandil und Imralı?

Wir haben keine organisatorischen Beziehungen zur PKK. Als politische Partei sind wir in unserer Organisation und unserem Handeln unabhängig. Unsere Versammlungen sind öffentlich. Wir haben unser eigenes Parlament und alle Entscheidungen werden von der PYD selbst getroffen. Herr Öcalan ist eine philosophische Inspiration nicht nur für die YPG, sondern auch für viele andere Menschen und es ist selbstverständlich für uns, sich auf seine Erfahrungen, Gedanken und Ansichten zu beziehen. Wir präsentieren unser Projekt im Rahmen Syriens, bedenken die spezifischen Umstände dieses Landes und sind bereit, mit allen in dieser Hinsicht zu verhandeln.

Vor einigen Wochen stellte Öcalan der Türkei ein Ultimatum und erklärte, dass, falls Kobanê fällt, der Friedensprozess in Nordkurdistan beendet würde. Was halten Sie von diesem Prozess?

Der Prozess ist auch für uns von besonderer Bedeutung, und wir unternehmen jede Anstrengung, eine konstruktive Rolle in diesem Prozess wahrzunehmen. Aber der Prozess kann einseitig keine Fortschritte erzielen. Der Umgang der türkischen Regierung mit der kurdischen Frage in Rojava wird auch den Prozess in Nordkurdistan beeinflussen. Ihre [die der Türkei] positive Erfahrung hier wird ihnen in Nordkurdistan helfen. Wenn die Türkei hier den kurdischen Rechten nicht zustimmt, wie können wir erwarten, dass sie diese in Nordkurdistan respektieret? Es ist ein gemeinsamer Prozess und er hat eine politische Lösung.

Frauen spielen eine prominente Rolle in Ihren bewaffneten Kräften. Einige Menschen denken, dass dies eine temporäre Situation ist, und dass sie, wenn sich die Lage beruhigt hat, diese Rolle langsam wieder verlieren werden. Was ist Ihre Meinung hierzu?

Die Geschichte der Frauen in der Welt und der kurdischen Frauen erweckt diese Befürchtung. Es gab viele Revolutionen, deren Versprechen nach dem Sieg gebrochen wurden. Dies kann diskutiert werden und wird uns in unserer derzeitigen Situation helfen. Wir verfolgen derzeit zwei Revolutionen: die Revolution der Frau und die der demokratischen Selbstverwaltung. Eine kann die andere nicht ersetzen und keine hat Vorrang. Mit anderen Worten, es gibt keinen ersten und zweiten Schritt. Wir wollen, dass Frauen an allen Aspekten des Lebens teilhaben. Sowohl auf den sozialen als auch politischen Feldern und auf allen anderen Ebenen und Sphären. Es waren Frauen, die die demokratische Selbstverwaltung gestärkt haben. Wir werden niemals der Idee zustimmen, dass wir Frauen in einer traditionellen Rolle belassen, bis die kurdische Frage geklärt ist, und wir uns dann erst um die Befreiung der Frau kümmern. Ganz im Gegenteil, wir glauben nicht, dass das Problem so gelöst werden kann. Die Kämpfe müssen parallel geführt werden. Die Ausübung der Rechte der Frau ist nicht nur eine Forderung, sondern eine notwendige Vorbedingung. Die Beteiligung von Frauen an der Revolution und in ihren Strukturen wird zur Ausübung ihrer Rechte führen.
Derzeit verwalten die Frauen 40 Prozent der Organisation und alle fühlen sich wohl damit. In der Praxis hatten wir teilweise auch eine noch höhere Beteiligungsquote. Frauen entscheiden hier autonom. Wir haben unser eigenes Parlament, es gibt eine Akademie für die Bildung der Frau und eine große Zahl von Frauen beteiligt sich an allen Organisationen und Organen. Wir haben als Frauen unsere eigene Sichtweise und Politik und das ist manchmal etwas Neues, nicht nur für kurdische Frauen, sondern für Frauen überall auf der Welt. Die YPJ, die Frauenverteidigungskräfte, haben eine unbestreitbare Rolle für die Bildung der Frauen von Beginn der Revolution bis heute. Die ersten Frauen, die sich dem IS in den Weg stellten, waren die Frauen von Rojava. In den YPJ ist Bildung nicht nur militärische Übung. Sie versuchen, ihren Willen zu ermutigen, und helfen ihnen, ihr volles Potential zu verwirklichen. Wir dürfen nicht vergessen, dass der IS zuallererst eine Gefahr für die Frauen ist, und das ist offensichtlich. In Şengal wurde an den Frauen nicht nur ein physisches, sondern auch ein psychisches Massaker verübt. Das hat seine Wurzeln selbstverständlich in dem Frauenbild dieser Gruppen.

