srnk-01-02-2014-sirnak-onbinler-termik-santirale-karsi-yuruduu2Kritische Betrachtung der Umweltpolitik der AKP-Regierung

Verwertung und Ausbeutung pur

Ercan Ayboğa

Nicht erst seit der geplanten Zerstörung des Gezi-Parks in Istanbul und den anschließenden weitverbreiteten Protesten ist die Umweltpolitik der türkischen Regierung ins Visier der Kritik geraten. Seit mehreren Jahren wachsen fast überall im Staat »Republik Türkei«-Proteste und Widerstand gegen immer neue Investitions- und Infrastrukturprojekte, da sie für die betroffenen Menschen in der Regel Zerstörung, Vertreibung und Ausbeutung bringen. Sie sind nur im Interesse eines kleinen Teils der Gesellschaft: der Zentralregierung und des nationalen und internationalen Kapitals.

 

Zwar wurden auch vor der jetzigen AKP-Regierung zerstörerische Energie-, Bergbau-, Verkehrs-, Landwirtschafts- und andere Infrastrukturprojekte beschlossen und umgesetzt, doch die Erdoğan-Partei hat alle bisherigen Regierungen übertroffen. Mit der Machtübernahme der AKP Ende 2002 nahm jährlich sowohl die Zahl als auch das Volumen der angekündigten und durchgeführten Projekte zu. Parallel dazu hat diese Regierung eine Reihe von Gesetzen im Umweltbereich beschlossen oder vorhandene überarbeitet. Auch wenn einige ansatzweise fortschrittlich erscheinen mögen, hatten und haben alle diese Gesetze die Intention, den Weg für die vielen Investitions- und Infrastrukturprojekte freizumachen.

Grundlagen zur Umweltpolitik

Hier einige Grundlagen, Zahlen und Entwicklungen darüber, wie sich die Politik dieser Regierung auf die Umwelt und die Menschen auswirkt.

Bei näherer Betrachtung der türkischen Regierung verwundert zunächst, dass es seit 2011 zwei Ministerien gibt, die für die Umweltpolitik zuständig sind. Auf der einen Seite ist es das Forst- und Wasserministerium, dessen Vorgänger bis 2011 das Umwelt- und Forstministerium war; und auf der anderen Seite ist es das Umwelt- und Städtebauministerium, das zuvor Bau- und Siedlungsministerium hieß. Während bis zu den Parlamentswahlen 2011 die Unterscheidung der Zuständigkeiten der Ministerien einfacher war, verkompliziert sich die Situation mit der neuen Regierungsbildung. Was hat der allgemeine Umweltbereich nun beim Städtebau zu suchen? Und warum sind der Wald und die Gewässer vom Umweltbereich getrennt? Diese Trennung ist einmalig in der Welt. Das hat mehrere Gründe, einer davon ist die Tatsache, dass die Ministerien auf die Minister bzw. die einflussreichen Männer in der Regierung zugeschnitten werden. Im Zentrum steht Veysel Eroğlu, der jetzige Minister des Forst- und Wasserministeriums, der bis 2011 verantwortlich für das Umwelt- und Forstministerium war. Bis 2007 war er der Chef des Staatlichen Wasseramtes (DSI), das die vielen Tausend Staudamm- und Wasserkraftwerksprojekte um jeden Preis forciert, die zur größten Ursache der ökologischen Zerstörung in der Republik Türkei gehören.

Der heutige türkische Staat hat all die üblichen Umweltgesetze, die auch in den meisten Industriestaaten anzutreffen sind. Ein Merkmal dieser AKP-Regierung ist es, dass sehr viel über die Nachhaltigkeit und ihre Ziele geschrieben und dies vielen Gesetzen und Erklärungen vorangestellt wird. Dieser Begriff wird von der AKP in allen Bereichen der Politik strategisch verwendet. Vorzufinden sind Nationalparks, Gebiete mit hoher biologischer Bedeutung (z. B. Biosphärenreservat) und viele Aktionspläne zum angeblichen Schutz der Biodiversität. Es gibt seit 1997 ein Gesetz zur Umweltverträglichkeitsprüfung von größeren Investitionsvorhaben. Gesetze zur Messung der Luft- und Bodenqualität sind schon vor langer Zeit verabschiedet worden. In den Schulen werden die Umweltprobleme seit Jahren im Unterricht behandelt. Vor drei Jahren wurde das Umweltkapitel in den Beitrittsverhandlungen zwischen der Türkei und der EU eröffnet. Die Darstellung in Internetforen und auf internationalen Versammlungen wird sehr gepflegt. Die Türkei brüstet sich damit, dass der Anteil der erneuerbaren Energie bei über 20 % liegt. Anscheinend handelt es sich im Falle der Republik Türkei im Umweltbereich um einen »modernen Staat«. Doch der Schein trügt!

