Madura Aso über Frauenmedien im IranMadura Aso über Frauenmedien im Iran

Die Frauen sollen auf ihre eigene Kraft vertrauen

Gelewej Ewrin, Yeni Özgür Politika, 24. Juli 2014

Der Beginn des Frauenjournalismus im Iran liegt 104 Jahre zurück. Trotz der vielen Schwierigkeiten und Repressalien von Seiten des iranischen Regimes wurde dieser Zweig zu einem Kampfterrain gegen die verkommene Mentalität der herrschenden Schahs und Mullahs.
Madura Aso ist eine von zahlreichen Journalistinnen, die auf diesem Gebiet seit Jahren ihren Kampf führen. Gelewej Ewrin hat sie dazu befragt.

Seit wann sind Sie schon auf diesem Gebiet tätig? Warum haben Sie sich gerade für den Journalismus als Tätigkeitsfeld entschieden?

Es sind nun fünf Jahre, in denen ich als Journalistin tätig bin. In der Gesellschaft, in der ich aufgewachsen bin, haben die herrschenden Kräfte die Frauen offen und massiv unterdrückt. Bis zum heutigen Tage hat sich die Situation nicht geändert. Ich selbst habe diese Qual und Unterdrückung massiv zu spüren bekommen. Über die Jahre hinweg mehrten sich bei mir Wut und Hass gegen das System der sogenannten Islamischen Republik Iran.

Diese Wut in mir war der Grund für die Suche nach Lösungsmöglichkeiten. Ich hatte einen Hang zum Lesen und Studieren. Das Aufschreiben meiner Gedanken und Gefühle hat mich stets erfreut. Wenn Gedanken und Ideen nicht niedergeschrieben werden, gehen sie verloren. Mit der Zeit mehrten sich meine Träume und um wenigstens einen Beitrag zur Frauenfrage zu leisten, und sei es noch so wenig, habe ich auf diesem Tätigkeitsfeld meinen Platz eingenommen. Fakt ist, dass wir Frauen an journalistischer und schriftstellerischer Tätigkeit noch viel nachzuholen haben. Aus dem Grund müssen wir in diesem Bereich und vor allem schriftstellerisch unseren »Stift« stärker zum Einsatz bringen. Hinzu kommt, dass das Schreiben den Weg zur gedanklichen Tiefe im Menschen ermöglicht. Auch für die geistige Tätigkeit des Menschen bewirkt es eine innere Ruhe, die ich nicht in Worte fassen kann. Es ist eine besondere Tätigkeit, die mit vielen Überraschungen verbunden ist.

Hatten Sie bei der Wahl dieser Tätigkeit angesichts der Presse- und Medienzensur keine Angst?

Fakt ist, dass es im Iran keine Meinungs- und Pressefreiheit gibt. Wir können aus diesem Grund nicht sagen, dass man wegen einer solchen Situation nicht denken, reden und schreiben soll. Das ist gegen das Wesen des Menschen. Der Mensch ist ein denkendes Wesen und strebt nach Erklärungen und Lösungen für bestehende Probleme. Und deshalb hat das Regime der Islamischen Republik Iran große Angst vor dem freien Denken der Menschen. Je mehr es an Selbstbewusstsein mangelt, umso stärker wird man zum Sklaven des Systems. Gerade das strebt das System an und kündigt an, diese Lebensweise in der iranischen Gesellschaft fortzuführen. Zensur und Verbote erklären sich auch durch diese Politik des Regimes, damit der Gesellschaft die Wahrheit verborgen bleibt. Es vergeht kein Tag, an dem die Presse- und Medienwelt nicht den Angriffen und dem Druck des Systems ausgesetzt ist. Heute sitzen viele Journalisten in den Gefängnissen des Regimes, weil sie die Gesellschaft aufklären und informieren wollten. Natürlich gibt es Probleme und Hindernisse, die Arbeit darf jedoch nicht darunter leiden. Die Arbeit der Journalisten ist eine schwere und anstrengende Arbeit. Oftmals wurden wir auch Zeugen von Tod und Verwundung. In Kurdistan verläuft es nach dem gleichen Muster. Viele unserer journalistischen Genossen arbeiten mutig und mit großer Leidenschaft. Etliche haben auch ihr Leben für diese Tätigkeit geopfert. Auch im Iran ist das so. Es ist kompliziert und riskant. Wir sind jedoch in dem Glauben, dass diese Arbeit auf revolutionäre Art und Weise vorangetrieben werden muss.

Auf welchem Stand ist der Frauenjournalismus im Iran?