Es gab Nachrichten, dass der IS in Kobanê chemische Waffen eingesetzt habe; entsprechende Bilder tauchten auf. Wie echt sind diese Nachrichten, ist der IS eine chemische Bedrohung?

Einige Untersuchungen einer verdächtigen Substanz wurden durchgeführt. Sie konnte allerdings mangels technischen Equipments nicht eindeutig identifiziert werden. Diese Substanz hat 300 unserer KämpferInnen beeinträchtigt, die einen bestimmten Abschnitt verteidigten; der Effekt hielt einen ganzen Tag an. Wir konnten die Substanz nicht eindeutig identifizieren, aber die Untersuchungen werden fortgeführt.

Es gibt Gerüchte, dass Sie weiterhin Beziehungen zur Baath-Regierung und Baschar al-Assad pflegten, und dass sich Spezialkräfte Assads noch immer in Qamişlo aufhielten.

Wir haben seit Beginn der Revolution in Syrien den dritten Weg gewählt. Wir haben uns weder auf die Seite der Regierung noch der Opposition geschlagen. Wir sind dabei, ein neues soziales System zu etablieren, und um dieses Ziel zu erreichen, sind wir bereit, mit allen zu verhandeln. Wir haben eine klare Position gegenüber allen anderen Kräften. Wir wurden mehrfach angegriffen und uns wurden Steine in den Weg gelegt. Hunderte unserer MitbürgerInnen wurden von ihnen in Helep (Aleppo) getötet. Diese Gerüchte haben einen anderen Ursprung. Diese Gerüchte werden gestreut unter der Annahme, dass wir, da wir nicht auf der Seite der Opposition sind, aufseiten des Regimes stünden. Obwohl die Koalition selbst auch nicht demokratisch war. Sie haben es abgelehnt, den KurdInnen Rechte zuzugestehen, und wir haben unsere Distanz gewahrt. Auch Assads Regime hat keine klare Position zur demokratischen Selbstverwaltung und das beeinträchtigt jegliche Beziehung zwischen ihnen und uns. Wenn irgendeine Seite unsere Selbstverwaltung anerkennt, sind wir bereit, mit ihnen zu reden.

Welche der syrischen Kräfte scheinen gewillter, die kurdischen Rechte anzuerkennen?

In dieser Frage unterscheiden sie sich kaum. Die Koalitionskräfte, die die kurdischen Rechte bis zu einem gewissen Grad anerkennen, haben nur wenig Macht und Gewicht.

Gibt es Öl in Rojava?

Ja, in Rimelan gibt es Öl. Der Verkauf wurde allerdings gestoppt.

Was sind Ihre Pläne für den Ausbau der Produktion, die Einrichtung einer Mehrprodukt-Ökonomie und die Stabilisierung der Wirtschaft Rojavas?

Das Baath-Regime hat Westkurdistan marginalisiert und ihm wenig Aufmerksamkeit geschenkt. Wir wurden alle dessen beraubt, was wir hatten. Das Wachstum unserer Region setzt einen umfassenden Plan voraus. Wir haben jetzt viele Einrichtungen und Gelegenheiten und müssen diese ausbauen. Dann können wir Außenhandel betreiben und sind nicht mehr von einzelnen Produkten abhängig. Aber gerade herrscht Krieg. Wenn wir diese Situation hinter uns gelassen haben, müssen wir uns um den ökonomischen Aufbau kümmern.

Lassen Sie uns über die Haltung der kurdischen Regionalregierung zu Rojavas Selbstverwaltung sprechen. Kürzlich hat das Parlament Südkurdistans (KRG-Parlament) die Selbstverwaltung Rojavas anerkannt. Sie stehen kurz davor, Pêşmerge-Kräfte [Streitkräfte der Autonomen Region Kurdistan] nach Kobanê zu schicken. Was halten Sie von ihrer jetzigen Unterstützung und den Behinderungen Ihnen gegenüber in den letzten drei Jahren?

Es gab viele Treffen und einige Entscheidungen wurden getroffen. Aber es reicht noch nicht aus. Wir KurdInnen sind derzeit in einer kritischen Zeit. Die Geschehnisse der letzten Zeit haben verschiedene Gelegenheiten in unterschiedlichen Bereichen für KurdInnen eröffnet. Die letzte Zusammenkunft der kurdischen Parteien war ein wichtiger Schritt. Die Entsendung der Pêşmerge wird im Parlament bestätigt und es kommen 200 Kämpfer [real sind bisher 150 in Kobanê eingetroffen].

Glauben Sie, die Entscheidung wurde zu spät getroffen? Haben Sie in dieser Hinsicht die KRG kritisiert?

Wir PolitikerInnen kritisieren einander manchmal. Aber wir beschweren uns nicht. Am Ende sind wir glücklich über diese Entscheidung und werten sie positiv. Wir haben Beziehungen zu allen Parteien Südkurdistans und unterscheiden da nicht groß.