Der Staat Türkei ist ein Land mit vielen Gebirgszügen, Hochplateaus, Wäldern, Gewässern und verschiedenen Klimazonen, womit es aus ökologischer Sicht als sehr vielfältig bezeichnet werden kann. Die Natur ist äußerst divers und nicht selten atemberaubend. Mit einer jahrtausendealten Kultur ist diese Geographie tatsächlich etwas Besonderes.
Jahrzehntelang bis zu den 90er Jahren konnte der autoritäre Staat aufgrund schwacher Finanzen, politischer Krisen und fehlender Technologien die Natur und ihre Stoffe für einen wirtschaftlichen »Aufschwung« nur begrenzt verwerten. Aus diesem Grund wurden weite Teile der Landschaft nur wenig verunstaltet. Nichtsdestotrotz wurden einige katastrophale Projekte wie die dritte Bosporus-Brücke oder die drei großen Staudämme am Euphrat realisiert.

Doch mit den in den 80er Jahren eingeleiteten neoliberalen Reformen der Özal-Regierung wurde der erste Grundstein für eine Reihe von Projekten gelegt. Dann kam das Krisenjahr 2001, auf das viele von Weltbank und IWF aufgezwungene Reformen des Wirtschaftssystems folgten. Der Neoliberalismus hob alle Beschränkungen des staatlichen Sektors auf und leitete eine bis heute andauernde Privatisierung ein. Dies alles wurde als die 8. Entwicklungsplanung bezeichnet. Just ein Jahr später kam die AKP an die Macht und setzte diesen Plan maßstabsgetreu um.

Die AKP brüstet sich damit, dass das Land es nur ihr zu verdanken habe, einen bis heute anhaltenden Wirtschaftsaufschwung initiiert zu haben. Das stimmt so nicht ganz. Im Endeffekt ist das aber für die Natur und die Betroffenen egal.

Im Regierungsprogramm der Jahre 2003 bis 2007 steht, dass im Rahmen einer freien Konkurrenzwirtschaft von allen Energiequellen auf die effizienteste Weise profitiert werden solle, Atomkraft umweltfreundlich sei und die reichen Ressourcen in der Erde für die Entwicklung des Landes durch die Bergbauindustrie ausgebeutet werden sollen. Der Schutz der Umwelt wird auch in den nachfolgenden Regierungsprogrammen und anderen Dokumenten zwar erwähnt, doch relativ kurz und immer unter dem Vorbehalt der »Realitäten des Landes«.
Wir erkennen am Beispiel des türkischen Staates nur zu gut, wie im kapitalistischen Wirtschaftssystem »wirtschaftlicher Aufschwung« tatsächlich Umweltzerstörung bedeutet. Das »Wachstum« im türkischen Staat basiert zum einen auf dem Immobilienmarkt und der Automobilindustrie, die fast nur aus Montage besteht, und zum anderen aus Investitions- und Infrastrukturprojekten im ganzen Staat. Bei allem spielt das aus dem Ausland zufließende Kapital eine bedeutende Rolle.

Ein Blick auf die Zahlen zeigt, dass die Türkei 2012 im globalen Vergleich bei den sogenannten Auslandsdirektinvestitionen mit knapp 20 Mrd. US-Dollar den 13. Platz belegt. Etwa ein Viertel des Geldes kommt aus der EU, an zweiter Stelle steht der Mittlere Osten. Ein genauer Blick weist auf einen größeren Anteil der »Energie- und Wasserversorgung« hin als des restlichen Industriesektors. Hierunter sind vor allem Investitionen in Wasserkraftwerksprojekte zu verstehen.