Die Geschichte des Frauenjournalismus im Iran reicht 104 Jahre zurück. Ohne Zweifel wurden in diesem Bereich viele Erfahrungen gewonnen, wurde bislang viel geopfert für die Entwicklung des Frauenjournalismus. Doch der Hauptgrund ist, dass die in diesem Bereich Tätigen ihr Handwerk nie unabhängig ausüben können. Der von den Frauen betriebene Journalismus konnte sich nicht gänzlich von der patriarchalen Weltanschauung des herrschenden Systems lösen. Der Kampf, den sie gegen das Regime führen, bleibt erfolglos. Denn der Blick auf das System ist auf Institutionen und Personen reduziert, anstatt sich mit dessen Mentalität auseinanderzusetzen. Ein Beispiel: Vor der 79er Revolution hatten sich die gesamte Frauenpresse oder die sogenannten Vertreter der Frauenrechte gegen den Schah gerichtet, ihn angegriffen und kritisiert. Die Zeit des Schahs und seine Herrschaft sind Vergangenheit, doch die Frauenfrage ist nicht gelöst worden. Ganz im Gegenteil hat sich die Situation über die Jahre hinweg nur verschlechtert. Meiner Ansicht nach liegen die grundlegenden Hindernisse für die informativen und aufklärerischen Tätigkeiten genau hier. Man kann sagen, dass in den vergangenen Jahren die Linie der liberalen Feministinnen ins Zentrum von Publikationen und Propaganda gerückt ist. Ich denke, es ist nicht verkehrt, im Rahmen unserer Veröffentlichungen allen Themengebieten der Frau Platz einzuräumen, dabei ist es nicht wichtig, welche Anschauungsweisen oder Ideen – außerdem können wir von unseren gegenseitigen Erfahrungen profitieren. Doch was ich kritisiere und als einen Fehler ansehe, ist die Nachahmung. Niemals werden sich das Problem der Frau, die in Europa lebt, und das Problem derjenigen, die im Iran lebt, ähneln. Es stimmt, dass wir gegen dieselbe Mentalität kämpfen. Doch die Wege und Möglichkeiten, die sich dort bieten, unterscheiden sich erheblich von denen im Iran. Abgesehen davon besteht keine Gesellschaft nur aus Frauen. Es gibt zahlreiche kulturelle Unterschiede. All diese Aspekte haben einen großen Einfluss auf die Lösung oder eben die Nicht-Lösung der Frauenfrage. Es geht nicht, dass wir die Geschehnisse in der französischen Gesellschaft auch in der iranischen Gesellschaft erwarten.

Trotz ihres großen Potenzials ist die Frauenwelt in den Medien nicht vertreten, oder liegt das daran, dass es von der Männerwelt überschattet wird?

Die Islamische Republik Iran baut auf einem patriarchalen System auf, das gegen Frauen gerichtet ist. Jedes Mittel wird dabei genutzt, um die Frauen zu unterdrücken. Sie sollen in ihren vier Wänden im Dunkeln ersticken. Es stimmt, dass in den Frauen ein großes Potenzial steckt. Sie haben eine große Rolle gespielt bei den drei großen Revolutionen. Sie haben ihren Beitrag zu wichtigen Fortschritten im Iran angekündigt. Es ist nun schon mehr als hundert Jahre her, dass unabhängige Frauenorganisationen, Parlamente und spezielle Institutionen geschaffen wurden. Sie haben bislang viel geopfert und scheuen auch bis heute nicht davor zurück. Die Pressearbeit wurde ebenfalls auf diese Weise vorangetrieben. Aufgrund der zeitweise starken Angriffe auf die Pressetätigkeit gab es natürlich auch passivere Phasen, allerdings kein völliges Verstummen. Mit Beginn der Islamischen Republik Iran hat sich die Situation der gesamten Frauenarbeit massiv verschlechtert. Genau wie die Mitglieder der Frauenorganisationen Erniedrigung, Haft, Tod etc. erfahren mussten, so war auch die Berichterstattung der Frau diesen Verhältnissen ausgesetzt. Damit eine Frau intellektuelle Arbeit leisten konnte, musste sie unzählige Verbote umgehen und Gesetze brechen. Immer noch wird die Herausgabe und Verbreitung etlicher Bücher und Schriftstücke intellektueller Frauen und Frauenrechtlerinnen verhindert; zahlreiche Filme und Dokumentationen dürfen nicht gesendet werden. Und warum? Weil sie die Rechte der Frauen thematisieren; sie kritisieren das Regime und sind bestrebt, die Frauen aufzuklären und zu informieren. Zum Beispiel die Zeitschrift »Zenên Rûz« (»Die Frau von heute«), deren Publikation jahrelang verboten wurde. Zuletzt ist ihr Erscheinen unter den Frauen durch Präsident Ruhani thematisiert worden, der freie Berichterstattung und Verbesserungen in der Frauenfrage versprochen hatte. Doch wiederholt wurde eine Ausrede gefunden, um das Wiedererscheinen zu verhindern. Es wurde angeführt, die Herausgeberin sei eine radikale Feministin.