Einige Parteien in Südkurdistan haben Ihnen gegenüber Widerstand geäußert.

Ja, aber im Moment ist die Einheit der KurdInnen von höchster Bedeutung. Alle wissen, welche Partei uns Hindernisse in den Weg legt und welche uns unterstützt hat und weiter unterstützt.

Sie haben vor kurzem Gespräche mit den USA geführt, auf die die Türkei natürlich sehr scharf reagierte. Die USA führen die PKK als »terroristische Vereinigung«. Wie sind Ihre Beziehungen?

Die USA führen nicht die PYD als terroristische Vereinigung auf. Das wurde offiziell von ihrem Außenministerium bestätigt. Ja, es ist wahr, es gab offizielle Treffen zwischen uns. Diese Treffen werden in der Zukunft fortgesetzt. Gerade haben wir es mit dem Angriff des IS zu tun. Sie haben schwere Waffen und sind entschlossen, uns mit aller Macht auszulöschen. Es war, nachdem Kobanê Widerstand bewiesen hat, dass eine Koalition gegen den IS geformt wurde, und die USA sind ein Mitglied dieser Koalition. Derzeit stehen wir mit allen, die uns im Kampf gegen den IS helfen, die uns beistehen, in Kontakt. Die USA haben uns bereits einmal geholfen, indem sie schwere Waffen lieferten.

Falls im Anschluss an derartige Hilfsleistungen die andere Seite, beispielsweise die USA, Forderungen stellt, die Ihren Prinzipien der demokratischen Selbstverwaltung zuwider laufen, wie werden Sie reagieren?

Unsere Verhandlungen und Treffen mit den verschiedenen Parteien werden auf der Grundlage einer Kriegssituation geführt. Wenn eine Seite dabei versucht, unsere politischen Prozesse zu beeinflussen, ist das kein Gespräch auf Augenhöhe mehr. Derzeit gibt es gemeinsame Kampfhandlungen gegen den IS. Der IS ist eine Gefahr für die Menschheit und wir sind bereit, mit verschiedensten Seiten zu sprechen, um diese Gruppe gemeinsam zu vernichten. Die Entsendung von schweren Waffen und militärischer Hilfe ist essentiell für die YPG. Der IS verfügt bereits über schwere Waffen. Die internationale Koalition, Menschenrechts- und Nichtregierungsorganisationen sowie die kurdischen Kräfte müssen alle gemeinsam daran arbeiten, die Belagerung Kobanês zu beenden. Der Widerstand und der Kampf gegen den IS sind dann nicht länger auf Kobanê beschränkt. Es wird weitergehen, bis die AraberInnen in Raqqa und alle anderen Orte frei sind vom IS.

Auf welcher Ebene sind Ihre Beziehungen zum Iran? Gibt es überhaupt Beziehungen untereinander?

Wir haben keine Beziehungen mit ihm.

Hat er Kobanê in irgendeiner Art geholfen?

Nein. Es gab keinerlei Hilfe. Die, die militärische Hilfe leisten wollen, sprechen mit den YPG. Die politischen Fragen werden von der demokratischen Selbstverwaltung gehandhabt. Aber bisher gab es keinerlei Hilfe und wir brauchen nicht über etwas sprechen, das bisher nicht existiert.

Die Menschen in Ostkurdistan (Westiran) verfolgen eindringlich die Situation in Kobanê. Erzählen Sie uns von diesem Teil Kurdistans.

Dieser Teil Kurdistans hat eine spezifische Geschichte des Widerstands. Es gab dort viele Aufstände. Ein undemokratisches System regiert den Iran, das die Bewegung und den Widerstand in diesem Teil Kurdistans blockiert. Ein demokratisches System muss für die Bevölkerung Irans etabliert werden; es ist essentiell, Vorbereitungen für die Errichtung eines solchen Systems zu treffen. In Bezug auf den Widerstand von Kobanê hatte Ostkurdistan eine Pionierrolle. Wir wussten von den Demonstrationen dort und wussten auch, dass einige DemonstrantInnen verhaftet wurden, was sich negativ auf den Widerstand auswirkte. Uns ist außerdem sehr bewusst, dass die Reaktionen [auf Kobanê] nicht auf KurdInnen beschränkt waren, sondern sich auch viele andere Menschen beteiligten.

Haben Sie Beziehungen zu den ostkurdischen Parteien?

Wir unterhalten Beziehungen mit allen kurdischen Parteien.


Dieser Artikel von Kamal Chomani wurde bei Ekurd.net veröffentlicht. Chomani ist ein kurdischer Journalist, dessen Schwerpunktthema die kurdische Politik in der Türkei, Irak, Syrien und Iran ist. Er arbeitet für lokale und internationale Medien und war Mitglied der Redaktion des führenden kurdischen, politischen Magazins Lvin und Kurdistan-Korrespondent für Reporter ohne Grenzen.