Die Gefahren und Zerstörungen im Einzelnen

Unter den Investitions- und Infrastrukturprojekten geht die größte Gefahr für die Natur in Anatolien, Nordmesopotamien, Thrakien und an der östlichen Schwarzmeerküste von Staudämmen und Wasserkraftwerksprojekten aus. Diese werden ausnahmslos auf allen Fließgewässern auf der ganzen Länge gebaut. Es wird kaum ein Kilometer »ungenutzt« gelassen. Wenn wir uns vor Augen halten, dass die Fließgewässer und ihre Auen ökologisch gesehen die wertvollsten Gebiete in der Landschaft sind – hier haben mehr als zwei Drittel der Tiere und Pflanzen ihr hauptsächliches Vorkommen –, ist die hier stattfindende Zerstörung besonders dramatisch. Um die Jahrtausendwende traten vier Staudammprojekte und die dagegen laufenden Aktivitäten in die Öffentlichkeit: 1.) Ilısu-Staudamm und die Zerstörung von Hasankeyf und des Tigris-Tales, 2.) die Staudämme in Dersim, 3.) der Yusufeli-Staudamm auf dem Çoruh-Fluss in der Provinz Artvin, 4.) der Yortanlı-Staudamm und die Zerstörung des antiken römischen Kurorts Allianoi. Diese haben alle gravierende ökologische, soziale und kulturelle Folgen. Eine Untersuchung einer in Istanbul ansässigen Umweltorganisation sagt aus, dass die Hälfte der 310 wichtigen Naturgebiete durch Staudämme und Wasserkraftwerksprojekte bedroht sind.

Aber auch andere Projekte sind gefährlich und destruktiv. Im Kommen sind insbesondere Bergbauprojekte. In den bergigen Gebieten werden von Unternehmen an allen Ecken geologische Bodenuntersuchungen durchgeführt; die Lizenzen dafür werden ihnen von der Regierung nachgeworfen. Ebenso die Erlaubnis, die Ausbeutung zu starten. In jeder Provinz wurden oft mehrere Dutzend Lizenzen vergeben. Wenn selbst nur ein Zehntel der untersuchten Gebiete sich als »ertragreich« aus Sicht der Unternehmen ergäbe, wäre das langfristig ähnlich bedrohlich wie die Staudammprojekte. Denn Bergbauprojekte – gerade in diesem Staat mit mindestens einem blinden Auge – tragen den oberen Boden von großen Flächen ab und vergiften oft den Boden und das Grundwasser; mit jahrzehntelangen Folgen.

Gleich danach müssen die Kohlekraftwerke erwähnt werden. Die Regierung versucht, den wachsenden Strombedarf vor allem durch diese Kraftwerke zu decken. Die Türkei gehört zu den wenigen Staaten in dieser Welt, die so intensiv auf Kohlekraftwerke setzen. Sie sind schnell zu errichten und funktionieren relativ einfach. Knapp drei Dutzend Kohlekraftwerke sind bereits in Betrieb, weitere vier bis fünf Dutzend große sind in Vorbereitung. Die zwei größten Kohlekraftwerke stehen bei den überwiegend kurdisch besiedelten Orten Avşîn (Afşin) und Elbistan in der Provinz Gurgum (Maraş), wo sie seit Jahren wegen ihrer dramatischen Folgen für die Gesundheit Anlass für Diskussionen und Proteste sind. Die größten Proteste in Kurdistan gegen Kohlekraftwerke fanden Ende Januar 2014 in Şirnex (Şırnak) statt. 10 000 Menschen gingen auf die Straße, um gegen die starke Beeinträchtigung zu protestieren. Die Kohlekraftwerke in der Türkei erfüllen sehr niedrige Kriterien, die ältesten und schlechtesten aus der BRD könnten problemlos in der Türkei errichtet werden.

Viele der Verkehrsprojekte werden auch immer mehr kritisiert. Viele Jahre wurde die Autobahn entlang der Schwarzmeerküste heftig diskutiert. Trotz vieler Proteste hat die AKP dieses Projekt realisiert und dadurch lange Küstenabschnitte zerstört. Ein großes Prestigeprojekt und der Wahlpropaganda dieser Regierung dienend sind die doppelspurigen Straßen zwischen allen Provinzhauptstädten. Tatsächlich begann die Regierung, sie überall im Staat zu bauen. Während sie aufgrund eines hohen Verkehrsaufkommens zwischen einigen größeren Städten einen gewissen Sinn machen, sind sie jedoch in den meisten Fällen abzulehnen, weil sie viel Erde bewegen, die Ausbeutung von Naturstoffen fördern, große Siedlungs-, Natur- und landwirtschaftliche Flächen zerstören. Besonders kritisiert wird zurzeit die dritte Bosporus-Brücke, die die letzten großen Waldstücke im nördlichen Istanbul zerschneidet.