Inwiefern können die Medien, die von außerhalb Irans berichten, ein objektives und wahres Bild Irans liefern?

Natürlich gibt es keine völlig unabhängige Berichterstattung in den Medien. Entweder sind es Anhänger der alten Machthaber, also des Schahs, oder Anhänger der Grünen Bewegung, der Mudschaheddin, Liberale, Reformwillige etc. Berichterstattung, die mit Staaten kooperiert und arbeitet, folgt ohnehin einer klaren Linie. Aus diesem Grund kann nicht behauptet werden, dass wahre Berichterstattung gefördert und entwickelt wird. Sie folgt schwerpunktmäßig einer politischen und ähnlichen Linie. Frauenthemen nähern sie sich nur sehr pragmatisch an. Ähnlich wie den Themen der Minderheitenkonflikte und ihrer Probleme, die im Iran vorherrschen. Beispielsweise werden alltägliche und wichtige Themen tagelang groß behandelt, doch die Identitäts- und Existenzprobleme anderer Volksgruppen, die das Regime täglich leugnet und mordet, werden als nebensächlich sehr oberflächlich abgehandelt, oftmals gar nicht erst berichtet. Ich sehe eine sehr sexistische und nationalistische Haltung in der Art und Weise der Berichterstattung in persischer Sprache.

In systematischer Form und zudem sehr bewusst werden die Werte der Völker und der persischen Gesellschaft angegriffen, und das auf eine sehr raffinierte Art.

Auf welcher journalistischen Ebene haben Sie Ihren Platz?

Natürlich arbeiten wir zum einen als Teil des kurdischen Volkes und zum anderen als Frauen unter sehr schweren Bedingungen und Risiken. In zweierlei Hinsicht werden unsere Rechte missachtet und wir unterdrückt. Und ohnehin erfahren wir aufgrund unserer Tätigkeit eine besondere Unterdrückung. Die journalistische Arbeit im Iran ist sehr schwierig und wenn man sie als kurdische Frau macht, so ist es zehn Mal schwieriger. Trotz dieser Schwierigkeiten versuchen wir die Frauen zu erreichen und ihr Leid ein Stück weit mit ihnen zu teilen. Außerdem wollen wir mit unserer Denkweise und unserer Lebensphilosophie als Hoffnungsschimmer und Wegweiser für die Frauen gelten. Natürlich haben wir auch viele Mängel, dennoch sind wir uns sicher, dass wir der Rolle, welche die freie Berichterstattung spielen muss, gerecht werden können und so einen Beitrag zur Umwälzung und Erneuerung der Geisteshaltung leisten.

Die Hauptschwierigkeit ist, dass der Staat es nicht zulässt, dass wir unsere Tätigkeit innerhalb Rojhilats [Rojhilat: kurd. »Osten«, für Ostkurdistan] und des Iran frei ausüben. Wenn unsere Genossinnen und Genossen ins Gefängnis kommen, erhalten sie innerhalb kürzester Zeit die Todesstrafe. Ein weiteres großes Hindernis ist, dass wir nur sehr schwer mit unseren Autoren und Lesern in Kontakt treten können. Das Regime filtert außerdem unsere Web- und Mail-Adressen. Trotz all dieser Stolpersteine suchen wir uns Wege, um die Frauen unserer Gesellschaft und alle unsere Leser zu erreichen.

Welche Themen sind von besonderer Bedeutung und Auffälligkeit bei Recherchen über Frauen im Iran?

Der Iran blickt sowohl in geografischer als auch in kultureller Hinsicht auf eine lange Geschichte zurück. In der ist nur wenig über Frauen zu finden. Es ist klar, dass diese Geschichte aus der Sicht von Männern geschrieben wurde. Diese Annäherung an die Historie ist ohnehin falsch. Geschichte ist nicht nur die von Schahs und Padischahs.