Die geplanten Atomkraftwerke (AKW) stehen auch im Kreuzfeuer der Kritik. Zwei Aufträge sind bereits vergeben, ein dritter soll folgen. Das AKW in der Provinz Mersin soll ab nächstem Jahr gebaut werden. Wie in allen Ländern der Welt sind die Risiken und Gefahren durch die AKWs ähnlich groß. Besonders hervorzuheben ist, dass die zwei in Planung befindlichen AKWs in Erdbebenregionen liegen. Eine große finanzielle Belastung wird es für den Haushalt ohnehin sein, da die ganze Atomtechnologie eingeführt werden muss.
Gleich nach der Machtübernahme hat die AKP den Weg für die Privatisierung von Wäldern freigemacht. Auch wenn viele Initiativen bis 2010 immer wieder am Staatspräsidenten oder dem Verfassungsgericht scheiterten, wurden Schritt für Schritt viele Waldflächen durch Trickserei als »nicht öffentlich zu verwaltender Wald« definiert und für die Abholzung oder die Privatisierung vorbereitet. Der Druck durch die Tourismusindustrie spielt hierbei eine nicht unbedeutende Rolle. Besonders in den Bergen der Küstenregionen mit den großen Waldbeständen hat ein Prozess der Abholzung begonnen.

Die AKP war und ist ständig bestrebt, die Umweltgesetze auszuhöhlen. Ein wenig positiv wirken dabei nur die Forderungen der EU und vor allem der sozialen Bewegungen. Trotzdem wird zum Beispiel mit einer Gesetzesänderung die Suche nach Erdöl, Geothermie und Rohstoffen nicht mehr einer Umweltverträglichkeitsprüfung unterzogen. Es wurde sogar eine Amnestie für Umweltverbrechen von Unternehmen eingeführt.

Widerstand für das Leben

In der Republik Türkei haben wir inzwischen die Situation, dass ausnahmslos in allen Provinzen mehrere kritisierte Großprojekte geplant und umgesetzt werden. In vielen Provinzen liegt die Zahl bei mehreren Dutzend und die Aktivist*innen wissen teilweise nicht, wogegen sie zuerst ankämpfen sollen. Auch wenn die Zahl der sich für die Natur und damit für die sozialen Strukturen und das kulturelle Erbe einsetzenden Menschen in den letzten zehn Jahren spürbar zugenommen hat, sind es immer noch viel zu wenige; auch im Vergleich mit den Industriestaaten. Dennoch haben die bisherigen Kämpfe viel zu einem neuen Bewusstsein in der Gesellschaft für Natur und Kultur beigetragen. Immer mehr Menschen – insbesondere Betroffene und das Kleinbürgertum in den Städten – hinterfragen die bestehende Energie-, Landwirtschafts-, Verkehrs- und Konsumpolitik. Sie diskutieren über alternative Wege in diesen Bereichen. Nur ein kleiner Teil von ihnen sind Menschen, die sich zuvor schon gegen die politische Unterdrückung und Ausgrenzung engagiert haben.

Auch einige wichtige professionelle NGOs nehmen sich der ökologischen Zerstörung an. Sie erkennen immer mehr an, dass diese auch zur sozialen Entwurzelung und zur Intensivierung der menschlichen Ausbeutung führt. So hat die Union der Ingenieur- und Architektenkammern (TMMOB) 2010 mit einer Klage gegen das Gesetz zur Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) begonnen, die bis heute andauert und interessante Aspekte bekommen hat. Die TMMOB hat zunächst dagegen geklagt, dass vor dem 07.02.1993 beschlossene Investitionsprojekte keine UVP benötigen, und 2011 vor dem Verwaltungsgericht recht erhalten. Daraufhin hat die Regierung in Bezug auf den Ilısu-Staudamm – Hauptauslöser des Engagements von TMMOB – ein neues Gesetz erlassen, das Ausnahmen unter gewissen Bedingungen zuließ. Als dieses 2012 wegen TMMOB gekippt wurde, klagte TMMOB gegen den Ilısu-Staudamm und bekam im Januar 2013 recht. Daraufhin musste das Ilısu-Staudammprojekt gestoppt werden – die Hälfte war bis dahin fertiggestellt –, bis eine UVP für Ilısu erstellt wird. Doch hat die Regierung im April 2013 eine weitere Ausnahmeregelung erlassen, wonach die Erstellung einer UVP nach türkischem Gesetz den Stopp eines bereits begonnenen Baus nicht notwendig macht. Eine Klage seitens TMMOB läuft natürlich dagegen. Dieses Beispiel zeigt, wie die Regierung ihre eigenen Gesetze ständig ändert, bis für sie wichtige Projekte fortgesetzt werden können. Nur wenn es großen öffentlichen Druck gibt und die Gesetze undiskutiert übergangen werden, kommt es vor, dass ein Gericht unterer oder mittlerer Instanz ein Projekt vorübergehend stoppt. Allerdings werden diese Beschlüsse dann in der Regel von den oberen Gerichten gekippt.
Es gibt bisher nur ein einziges Staudammprojekt, das von der Regierung ohne endgültigen Gerichtsbeschluss abgebrochen wurde: im Januar 2013 der Pülümür-Staudamm in Dersim (Tunceli). Auch hier gab es jahrelange große Proteste der Bevölkerung.

Ein grundlegendes Problem in der Republik Türkei ist die Tatsache, dass immer mehr Strom und Wärme verbraucht werden. In den letzten elf Jahren hat sich der Verbrauch um mehr als zwei Drittel gesteigert. Dies wird vor allem von der Industrie und weniger von den Haushalten verursacht. Die Effizienz liegt sehr weit hinter derjenigen anderer OECD-Staaten. Nicht nur im Inland wird zunehmend mehr verbraucht, es werden auch immer mehr Güter exportiert.

Außerdem verschlechtert sich die Luftqualität in diesem Staat stetig. Dies liegt weniger an der Zunahme der Bevölkerung, sondern vielmehr an den rasant wachsenden Städten, dem Heizmaterial (wie Kohle minderer Qualität), der schlechten Isolation (verursacht mehr Heizen) und der Zunahme von Kraftfahrzeugen (während der Schienenverkehr kaum gefördert wird). Und es liegt auch an den Produktionsstätten, die mit niedrigen Standards arbeiten. Als Folge dieser Entwicklung gibt es im Winter Tage mit besonders schlechter Luftqualität, was sich gravierend auf die Gesundheit auswirkt.

Klimadiskussion fehl am Platz!

In der Öffentlichkeit findet so gut wie keine Diskussion über die globale Klimaveränderung statt. Nur kleine Gruppen und wenige Wissenschaftler*innen behandeln dieses Thema. Die Regierung nimmt an den internationalen Konferenzen teil, schwärmt aber davon, dass bereits jetzt über 20 % der Elektrizitätsproduktion von »erneuerbaren Energiequellen« kommen. Genauer betrachtet handelt es sich um Wasserkraftwerksprojekte, die wegen ihrer ökologischen und sozialen Zerstörung nicht erneuerbar zu nennen sind. Außerdem produzieren die Stauseen – nicht nur in tropischen Regionen – Treibhausgase. Beim türkischen Staat liegt die Ironie in der Klimadiskussion darin, dass es sich um den Staat mit der weltweit höchsten relativen Steigerung von Treibhausgasen gegenüber 1990 handelt. Allein dieser Aspekt sagt viel über die Umweltpolitik in dieser Republik aus.

Alles ist aber nicht aussichtslos und trist in diesem Staat. Es gibt immer mehr Kämpfe gegen zerstörerische Projekte und für den Erhalt der Natur. Die Erfolge sind noch gering; doch wird der Zusammenhang mit den politischen Rahmenbedingungen auch für die Aktivist*innen klar. Hoffnung machen die vielen sozialen Bewegungen und das erstarkende Bündnis der linken und demokratischen Bewegungen der Türkei und Nordkurdistans. Manchmal denken engagierte Menschen, dass sie nichts erreicht haben. Doch kann in einem unerwarteten Moment die Stimmung umschwenken und plötzlich steht das behandelte Thema im starken Interesse der Öffentlichkeit.