Wo bleiben die Gesellschaft und die Widerstandskräfte der Gesellschaft? Es ist überaus interessant, dass die iranischen Frauen trotz alledem danach streben, ihre Stimme und ihre Vielfalt zu zeigen. Meiner Ansicht nach ist dies das Wichtigste und das Besondere überhaupt. Enthusiasmus und Lebenslust der iranischen Frauen sind enorm, daher sind ihr Bewusstsein und ihr Verstand zur Realisierung der Revolution bereit.

Sie arbeiten an der Zeitschrift »Zîlan« der Frauen von Rojhilat mit, die momentan als »Zenanê Şerq« erscheint. Warum haben Sie diese gewählt?

Weil es eine sehr anstrengende, aber auch sehr aufregende und schöne Tätigkeit ist. Außerdem bin ich eine Frau und sehe es als Pflicht, für meine Freiheit zu kämpfen. Ich sehe diese Tätigkeit als eine Möglichkeit, am Kampf teilzuhaben. Natürlich gibt es vielerlei Möglichkeiten. Die Mentalität, die uns als Frauen erniedrigt und unsere Rechte missachtet, ist äußerst unheilvoll und gefährlich. Meiner Ansicht nach sind ideologische Tätigkeiten die erfolgreichsten und einflussreichsten. Und wir sind als Frauen bislang am meisten von diesem Bereich fern geblieben.

Erreichen die Botschaften, die Sie mit diesen Publikationen transportieren wollen, die gewünschten Zielgruppen?

Weil die Zeitschrift, ganz gleich ob »Zîlan« oder »Zenanê Şerq«, in persischer Sprache erscheint, ist die Gruppe unserer Leser bekannt. Doch wir nehmen uns stets vor, alle Schriften und Texte der verschiedensten Frauen unterzubringen. Sicherlich gibt es auch hier Fehler und Mängel. Es kommt vor, dass sie nicht immer rechtzeitig erscheint oder in der vorgesehenen Zeit die Leser erreicht. Hin und wieder gibt es auch Probleme beim Erscheinen, auf Internetseiten werden unsere Adressen gefiltert und weitere Schwierigkeiten tauchen auf. Das sind leider alles Umstände, die unsere Leser verärgern. Wir werden dabei oft kritisiert. Wir bemühen uns, diese Hauptschwierigkeiten zu reduzieren, damit wir reibungsloser arbeiten können.

Was ist Ihre Perspektive bei der Herausgabe?

Wir wollen aufzeigen, dass wir einer geraden Linie folgen. Viele Zeitschriften und Zeitungen üben Kritik aus, aber warum werden sie dennoch zu keiner lösungsgebenden Kraft? Weil sie eben wie die herrschenden Mächte, also aus den Augen der Unterdrücker, auf die Probleme der Frauen und der Gesellschaft blicken. Und das lässt zu, dass Staat und Machthaber sich noch mehr erhoffen können. Wir denken nicht so. Wir sind von der Lösungskraft der Frauen überzeugt und wollen ihnen Perspektiven zur Institutionalisierung mit auf den Weg geben, wie man sich organisiert. Wir kritisieren sowohl die Unterdrückung als auch diejenigen, die sich nicht gegen die Unterdrücker auflehnen.

Wir folgen der Perspektive, dass die Frauen untereinander zu einer Einheit verschmelzen müssen; sie sollen zu einer treibenden Kraft werden, die Lösungen anbieten kann. Die Frauen sollen an ihre eigene Kraft glauben. Sie sollen sich organisieren und mit fundierten Überlegungen und Ideologie an den verschiedenen Gesellschaftsbereichen beteiligt sein.

Welche Ziele für die Zukunft haben Sie?

Wir wollen uns mit unserer Zeitschrift »Zîlan« noch stärker auf die Frauen in Ostkurdistan und Iran konzentrieren. Und die »Zenanê Şerq« richtet sich etwas mehr an alle Frauen des Mittleren Ostens. »Zenanê Şerq« möchte die Entwicklung eines demokratischen und gesellschaftlichen Systems thematisieren, das bei Frauen und der gesamten Gesellschaft Entwicklungen vorantreibt. Sie ist nicht nur die Zeitschrift einer Partei oder einer Institution. Jede Institution, Organisation und jede Frau, die ihre Gedanken mit uns teilen möchte, kann uns kontaktieren. Für uns ist es dabei nicht von Bedeutung, ob es sich um eine Türkin, Iranerin, Araberin, Kurdin etc. handelt. Es ist wichtig, dass das Verständnis und die Linie unseres Kampfes bekannt sind und dass wir in den Umständen und dem Verständnis der Frauen des Mittleren Ostens einen Wandel bewirken.